Es gibt einen typischen Verlauf bei sogenannten Turnaround Aktien und Wacker Chemie (WKN WCH888) ist ein klassisches Beispiel.
Zunächst einmal sind die idealen Turnaround Kandidaten Unternehmen mit grosser Substanz und einem etablierten, profitablen Geschäftsmodell. Das ist wichtig, weil das garantiert, dass der Turnaround wirklich irgendwann kommt, er also nur eine Frage der Zeit ist. Alleine darauf kompromisslos zu achten, verschafft einem schon einen erheblichen Vorteil, denn es gibt wohl nichts Schlimmeres, als auf den Turnaround einer Aktie zu setzen, die dann langsam und schmerzhaft Richtung Null fällt - so wie gerade bei Solarworld zu beobachten.
Wirklich verwunderlich ist das Geschehen bei Solarworld für mich persönlich aber nicht, denn Solarworlds temporärer Erfolg beruht nach meiner persönlichen Ansicht indirekt auf durch das EEG erzwungenen Subventionsgeldern, die bei Ihnen und mir über Jahre via Stromrechnung einkassiert wurden und letztlich die Taschen von Unternehmern wie Herrn Asbeck füllten. Laut Wirtschaftswoche übrigens -> mindestens 75 Millionen <- die Herr Asbeck verdient hat. Wenn Sie so wollen für mich also eine staatliche organisierte Umverteilung "von unten nach oben" aus den Brieftaschen Otto Normalverbrauchers in die Taschen der Solarindustrie. Mittlerweile ist ja auch in der Politik angekommen, dass das zu dramatischen Entwicklungen beim Strompreis führt und das Schwarze-Peter-Spiel hat schon begonnen.
Herr Asbeck von Solarworld dürfte diese meine persönliche Einschätzung wahrscheinlich nicht teilen, zumindest nicht wenn man seinen letzten Einlassungen folgt, nach denen am Niedergang von Solarworld & Co. ja vor allem die bösen Chinesen mit ihren Dumpingpreisen schuld sind. Jetzt ist es auch unbestreitbar, dass der Wettbewerbsdruck hoch ist und die Chinesen mit weit geringeren Kosten operieren können und sich auch nicht schämen, Wissen und Technologie auf nach westlichen Massstäben rechtlich fragwürdige Art und Weise an sich zu bringen. Insofern hat Herr Asbeck ja auch nicht völlig unrecht.
Nur würde ich gerne mal wissen, in welcher Branche das anders ist ? Überall konkurrieren deutsche Mittelständler mit China und überall haben sie mit Kostennachteilen, Industriespionage und Dumpingangeboten zu kämpfen. Und trotzdem halten diese Mittelständler die Nase oben und behaupten sich aus eigener Kraft durch Innovationskraft. Nur die Solarindustrie kann das nicht, warum wohl ?
Meine ebenso harte wie persönliche Meinung ist: weil es diese aufgeblähte Industrie ohne die Subventionen des EEG nie gegeben hätte und Unternehmer wie Herr Asbeck nun nicht Multimillionäre wären. Wir hätten heute eine andere Solarindustrie, kleiner, härter, innovativer, besser organisiert. Eine Solarindustrie die wie andere Branchen aus eigener Kraft gegen China bestehen könnnte. Denn Subventionen machen fett und lahm, sich dem harten Wettbewerb stellen zu müssen macht dagegen fit und innovativ, wie weite Teile des deutschen Mittelstands immer wieder aufs Neue beweisen.
Aber wie auch immer, zurück zum Thema Turnaround Aktien. Was ich mit dem Ausflug zu Solarworld sagen will ist, dass es sehr wichtig ist nur bei solchen Aktien auf einen Turnaround zu setzen, die ein etabliertes, eigenständiges und profitables Geschäftsmodell haben und nur temporär unter exogenen Faktoren leiden.
So ein Unternehmen ist für mich Wacker Chemie (WKN WCH888) - Ein Unternehmen der Spezialchemie, das im Bereich Polysilizium auch unter dem "Solardesaster" leidet, dadurch aber nicht in der Existenz in Frage gestellt wird.
