Warum gibt es eigentlich Aktiensplits?

Der folgende Grundlagenartikel für Anfänger, ist am 15. Mai diesen Jahres im Premium Bereich erschienen und wurde für den freien Bereich nur marginal angepasst.

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Die Frage nach dem Sinn von Aktiensplits ist eine, die jeder ernsthafte Marktteilnehmer beantworten können muss. Dieser Artikel widmet sich den dazu gehörenden Grundlagen.

Zunächst ist es wichtig zu betonen, dass jede Aktiengesellschaft das Interesse hat, den Kursverlauf zu verbessern und höhere Kurse zu erreichen. Das liegt nicht nur an den Vorständen mit ihren Optionen, sondern auch daran, dass damit die Gesellschafter (Aktionäre) glücklich gemacht werden, die dann einen Vermögenszuwachs in den Bücher haben. Und ein hoher Aktienkurs ist auch Macht, denn die Aktien können als Akquise-Währung bei Übernahmen eingesetzt werden.

Damit stellt sich doch die Frage, was ein hoher Aktienkurs überhaupt ist? Und jetzt behaupte ich einfach mal, dass wenn wir wir nun in der Bevölkerung den folgenden Multiple-Choice machen würden, die Mehrheit wohl Alternative 1 ankreuzen würde:

Firma A hat mit ihrer Aktie eine Kursnotierung von 100 Euro. Firma B hat mit ihrer Aktie B eine Kursnotierung von 50 Euro.
Welche Firma ist größer?

(1) Firma A
(2) Firma B
(3) Beide sind gleich groß
(4) Das ist so nicht zu beantworten

Und damit sind wir schon beim Hauptgrund für Aktiensplits, dem Affen ins uns allen, insbesondere dessen -> Ankereffekt <-.

Aktiensplits werden also in der Regel gemacht, um diesen Effekt auszunutzen, man könnte auch deutlicher sagen, um die geistige Begrenzung der Menschheit auszunutzen.

Denn in Wirklichkeit sagt ja der Kurs selber gar nichts aus, auch nichts über die Größe des Unternehmens und natürlich ist oben (4) die einzig richtige Antwort.

Machen wir es konkret in einer sehr fiktiven, satirischen Geschichte - oder vielleicht doch nicht fiktiv? 😛

Ein fiktives Unternehmen - die Seldon Digital AG, nachdem wir einen namhaften Hamburger Verlag kurz vor der Insolvenz übernommen haben - plant seinen Börsengang und will über den 1 Milliarde Euro einsammeln.

Zusammen mit 7 ehemals treuen Mitgliedern, die nun den Vorstand der Seldon Digital AG bilden und natürlich bis zur Halskrause mit Aktien-Optionen vollgestopft sind, beschliessen wir eine sinnvolle Stückelung von 10 Millionen ausgegebenen Aktien zum Emissionspreis von 100€.

So geht die Seldon Digital AG erfolgreich an die Börse und eiert dann kurstechnisch 2 Jahre lang mehr oder weniger seitwärts.

Nach diesen 2 Jahren, die Optionen drohen wertlos zu verfallen, kommt einer von Ihnen auf die Idee, ob wir die Aktie nicht durch einen 1:5 Aktiensplit auf 20€ bringen sollten, weil dieser optisch billigere Preis doch bestimmt mehr der eher ahnungslosen Käufer anlockt, die nur auf den Preis schauen. Außerdem sind doch bestimmt viele Abfischorders im Markt, die so in Käufe umgewandelt werden. Und über die psychologischen Schwächen der Anleger, wissen wir hier bei der Seldon Digital AG ja hervorragend Bescheid.

Und weil wir gierige Manager sind, machen wir es so, wir wandeln mit Hauptversammlungsbeschluss das Stammkapital von 10 Millionen Aktien zum Nennwert 100€ auf den Stand von 50 Millionen Aktien zum Nennwert 20€ um. Und jeder schon bestehende Aktionär findet nach Vollzug die fünffache Aktienzahl im Depot, die aber nur ein Fünftel des Preises hat - keine objektive Änderung also.

Und wissen Sie was? Diese Operation funktioniert. Die Aktie macht innerhalb von wenigen Wochen eine Aufwärtsbewegung von bis zu 10%, weil diese nun von vielen als "billiger" empfunden wird. Und viele, die die Aktie sowieso haben wollten, schlagen nun zu.

Ursache für diese Bewegung ist aber eine Illusion, ist der tobende "Affe" in den Menschen.

Das ist die Hauptmotivation der meisten Aktiensplits, ein Angriff auf unser "Affenhirn" sozusagen.

Nun schreitet die Zeit aber voran und die Seldon Digital AG beginnt tatsächlich zu wachsen, aufgrund unseres herausragenden Contents natürlich. Der Kurs steigt und steigt und erreicht 900€.

