Sicherheit als Lebenskorsett

Wer ernsthaft und dauerhaft an den Märkten erfolgreich sein will und nicht nur ein paar Glückstreffer landen will, braucht dafür auch die richtigen Denkstrukturen, neudeutsch den "Mindset" genannt.

Gerade auch die damit zusammenhängenden Fragen und Probleme sind immer wieder Thema bei uns auf Mr-Market, lesen sie mal was ich den Mitgliedern zum Beispiel letzten Sommer geschrieben habe:

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Es gibt gebildete und durchaus intelligente Menschen, die aus ihren Fähigkeiten im Leben nicht das machen können, was leicht möglich gewesen wäre. Und dabei steht ihnen manchmal eine nahezu panische Angst vor Fehlern, ein Zwang immer "alles richtig zu machen", deutlich im Weg. Damit verbunden ist dann auch eine massive Risiko-Aversion, weil alles was neu oder unbekannt ist, ja auch ein Risiko gegenüber dem Gewohnten darstellt.

Diese Aversion gegen Wandel und selbst kleinste Risiken lässt die extremsten Varianten dieses Typus alles früh ablehnen was mit Veränderung zu tun hat, so dass diese Menschen schon im mittleren Alter den Anschluss an die moderne Welt zu verlieren drohen. Eine Mikrowelle - "das brauchen wir nicht". Einen Geschirrspüler - "das brauchen wir nicht". Ein Fax - "das brauchen wir nicht". Und ein Computer oder ein Handy schon gar nicht - "den Mist brauchen wir nicht".

Die Angst Fehler zu machen und die Sorge davor, dass etwas außerhalb des täglichen Trotts "schief" gehen könnte, lässt solche Menschen permanent in innerer Unruhe vor dem Morgen leben und nie im Hier und Jetzt das Leben geniessen.

Das Idealbild dieser Menschen ist die Welt in Bernstein, im immerwährenden Schrebergarten wo jeder Tag wie der nächste ist - bloß keine Veränderung!

Loriot hat diesen Typus mal in "Ödipussi" aufs Korn genommen, das darin dargestellte Ehepaar ist nicht von Grau als Farbe im Leben wegzubekommen - "wir hätten gerne das Aschgrau". 😛

Am Morgen sorgt man sich, dass der Laden für den Mittagseinkauf geschlossen haben könnte. Im Laden sorgt man sich, pünktlich nach Hause zu kommen, damit das Mittagessen auf die Minute auf dem Tisch steht - ein "Drama" wenn nicht. Dann sorgt man sich darum eine "wichtige" Sendung im TV zu verpassen usw und sorgt sich um dies und das und so weiter und so fort.

Man sorgt sich aber nicht nur, man wartete auch immer auf etwas. Auf die Tagesschau, auf ins Bett gehen können, dass es Morgen wird, darauf dass die Läden aufmachen, dass es Freitag wird, dass es Abend wird usw und so fort.

Nur einen Ort und Zustand kennen diese Menschen schwer bis nie: Im Hier und Jetzt zu *sein* und sich am Leben und am Moment zu erfreuen.

Das sind zutiefst risikoaverse Menschen, die vergessen haben wie es ist fröhlich in die Welt hinaus zu laufen, voller Neugier auf die Wunder die einen da erwarten. Es sind Menschen die ihre Kindheit verloren haben oder nie eine hatten.

Folgerichtig ist für diese Menschen Geldanlage auch nur dann "richtig", wenn sie "super-sicher" ist, sie wissen schon was das heisst, das Sparbuch ala Olaf Scholz. Aber auch einen Job zu wechseln, etwas Aufzugeben um weit Besseres zu erhaschen, Risiken zu gehen, sich auf etwas einzulassen und das Leben als etwas Dynamisches zu betrachten, ist diesen Menschen völlig fremd - der Gedanke daran erfüllt sie mit nackter Angst und Panik, ja Panik!