Aber selbst wenn man so ein Unternehmen identifiziert hat, ist der typische Ablauf bei derartigen Situationen immer ähnlich. Der Kurs fängt schon zu einem Zeitpunkt an zu fallen, wo die Mehrheit die grundlegenden Probleme noch nicht sehen kann. Dann notiert der Kurs 20% unter Höchstkurs und die ersten "Schnäppchenjäger" kaufen wieder. Der Kurs fällt aber weiter. Bald notiert er 40% tiefer und jetzt ist die Aktie wirklich "saubillig" - nur der Kurs fällt trotzdem weiter. 😉
Und so geht es schmerzhaft weiter. Der Kurs fällt und fällt und immer wieder verbrennen sich Anleger die Finger, weil sie die Aktie nach den alten Massstäben für billig halten. Der Fehler den die Anleger machen, ist die Aktie immer noch aus der alten Brille zu betrachten und zu übersehen, dass es schon längst ein "New Normal" gibt. Und so geht es schmerzhaft weiter, über Monate und Jahre, bis irgendwann niemand mehr ein Pfennig darauf setzen will, dass diese Aktie je wieder dreht.
Dann, genau an diesem Tag, hat der Kurs seinen Tiefpunkt erreicht und setzt aus dem "Nichts" und ohne Nachricht zu einer Rally an. Alle Anleger, die vorher immer wieder ins fallende Messer griffen, sind nicht mehr dabei und haben die Aktie frustriert beiseite gelegt.
Nun haussiert der Kurs, ausgehend von den tiefen Niveaus im hohen zweistelligen Prozentbereich, obwohl diese Bewegung aus langfristiger Sicht nicht mehr als ein "Zacken" im langfristigen Abwärtstrend ist. Nachdem die Aktie über Tage und Wochen hochgelaufen ist, werden nun auch die ersten der alten Anleger wieder aufmerksam und trauen sich - angeregt durch die gute Stimmung in den Medien - einen ersten Fuss in die Aktie zu stellen.
Genau das ist der Tag, an dem die Aufwärtsbewegung ausläuft und die Aktie zu einer bösen Korrektur ansetzt. Eine Korrektur, die typischerweise ca. die Hälfte des ursprünglichen Anstiegs wieder auslöscht und die Anleger endgültig aus der Aktie vertreibt.
Dann erst ist die Situation so bereinigt, dass die Aktie bereit für eine dauerhafte Aufwärtsbewegung ist - der nächste mehrjährige Anstieg kann kommen. 🙂
Schauen wir auf Wacker Chemie, könnte es gut sein, dass sich die Aktie im Moment genau an diesem Punkt der auslaufenden ersten 50% Korrektur befindet. Schauen Sie selbst auf die Charts und ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse.
Erstens das 4-Stunden-Chart seit Oktober 2012 mit dem zulaufenden Dreieck, dass sich mit statistisch höherer Wahrscheinlichkeit nach oben auflöst:
Zweitens das Wochenchart seit 2007, das die Korrektur und Gegenbewegung in eine grössere Perspektive stellt. Sie sehen, die potentielle Cup&Handle Umkehrformation und Sie sehen auch, wie der Abgabedruck ausläuft und Raum für eine potentielle grosse Wendeformation bietet:
Wie immer kann alles ganz anders kommen und ein Stop dürfte auch hier sinnvoll sein. Aber selbst wenn Wacker Chemie doch wieder nach unten dreht und neue Tiefs generiert: ich sehe im Moment nichts, was gegen ein dauerhaftes Überleben von Wacker Chemie sprechen würde und dann dürfte aus langfristiger Perspektive der Tiefpunkt nicht mehr allzu weit entfernt sein.
Ich wünsche Ihnen gute Entscheidungen !
Ihr Hari
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Staatlicher Eingriff, Subventioniereung und andere Interventionen sind wirklich ein Thema für sich…
ich bin da absolut deiner Meinung! Das tragische ist mittlerweile, dass – egal welche Partei bzw. Koalition nun dieses Land regiert – das Ergebnis doch immer das gleiche ist. Im besten Fall muss man vielleicht sogar sagen.
Gefühlt nimmt die staatliche Reguliereung und Verteilung in letzter Zeit mMn zu – nicht zuletzt durch das Thema „Euorpa“ und Brüssel.
