Vom Fischen und dem Zeitpunkt der Jagd



Es gibt Investoren und es gibt Trader. Die Grenze verläuft fliessend und viele wollen gerne Investoren sein, verhalten sich dann aber in der ersten Krise wie schlechte Trader, man könnte auch sagen wie aufgescheuchte Hühner. Aber das soll heute nicht Thema sein.

Die gängige Logik für Investoren ist bekannt, man muss primär *im* Markt sein und nicht draussen, um an seinen langjährigen Gewinnen teilhaben zu können. Für viele unerfahrene Anleger ohne echtes Marktverständnis, ist sowieso Kaufen und Liegenlassen im Zweifel die bessere Strategie, als etwas timen zu wollen, obwohl Erfahrung und Mittel dafür völlig fehlen und die Psyche mit diesen Anlegern Rodeo tanzt.

Allerdings auch nur, wenn man eine belastbare Strategie für das Risikomanagement, den "Check" besitzt, denn wer will schon bei General Electric oder noch schlimmer Enron einfach liegenlassen? Dieser Tage könnte man dann noch Wirecard zur Liste hinzufügen. 😉

Aber selbst wenn sie statt Einzelaktien einen ganz breiten ETF zB auf den MSCI World gewählt haben, habe ich schon dargestellt, dass Anleger bei schweren Krisen mit 70% Minus das dann mit großen Depots auch nicht durchhalten können. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis eben, egal ob mit Einzelaktie oder ETF. Weswegen völlig unbedarfte Anleger ihr Geld lieber in kompetente, dritte Hände geben sollten, auch wenn diese Hände natürlich auch nur mit Wasser kochen und selber Fehler machen.

Das soll heute aber alles nicht Thema sein, heute geht es um den aktiven Anleger, umgangssprachlich auch Trader genannt, denn auch jemand der eine Aktie oder einen ETF ein Jahr hält und dabei langfristige Trendbewegungen spielt ist letztlich ein Trader, wenn auch mit langfristigem Zeithorizont.

Ein Grundproblem das viele unerfahrene Trader und allgemein Anleger dabei haben, ist das sogenannte "Overtrading", der Versuch aus dem Markt etwas oder mehr herauszupressen, als da in Realität vorhanden ist. Und das soll heute Thema sein.

Es ist ja auch so verlockend, wir kennen es doch von "normaler" Arbeit, dass wenn wir mehr Energie hereinstecken, da in der Regel auch bessere Ergebnisse herauskommen. Wenn man sich also im normalen Leben um 19 Uhr Abends hinsetzt um etwas zu arbeiten, dann kann man da auch produktiv sein, weil man nun Zeit investiert.

Was den Markt angeht, ist das aber grundfalsch!

Der Markt muss gar nichts und wir können nur dann etwas aus dem Markt holen, wenn er bereit ist uns etwas zu geben! Dem Markt gegenüber ist Demut gefragt und die Erkenntnis dass wir kleine Nußschalen sind, die nur aufheben können, was der Markt für uns fallen lässt.

Das ist nicht unähnlich der echten Jagd, der echte Jäger kann auch nicht erzwingen, dass Wild genau dann aus dem Gebüsch kommt wenn er auf Lauer liegt, er braucht die Demut den richtigen Moment abzuwarten.

Aus den Märkten kann mal also nichts herausholen, nur weil man beschliesst sich jetzt hinzusetzen und traden zu wollen und diese Weisheit kannte schon der berühmte Jesse Livermoore:

Play the market only when all factors are in your favor. No person can play the market all the time and win. There are times when you should be completely out of the market, for emotional as well as economic reasons.

Denn Faktum ist, dass im Markt oft lange Zeit nicht viel zu holen ist, es sind wenige Phasen im Jahr von maximal wenigen Monaten, in denen man bei starken direktionalen Bewegungen dabei sein muss. Im Rest könnte man mit den Gewinnen sozusagen am Strand liegen und Cohiba rauchen - wir wollen doch den Klischees der Anleger zum Thema Börsianer entsprechen, oder? 😉

Diese Aussage gilt durchaus auch für echte Investoren, nur agieren die nicht in einem Zeithorizont, der mehrfaches, taktisches Rein- und Raus innerhalb eines Jahres wirklich sinnvoll macht. Die halten in so volatilen Seitwärtsphasen ihr Positionen einfach, hedgen sie vielleicht. Der Trader aber spielt mit dem Markt.

Wir haben doch zwei so potentiell profitable Phasen gerade erlebt. Ènde Februar ging es an den Märkten massiv herunter und kluge Investoren haben diesen Absturz mit diversen Methoden des Risikomanagements gedämpft, während Trader davon sogar profitiert haben.