Díese Menschen haben einen "Fehlervermeidungs-Zwang" und sie haben psychologisch noch viel mehr, das soll hier aber wie oben gesagt nicht Thema sein und nicht psychologisch analysiert werden - ich versuche einen Typus greifbar zu beschreiben, nicht ihn zu analysieren. Die Jagd nach der Chimäre absoluter Sicherheit und Beständigkeit um jeden Preis ist aber auf jeden Fall ihr Lebenskorsett, das keine Bewegung zulässt.

Was lieben diese Menschen daher? Alles was ihnen Halt gibt und berechenbar und verlässlich erscheint. Unsicherheit und Wandel ist dagegen eine massive Bedrohung ihres Inneren.

Diese Menschen laufen permanent vor etwas davon und verpassen dabei zu leben - Selbstmord aus Angst vor dem Tod könnte man auch im übertragenen Sinne sagen.

Jetzt ist nicht jeder so extrem, genau genommen nur eine kleine Minderheit, aber Facetten dieser Persönlichkeitsstruktur haben sie bestimmt schon erlebt. Dass diese Persönlichkeitsstrukturen mit dem Geschehen an den Börsen zutiefst inkompatibel sind, dürfte hoffentlich klar sein.

Schlimmer, die ganze Unsicherheit die von den Börsen ausgeht, dieser fehlende sichere Boden, die fehlenden klaren Gesetze an die man sich halten kann und die ein bestimmtes Ergebnis garantieren, all dieses Unbestimmte und Wandelbare der Märkte, ist für solche Menschen eine einzige, furchterregende Bedrohung!

Diese Denkstrukturen sind als weniger extreme Variante weit verbreitet und begegnen uns in ihren Facetten permanent an jeder Straßenecke.

Denken sie an den überkandidelten deutschen "Datenschutz", nur ja keinen Fehler machen und alles mit endlosen Häkchenlisten und Papierorgien absichern!

Oder denken sie an die deutsche Impfkampagne mit ihren bürokratischen Prozessen, auch hier nur ja keinen Fehler machen!

Wir haben 2020 erlebt, wie mobile Impfteams lieber Impfdosen weggeschmissen haben, anstatt die Reste einfach frei an die zu verimpfen, die gerade verfügbar waren. Und erst kürzlich haben wir gegen Ende 2021 erlebt, wie alte Leute idiotischerweise von Impfzentren wieder weggeschickt wurden, weil sie es "gewagt" haben, sich 2 Tage vor Ablauf der 6-Monate für einen Booster anzustellen. Kurz danach kam dann endlich die zeitliche Öffnung, etwas was jemand mit einem IQ oberhalb einer Weinbergschnecke auch schon vorher klar sein konnte. Aber nein, das war für manche Impfzentren zu viel verlangt, weil "die Stiko und so" und die Immunität bricht natürlich exakt nach 6 Monaten ein und keinen Tag früher - Augenverdreh.

Nur ja keinen Fehler machen! Nur ja nicht vom Prozess abweichen! Nur ja alles perfekt hinterlassen! "Wir wählen das Aschgrau", weil damit kein Risiko verbunden ist. 😉

Das ist auch Stärke, typisch deutsche Stärke, wenn es darum geht im Detail Perfektion abzuliefern. Es macht aber alles was dynamisch ist und sich einer detaillierten Vorgabe entzieht unendlich mühsam. Und Börsen sind genau das: dynamisch, wandelbar, immer in Bewegung und deshalb für viele Menschen eher Bedrohung denn Verheißung.

Wie es anders geht zeigt zum Beispiel -> SpaceX <- mit seinem Prototyping, Dinge wagen, Fehler zulassen und aus ihnen lernen und plötzlich geht in 10 Jahren, was die bürokratischen staatlichen Raumfahrtkolosse in 50 Jahren nicht hinbekommen hätten.

Es ist das gelebte Pareto-Prinzip, gelebtes Unternehmertum, Dinge "gut genug" zu machen, auf den Fortschritt zu achten, statt auf Perfektion in jedem Schritt.

Schauen Sie nur wie hier jemand gesehen wird, der mit einer Firma Pleite gegangen ist. Ein "Gescheiterter". Und in den US ist er jemand der neu anfängt und es besser macht!