Nichtsdestotrotz können solche Konstellationen allerdings auch Gelegenheiten sein, wenn man denn die Möglichkeit hat zu partizipieren. Solarwold bzw die gesamte Solarbranche lief eine ganze Zeit lang – getrieben durch die eben genannten Subventionen – überproportional gut. Nicht nur Herr Asbeck als Gründer, sondern auch „wir“ als Spekulanten und Investoren haben gut daran verdient…
@Hari: falls Du heute noch Zeit hast Hari für einen kurzen Artikel zur Einschätzung der Marktsituation, bin ich sehr gespannt wie Du den Markt siehst.
Beste Grüße
John
Danke für den Artikel mit Wacker. Den kann ich voll unterstreichen, da sollte ein Turnaround wirklich kommen. Ich hab schon mal die erste Aufwärtsbewegung mitgemacht und bin bei 56 ausgestoppt worden. Nun wieder mit 52,00 reingekommen. Da bin ich ganz optimistisch.
Solarworld ist nur dank der Suventionen so gewachsen und wird ohne diese untergehen. Gegen die Chinesen können die nicht bestehen. Das Papier ist höchstens mal einen kurzen Zock wert.
Wer aber gut da steht ist der „Sonnenkönig“ Asbeck. Der hat sich grad mal ein Schloss gegönnt:
-> Asbeck Schloss <-
Na, hoffentlich stimmt Deine Einschätzung, @Hari! Ich bin jetzt gerade wieder so ungefähr bei meinem Einstiegskurs vom letzten Sommer – damit war ich offensichtlich zumindest zu früh dran, wie ich ja schon ein paarmal geschrieben habe.
Im Wertpapier-Forum gibt es eine ganz interessante Diskussion zur Wacker-Aktie. Sowohl operatives Ergebnis als EBITDA und damit letztendlich Gewinn hängen für Wacker überproportional (bezogen auf Umsatz) vom Polysilizium-Geschäft ab. Ich hoffe, dass nun, d.h. etwa zwei Jahre nach dem Hoch bei etwa 170€, Mr. Market alles dahingehend eingepreist hat und zu der Erkenntnis gelangt, dass Wacker Chemie immer noch ein substanzstarkes Unternehmen ist.
Zur generellen Situation zu Subventionen und zur EU fällt mir vor allem dieser Witz aus dem Jahre 2011 ein:
Some years ago a small rural town in Spain twinned with a similar town in Greece. The Mayor of the Greek town visited the Spanish town. When he saw the palatial mansion belonging to the Spanish mayor he wondered how he could afford such a house.
The Spaniard said; „You see that bridge over there? The EU gave us a grant to build a two-lane bridge, but by building a single lane bridge with traffic lights at either end this house could be built“.
The following year the Spaniard visited the Greek town. He was simply amazed at the Greek Mayor’s house, gold taps, marble floors, it was marvellous.
When he asked how this could be afforded the Greek said; „You see that bridge over there?“ The Spaniard replied; „No.“
🙂
@John Doo, ich bin gerade zurück gekommen, wie immer wenn man mal weg ist, beliebt Mr. Market dann zu korrigieren.
Wacker heute voll gegen den allgemeinen Trend und (Stand 17:37 Uhr) mit +2% gleichzeitig stärkster Wert im MDAX! Ein gutes Zeichen m.E.!
Ich bin kein Fundamentalexperte was Wacker Chemie angeht, aber für mich sieht das alles recht konstruktiv aus. Allerdings sehe ich auf Tagesebene eher eine Flagge, die eventuell bei 50€ auf den 200MA prallt und aufgelöst werden könnte. 🙂
Hari, verrat‘ mir bitte mal was über das „Wie“ wovon Du schreibst:
„Glücklicherweise machen meine Hedges durch die anziehende Volatilität ihren Job und federn die Verluste fast bis auf Null ab.“
So könnte ich das verstehen: Ich bin in der Aktie XYZ mit 10.000E drin. Jetzt fahre ich zu Tante Erna und feiere ihren Geburtstag. Um nicht nach dem vierten Sahnetörtchen bei ihr ertappt worden zu sein, dass der Kurs um 5% abschmiert, hedge ich sie mit einem Zertifikat. Verstehe ich das so richtg?
Meine Frage dazu: Wenn mir die Sahnetörtchen von Tante Erna so wichtig sind, dann verkaufe ich einfach den Posten XYZ und schau mal was draus wird – jedenfalls kann ich da keine Verluste einfahren bzw. brauche den Hedge nicht.