Dann drehte der Markt Ende März und nun konnte die Jagd nach oben bald losgehen. Kluge Investoren haben in den folgenden Wochen selektiv akkumuliert und Trader haben Aktien geritten, die sich seitdem teilweise verdreifacht haben. Mit -> Thor (THO) <- habe ich ihnen erst vor Kurzem einen derartigen Fall gezeigt.

Klar war aber bald eindeutig, das war eine kritische Phase des Jahres, eine Phase in der massiv zu gewinnen und zu verlieren war, eine Phase in der man als Anleger hellwach sein musste.

Es wird aber auch wieder Phasen geben, in denen die Märkte weitgehend seitwärts eiern und wenig zu holen ist und in diesen Phasen macht es keinen Sinn durch "Overtrading" etwas erzwingen zu wollen, was gar nicht da ist.

Dann sollte man im übertragenen Sinne einfach "Fischen" gehen, etwas was auch Jesse Livermore mit diesem berühmten Satz schon wusste:

Dann präsent sein, wenn etwas zu holen ist und gelassen das Leben geniessen, wenn nicht. Das wäre doch kein schlechtes Leben für einen Trader, der diese Phasen brauchbar erkennen kann, oder? 😉

Das Problem dabei ist natürlich, woran erkennt man, dass man in der einen oder anderen Phase ist?

Ich sage aus Überzeugung, das kann man! Ich mache es den Mitglieder doch seit Jahren vor! Das ist aber keine Frage eines einzelnen Indikators, sondern das Ergebnis eines gewachsenen Marktverständnis und um den Mitgliedern das zu vermitteln, bin ich im Premium-Bereich da.

Man kann den Markt aber *nicht* vorher erraten, woher genau wollten sie denn im Vorfeld wissen, dass der Markt genau am 21./24.02. massiv zu fallen beginnt? Darin, in diesem Hang die Zukunft erraten zu wollen, líegt ein weiterer, grundsätzlicher Fehler der meisten Anleger. Aber auch das ist ein anderes Thema, das ich schon mehrfach adressiert habe.

Lösen sie sich vom Raten und konzentrieren sie sich auf das Beobachten des Spiels auf dem Platz!

Dann erkennen sie kurz *nach* dem Beginn, nicht vorher, dass nun eine kritische, volatile Phase begonnen hat. Danach, nicht davor und das genügt völlig! Man konnte das schon kurz nach dem 21./24.02 sehen, es war recht eindeutig.

Dann erkennen sie einen starken Trend wenn sie mittendrin sind und sich eine Folge von höheren Tiefs und Hochs ergibt, so wie das aktuell noch der Fall ist. Wenn man statt zu raten einfach nur auf das Chart schaut, ist das Signal of deutlich.

Und sie erkennen auch eine Phase der Richtungslosigkeit, wie sie oft mal über den Sommer eintritt und dann gehen sie eben Fischen.

Sie gehen aber nicht für einen festen Zeitraum Fischen, den sie schon vorher festgelegt haben - das wäre wieder Raten und morgen kann ja theoretisch eine Bombe platzen - sie gehen fischen so lange wie es ruhig bleibt Und wenn sich das ändert, werden sie wieder aktiv.

Auch bei ihren Pausen und beim "Fischen" machen sie sich also demütig vom Markt abhängig, der meldet sich schon lautstark durch stark steigende Volatilität wenn er in Bewegung gerät und ihre Aufmerksamkeit unbedingt erforderlich ist.

Man kann gute Phasen auch antizipieren, was aber nicht mit "sicher wissen" gleichzusetzen ist. Aber es gibt sinnvolle Kriterien die helfen, solche attraktiven Phasen besser zu erkennen.

Gute, profitable Momente aus Sicht des Gesamtmarktes finden sich zum Beispiel oft, wenn diese vier Dinge zusammen kommen:

  • Der Markt hat schon korrigiert und dreht nach oben oder er bricht aus einer Seitwärtsbewegung aus. Heisst, der Markt *beginnt* eine potentiell grössere Aufwärtsbewegung.
  • Das Sentiment ist skeptisch und zögerlich, die Anleger sind unterinvestiert, viele Absicherungen sind im Markt.
  • Die "Powers that be" - also zB die Notenbanken - haben gleichgerichtete Interessen und werden den Markt absehbar treiben bzw absichern.
  • Die Statistik (zB Saisonalität) bläst als Rückenwind in die Segel.