Dazu braucht es aber Fehlerkultur, die Erkenntnis dass Fehler integraler Bestandteil eines gutes Lernprozesses sind, dass man ohne Fehler sich gar nicht als Mensch entwickeln kann! Das funktioniert aber nicht mit einer panischen Angst vor Fehlern.

Und damit sind wir beim Kern, der auch zentral mit unserer Fähigkeit zu tun hat, an den Börsen erfolgreich zu sein.

Denn wer zu viel Angst vor Fehlern hat und absolute Sicherheit sucht, wird alle Risiken und damit auch Chancen vermeiden. Der wird immer "aschgrau" wählen und mit den Börsen nie warm werden und immer in die Arme irgendwelcher Rattenfänger rennen, die ihm "Sicherheit" und ein wohliges Gefühl verkaufen.

Arbeiten sie also an ihren Fähigkeiten mit Verlusten (Fehlern) umzugehen, Verluste gehören dazu, auch bei Investoren. Lernen sie diese als notwendigen Teil des Prozesses zu betrachten, sozusagen als das Prototyping von SpaceX beim Bau des Starships.

Lernen sie Fehler zu akzeptieren, zu begrenzen und sich dann den Mund abzuwischen und weiterzumachen, ohne dass sie das irgendwie belastet. Lernen sie sich von einer übertriebenen Sicherheitsbedürfnis zu lösen, denn Erfolg ist nur im Umgang mit Risiko möglich und dafür muss man Risiko und Scheitern überhaupt erst einmal zulassen!

Um es ganz deutlich zu sagen:

Wer Fehler um jeden Preis vermeiden will, weil er das "Scheitern" im Kleinen nicht aushält, verbaut sich den Weg zu wachsen, als Mensch und auch finanziell gesehen!

Zum Erfolg gehört Fehlerkultur, zum Lernen gehört Fehlerkultur, schon bei Kindern geht ohne Fehler und deren Korrektur nichts voran! Denn wir Menschen können nur dann lernen und wachsen, wenn wir Fehler zulassen und als Ansporn nehmen, die Dinge beim nächsten Mal besser zu machen.

Fehlerkultur heisst aber nicht, sich ohne Sicherungsnetz einfach allem auszuliefern. Ein Fallschirmspringer verlässt das Flugzeug nur mit Fallschirm und ein Hochseilartist arbeitet nur mit Netz. Aber trotzdem sind beides riskante Aktivitäten, für die es Mut braucht sich darauf einzulassen, ebenso wie die Ratio für eine Absicherung im Falle des Falles zu sorgen.

Und Fehlerkultur heisst auch nicht, Fehler zu verdrängen und den schief gegangenen Trade zum Investment umzudefinieren, weil es zu schmerzhaft ist den Verlust zu realisieren. Es heisst sich dem Fehler zu stellen und daraus zu lernen, falls es etwas zu lernen gibt. Und dann nach vorne zu schauen!

Das gilt für das Leben und auch sehr speziell für die Börse, denn dass die Börsenkultur in Deutschland so besonders schlecht ist, hat zentral mit dieser fehlenden Fehlerkultur zu tun, mit einem übertriebenen Sicherheitsbedürfnis nach einer Sicherheit die als "Einzelfallgerechtigkeit" im Detailwust gesucht wird und in der Gesellschaft nur alles erstickende Bürokratie zurück lässt.

Für erfolgreiche Börsianer gilt ganz eindeutig:

Fürchtet Euch nicht! Wagt etwas! Probiert Neues aus! Und sorgt bei allem Wagemut trotzdem für ein Sicherungsnetz.

Denn das Leben ist dazu da gelebt zu werden und gleichzeitig muss es geschützt werden. Denn es ist unser Einziges.

Ein Leben ohne Wagnis ist kein Leben und ein Leben ohne Selbstschutz ist zu schnell vorbei.

So ist es definitiv auch beim Börsenhandel. 😀

Ihr Michael Schulte (Hari)

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