Mir ist das in den Kommentaren hier schon so einige Male aufgefallen – „sichere mich nach unten ab“ – wie einfach oder kompliziert und mit welchem Know How geht man denn da ran?
Thanks so much, Windscout
Hallo Windscout
abgesehen von komplexeren Absicherungsinstrumenten wie den hier im Artikel erwähnten (Hari beschrieb einmal Optionen weit aus dem Geld, fast nur noch Volatilität & Zeit) ist mit der Formulierung „nach unten absichern“ oft doch schlicht ein Stopkurs gemeint, denke ich?
Gruß
libertin
@Windscout, lies bitte mal meinen Kommentar 14 zu -> diesem <- Artikel.
Selbstverständlich ist ein völlig symetrischer „Hedge“ (wenn ich also Long DAX bin, dann im gleichen Umfang Short DAX zu kaufen) kein Hedge, sondern schlicht Unsinn und Geldverschwendung. Einfach verkaufen ist dann die richtige Lösung.
Ein guter Hedge ist also teilweise asymetrisch und macht trotzdem seinen Job. Das ganze Thema ist hoch komplex und kann nicht so einfach abgehandelt werden.
Konkret hatte ich ja am Freitag schon für diese Woche eine Korrektur erwartet, wenn auch nicht am Montag sondern erst Mitte der Woche. Da die Volatilität derzeit auf historischen Niedrigständen ist, war es also richtig als Hedge „Vola zu kaufen“ und zwar in Form eines Put-Optionsscheins auf den DAX, der weit aus dem Geld ist und daher nur durch Zeitwert und Vola gepreist wird. WKN DE68G2 war so ein Fall, der am Freitag in mein Depot gewandert ist. Dieser hat sich gestern von 3,8 auf 4,8 oder ca. +25% bewegt. Das entspricht einem realen Hebel von ca. 9 auf den DAX. Umgedreht hätte er bei weiter steigendem Dax gar nicht so gewaltig verloren, weil er sowieso aus dem Geld ist und nur von Zeitwert und Vola bestimmt wird. Und der Zeitwert fliesst nur langsam ab (bei meiner Haltedauer von ein paar Tagen wenig relevant) und die Vola wäre bei steigenden Kursen eher gleich geblieben.
Ich konnte also am Freitag mit relativ geringem Risiko, durch additiven Einsatz von 10% des Long investierten Kapitals, den DAX komplett absichern.
Bevor jetzt aber jemand diesen Schein oder diese Methode für die Mutter aller Hedges hält und das nachmachen will: Halt, Unfug ! Dieses Instrument war am Freitag sinnvoll, aufgrund der speziellen Situation von Freitag. Morgen kann ein ganz anderer Hedge mehr Sinn machen, zB eine Wette Short auf EURUSD, die letztlich auch ein Hedge auf die Eurokrise wäre. Und sobald die Vola wieder hoch ist, muss man von solchen Scheinen ganz die Finger lassen.
Ich will damit nur die Komplexität des Themas anreissen und klar sagen: das Thema Hedgen macht nur Sinn in grösseren Depots die man so schnell nicht bewegen kann und will. Und macht nur Sinn wenn man ein grosses Verständnis für die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Anlageklassen der Welt hat.
Für das durchschnittliche Depot eines privaten Anlegers mit vielleicht maximal 10 Positionen ist „einfach verkaufen und in Cash gehen“ nach wie vor die beste aller Möglichkeiten, um sich auf eine Korrektur vorzubereiten.
Danke, Hari. Denke dass das mehr als eine Nummer zu hoch für mich ist. Bleibe demnach auch in Zukunft bei meinen Stopps, den Mentalen und Realen 😉
Positive Meldungen zu Wacker:
-> Börsenblogger <-
@ Danke Guemo,
wobei der Autor unbedingt mal meinen Artikel -> Warum billige Zykliker teuer sind und umgekehrt <- lesen und verstehen sollte.
Dann würde die Wertung „langfristig also wohl eher kein guter Titel.“ rein wg eines aktuellen KGVs von 34 da nicht mehr stehen.
lange zeit abwesend gewesen – viel verpasst, schade
zu Wacker : seit Anfang Dezember wegen Volumenpeak im Aufwertstrend