RNA-Therapie – Von ISIS über Alnylam bis Arrowhead und Tekmira Pharmaceuticals

Der folgende Beitrag unseres -> Kolumnisten <- "Toni", erschien schon am 10.06.14 im Premium-Bereich, ist heute aber kein bisschen weniger aktuell:

Sieht man mal von der Gentherapie ab, deren erstaunliche Fortschritte insbesondere durch neue Methoden des „Gen-Editing“ befeuert werden, so kann man vielleicht sagen, dass kein anderes Feld im Bereich der medizinisch-biotechnologischen Entwicklungen so verheißungsvoll aber auch kontrovers betrachtet wird, wie die RNA-Therapie oder RNA-Interferenz (RNAi). Und da wir als Investoren ja die Aktie der Zukunft suchen, möchte ich diese Technologie noch einmal vorstellen.

Kurz und vereinfacht zusammengefasst: kurze Ribonukleinsäuren (RNA) binden zusammen mit bestimmten Proteinen und Enzymen (Nukleasen) an ihre komplemetären Sequenzen innerhalb der messenger-RNA (mRNA), also jener RNA, die nach Transkription vom Gen als Matrize für die Proteinsynthese dient. Es kommt aber dann nicht zur Proteinsynthese (Translation) sondern zum gezielten Abbau der mRNA. Für diejenigen, die das Thema RNA-Interferenz hier noch nicht verfolgt haben, möchte ich auch nochmal klar machen, dass es sich bei der Methode nicht um Gentherapie handelt, da ja nur das Transkript des Gens, also die abgelesene RNA ins Visier genommen wird.

Die RNAi-Firmen rühmen sich damit, dass sie über spezifisches und rationales Design ihrer "RNA-Arzneien" fast jede Krankheit therapieren können. Dabei werde nicht das Symptom in Form eines fehlgeleiteten oder überexprimierten Proteins ausgeschaltet, sondern die Ursache direkt bekämpft. Darüberhinaus bestehe auch die Möglichkeit, „undruggable“ Targets zu attackieren. Letzteres ist gewiss richtig und mit Sicherheit ein nicht zu unterschätzender Punkt. Ersteres ist aber leicht übertrieben, denn Krankheiten, die ihre Ursache im Fehlen eines Gens bzw. Proteins haben fallen nicht ins Aufgabengebiet der RNA-Interferenz, es sei denn, das Fehlen ist durch falsches Splicing der mRNA begründet oder dadurch, dass andere regulative Elemente für das betreffende Gen nicht funktionieren.

Mittlerweile ist das Feld, auf dem sich die RNAi-Biotechs tummeln mit samt ihren Partnerschaften, Lizenzverträgen, Patenansprüchen schon recht komplex geworden; gar nicht zu reden von den vielen klinischen und vorklinischen Studien, die an den unterschiedlichsten Krankheiten erprobt werden und zum Teil in Partnerschaft untereinander durchgeführt werden. Um nicht zu viel Verwirrung zu stiften, beschränke ich mich heute auf wenige Firmen, die auf dem Gebiet führend sind.

Prinzipiell kann man sagen, dass es hier drei unterschiedliche Wirkmechanismen gibt, die von diversen Firmen genutzt werden:

1. Die Antisense-Oligonukleotid-Technologie (ASO) oder auch Antisense-Therapie: Die Firma, die das Geschehen hier dominiert ist ISIS Pharmaceuticals. ISIS besitzt innerhalb der RNA-Therapie die größte Pipeline mit 3 Dutzend sowohl vorklinischen, als auch weit fortgeschrittenen Programmen.

Die Wirkung dieser Antisense-Therapie ist die gleiche, wie bei der “echten“ RNA-Interferenz (s.u.) aber der Mechanismus unterscheidet sich dadurch, dass bei ASO einzelsträngige RNA mittels einer Nuklease (die sogenannte RNAseH) die Ziel-RNA zerschneidet.

2. siRNA (short interfering RNA). Die Wirkung dieser kurzen doppesträngigen RNAs basiert auf dem Mechanismus, der in den 90ern von Fire und Mello in dem Würmchen C. elegans entdeckt wurde und die dafür den Nobelpreis erhielten. Wesentliche Patente, die diese Technik beschreiben, hält übrigens Alnylam-Pharmaceuticals.

Alnylam ist mit etwa 4Milliarden Dollar etwa so hoch kapitalisiert wie ISIS und damit gehören beide Firmen zu den führenden RNAi-Companies. Eines der wichtigsten Programme bei Alnylam, liegt in der Behandlung verschiedener Formen der Amyloidose. In der Hepatitis B Therapie sind Arrowhead Research und Tekmira Pharmaceuticals als wichtigste Firmen zu nennen. Denkt man nur an den Erfolg von Gileads Sovaldi gegen Hepatitis C oder die Kursexplosionen bei Intercept, Idenix und Achillion, so kann man sich ausmalen, was ein Durchbruch der RNAi für diese Firmen möglicherweise bedeuten würde. Tekmira arbeitet außerdem an einer auf RNAi basierten Ebola-Therapie, deren Ergebnisse bislang beeindruckend sind.