Genau das war mehr oder weniger Ende März der Fall. Wer da kein flatterndes Huhn war, hatte die Chance sichtbar vor sich. Und es war auch im Oktober 2019 der Fall und hat die Rally des 4. Quartals eingeläutet.

Sicher kann man auch andere Kriterien anlegen, ein spezialisierter Trader - zum Beispiel auf Volatilität - wird ganz andere Kriterien dafür haben, wann der Markt für ihn interessant ist. Das oben sind nur Beispiele. Und am Ende muss immer der Beweis vom Markt selber kommen, das Wild muss auch wirklich aus dem Gebüsch kommen, sonst war das "Rascheln" der Indikatoren ein Fehlsignal.

Das Fazit für Trader ist:

Sie sollten *nicht* permanent im Markt sein. Sie sollten *nicht* traden, nur weil sie sich vor den Schirm gesetzt haben, um etwas zu finden. Weder Langeweile, noch die Suche nach "Rache", sind sinnvolle Motivatoren für neue Positionen.

Man nennt das wie gesagt auch "Overtrading", wenn zu viele Setups gemacht werden, nur damit man überhaupt etwas macht.

Sie tun als Trader gut daran, sich Kriterien dafür zurecht zu legen, wann sie überhaupt im Markt sind.

Und es spricht nichts dagegen, dass Sie 6 Monate im Jahr dann *gar nichts* machen. Im Gegenteil, solche Auszeiten deuten darauf hin, dass Sie Ihre Kräfte bündeln können.

Legen Sie sich nicht nur Watchlisten und Einstiege zurecht, sondern auch eine Logik, *wann überhaupt* Sie im Markt unterwegs sind und wann Sie alle Positionen schliessen und abseits stehen.

Gehen sie auch öfter mal "Fischen", gute Trader erkennt man auch daran, dass sie wissen wann es Zeit dafür ist

Ihr Michael Schulte (Hari)

*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***

5 Gedanken zu „Vom Fischen und dem Zeitpunkt der Jagd“

  1. Sehr netter Artikel, danke Hari. Ich gehe zwar nicht fischen aber bin begeisterter radler MTB und Rennradl und erfreue mich dann immer wieder ueber eine kleine Runde. Auf diesen Runden habe ich nicht so selten ziemlich coole Ideen bekommen und die dann auch umgesetzt in den verschiedensten Bereichen.
    D. H. Das „Fischen“ kann auch sehr nützlich mal ein paar neue Ideen zubekommen.

  2. Ich fand das überhaupt nicht eindeutig, dass man kurz *nach* dem 21. sehen konne dass nun eine kritische, volatile Phase begonnen hat. Bis zum 24 hätte es aufgrund gewisser Martkteilnehmer auch jederzeit noch drehen können oder übersehe ich Amateur etwas?

    Ansonsten gut geschrieben. Ich mag Ihren blümeranten Schreibstil xD

  3. Ich bespreche hier in der Kommentarsektion keine inhaltlichen Themen, das ist nur den Mitglieder im Forum vorbehalten.

    Am 21.02.20 um 16:15 MEZ habe ich im Live-Stream einen fetten Alarm gesetzt, dessen Herleitung (siehe oben) für hier nicht geeignet ist. Das Thema war bei uns seit Ende Januar virulent im wahrsten Sinne des Wortes und war intensiv vorbesprochen, so dass es nur den technischen Trigger am 21./24. brauchte um den Beginn von Ungemach deutlich zu erkennen.

    Grundsätzlich ist *nichts* am Markt je 100% eindeutig und sicher, hohe Wahrscheinlichkeit ist das Beste was es gibt und wenn man die hat, muss man darauf basierend agieren. Insofern sollte ich noch ein „recht“ vor dem „eindeutig“ einfügen, so war es auch gemeint.

  4. Hi Harry, du hattest zum Zeitpunkt des Märztiefs expliziet vom Einstieg abgeraten, weil es keine Bodenbildung gab und nur unbedarfte Anleger eingestiegen sind.

  5. Da stecken mehrere ganz typische Fehlkonzeptionen drin, die aufzulösen hier nicht der Ort ist und darauf muss man sich auch einlassen wollen. Dafür ist der Premium-Bereich da.
    Aber ja, ohne Signale einer Trendwende zu agieren ist *immer* falsch und reines Raten, erst hinterher weiss man wo das absolute Tief war. „Am Tief“ kann also niemand seriös agieren, danach aber der Entwicklung folgend schon und genau das haben wir getan. Es geht *nie* um Raten und immer um *Folgen*.

Schreibe einen Kommentar