Das, was beide Firmen besonders interessant macht, sind übrigens ihre eigenen Entwicklungen rund um das „Delivery“-Problem, man könnte vielleicht auch Galenik (z.B. bestimmte Nanopartikel) sagen. Denn neben den gefürchteten "off-Target"-Effekten, besteht eines der großen Probleme bei der therapeutischen RNA-Interferenz darin, diese kurzen RNA-Moleküle sicher an den Ort des Geschehens zu bringen. Ihr zielgerichteter Transport und die Aufnahme durch die zu behandelnden Zellen oder Organe sind daher die großen Herausforderungen für die RNAi-Biotechs. Ihre Zukunft wird sicherlich auch davon abhängen, ob sie diese Probleme lösen können.

3. MicroRNA:

MicroRNA (miRNA) spielt eine wesentliche Rolle bei der natürlichen Regulierung einer Vielzahl von Genen. Die tatsächliche Bedeutung dieser kleinen natürlich vorkommenden RNAs wurde erst in den letzten Jahren offenkundig. Ob Immunantwort, Zellzyklus, Stamzellentwicklung oder Tumorgenese, überall regulieren microRNAs das Geschehen und zwar über RNA-Interferenz. Synthetische RNAs, die mittels Antisense-Inhibition die Funktion dieser miRNAs unterdrücken oder gar ausschalten, gehören zu den neueste Entwicklungen auf diesem jungen Gebiet. Sollte sich das Konzept bewahrheiten, so werden diese potentiell besonders wirkungsvollen Therapeutika vielleicht neue Wege auch in der Krebstherapie erschließen. Eine der wenigen Firmen (mir ist nur noch Mirna Therapeutics bekannt), die auf miRNA arbeiten, ist Regulus Therapeutics.

Regulus wurde übrigens 2007 von ALNY und ISIS gegründet. Wer sich dafür interessiert, sollte auch deren informative Homepage mal studieren.

Zurück zu ISIS: Obwohl man mit der ursprünglichen und älteren Antisense-Technologie schon wesentlich mehr Erfahrung sammeln konnte (->Flavr-Savr-Tomate), schien es in den letzten Jahren fast so - wenn man den Experten Glauben schenken darf -, dass ASO gegenüber der siRNA ins Hintertreffen geraten würde. Insbesondere die höheren Konzentrationen der chemisch modifizierten Nukleotide, die nötig waren, um einen therapeutisch wirksamen Knock-down ( also das gezielte Auschalten der mRNA) zu erzielen, hatten häufig ernste Nebenwirkungen (im schlimmsten Fall irreversible Leberschädigung) zur Folge. Auch der angestrebte Transport der Oligonukleotide in den Kern der Zelle (um an die RNaseH zu binden) schien nicht ausreichend gut zu funktionieren und es wurde gemutmaßt, ISIS verschwende sehr viel des großen Potentials damit, ASOs zu entwickeln, die lediglich ins Zytoplasma einer Zelle gelangen. Herr Haussecker vom RNAi Therapeutics Blog drückt es so aus: "Until early 2013, the claim by ISIS of having more than 2 dozen drugs in the pipeline was meaningless. Most of these candidates were either commercially dead (KYNAMRO, Alicoforsen, Vitravene), had ceased active clinical development, belonged to other companies (!), or were in phase I."

Das Bild scheint sich aber nun, komplett geändert zu haben. Die letzten ISIS-Studien zeigen recht eindrucksvoll, dass mit neu entwickelten Techniken, insbesondere durch bessere Affinitätschemie und besseres „Ligand-Targeting“ diese Probleme behoben wurden und in einigen Fällen sogar die Erwartungen bei weitem übertroffen haben. ISIS besitzt nun mit Abstand die vielfältigste und vielleicht auch vielversprechendste Pipeline im RNA-Interferenz Bereich. Dazu gehören z.B. mit ISIS-GCGRx und ISIS-FXIRx zwei Diabetes- bzw. Blutgerinnungs-Projekte, deren Studien in Phase II erstaunlich gute Ergebnisse erzielen konnten. Mit ISIS-ApoCIIRx entwickelt das Unternehmen eine Antisense-Therapie auf dem Cholesterin und Fettstoffwechselgebiet. Die Ergebnisse einer Phase II Studie sind ebenfalls sehr ermutigend. Siehe auch hier.

Hier die aktuellen Charts:

ISIS 2 chart.ashx

ALNY2 chart.ashx

RGLS 2 chart.ashx

Den ursprünglichen Artikel zur RNA-Interferenz habe ich ja bereits am 10. Juni für die Premium-Mitglieder geschrieben. Seitdem haben sich die Kurse aller RNAi-Firmen stark entwickelt. Dies ist natürlich auch dem Umstand zu verdanken, dass sich der Nasdaq-Biotech in den vergangenen Wochen wieder deutlich erholt hat. Das Schicksal der "RNAi-Kurse" wird natürlich auch von der Bereitschaft der grossen Pharmas abhängen, Partnerschaften einzugehen. Es war nicht zuletzt die Entscheidung von Novartis, sich aus RNAi zurückzuziehen, die für den Fall der Kurse sorgte. Diejenigen, die sich für die RNA-Interferenz interessieren und die in eine aussichts- und hoffentlich auch segensreiche Technologie investieren möchten, sollten sich von der hohen Volatilität dieser Titel nicht abschrecken lassen. (....was natürlich leicht gesagt ist)

Grüße,
Toni

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