Und wieder hat einer von Ihnen eine Idee, im Wissen um die Nöte von Kleinanlegern. Sie argumentieren, dass mit bald 1.000€ für alleine eine einzige Aktie der Seldon Digital AG, ein bestimmter Typus Kleinanleger mehr oder weniger ausgesperrt wird, der vielleicht 1.000 - 2.000€ pro Aktie investieren kann und nicht mehr.

Bei einem Kurs von 100€ war das noch kein Problem, wer sich das nicht leisten kann, hat am Aktienmarkt nichts verloren. Aber bei 1.000€ pro einzelner Aktie als kleinste Einheit, wird es langsam zum Problem und das senkt die Liquidität der Aktie und schadet der Nachfrage und damit dem Kurs, woran wir kein Interesse haben sollten.

Auch das ist ein überzeugendes Argument, weswegen wir einen 1:10 Split wie oben durchführen und die Aktie danach nur noch bei 90€ notiert.

Das ist der zweite wesentliche Grund für Aktiensplits und ab einem hohen dreistelligen Kurs, ist dabei dann auch eine nachvollziehbare, faire Logik beteiligt, die nichts mit dem "Affenhirn" zu tun hat.

Denn ab 4-stelligen Kursen können sich immer mehr kleine Anleger die Aktie gar nicht mehr leisten, was niemand wollen kann.

Und weiter geht die Zeit voran und als die Aktie eine Marktkapitalisierung von 50 Milliarden erreicht, verkaufen wir unsere Anteile an ein Medienkonsortium, cashen aus und widmen uns von da an der Raumfahrt, wobei wir dafür einen Weltraumbahnhof auf den Bermudas aufbauen, in 5-Minuten Helikopter-Flug von unseren Privatinseln erreichbar - natürlich. 😛

Das Medienkonsortium ernennt drei medial bekannte "Börsengurus" für einen dreiköpfigen Vorstand, die natürlich nicht wirklich Kompetenz besitzen, sondern vor allem Erfahrung darin haben, vor nach Börse aussehenden Computerschirmen ein Mikrofon in die Kameras zu halten und dabei gewichtig auszusehen, während die Platitüden den Mund verlassen. Nach einem initialen massiven Schub aufgrund einer riesigen Marketing-Welle, beginnt die Aktie aufgrund enttäuschter Anlegerhoffnung dann immer mehr zu fallen.

Die Aktie fällt und fällt und notiert nach Jahren kurzzeitig sogar unter einem Dollar. In dem Moment platzt dem Medienkonsortium der Kragen, die Vorstände werden abgesetzt und wir werden gebeten, für 50% der Anteile, eine 6-monatige Rettungsoperation der Gesellschaft zu starten.

Und schon während unserer ersten Vorstandssitzung als "Retter", hat einer von Ihnen gleich das Wichtigste erkannt: Wenn unsere mittlerweile an der NASDAQ notierende Aktie 30 Tage lang unter 1 USD notieren würde, würde uns ein sogenanntes Delisting drohen, wir würden zwangsweise von der NASDAQ genommen und müssten uns in dunklen Pennystock-Kanälen tummeln.

Das wäre ein Desaster, weswegen unsere erste Amtshandlung ein sogenannter Reverse-Split im Verhältnis 10:1 ist. Die Aktien notiert dann wieder bei 10 USD, die Anteile werden gezehntel und Reste automatisch verkauft.

Das ist der dritte Grund für Aktiensplits, ein Reverse-Split, um in den Pennystock-Bereich gefallene Aktien wieder zu stabilisieren.

So, das wars, das sind die drei Gründe für Aktiensplits, andere kenne ich nicht.

Bleibt die Frage, warum Warren Buffett bei seiner Berkshire nie einen Aktiensplit gemacht hat und diese nun über 300.000 USD notiert, was sich wahrlich kein normaler Anleger mehr leisten kann?

Fragen Sie ihn, nachdem was ich weiss, hatte es mit seiner Philosophie zu tun, die ja auch lange Dividenden-Zahlungen abgelehnt hat.

Seine Philosophie ist eben die Kumulierung (Compounding) und das beständige Reinvestment freier Mittel, ohne "Financial Engineering".

Aber auch er hat am Ende das Problem gesehen und eine Lösung gefunden, nur dass er es mit einer zweiten Aktie, der "billigeren" B-Aktie gemacht hat, die derzeit bei ca. 210 USD steht und damit mehr als tausendfach unter dem Kurs der A-Aktie. Womit Sie auch ein Beispiel haben, wie manchmal unterschiedliche Aktiengattungen entstehen.

So ... ich hoffe es war für die Anfänger unter Ihnen erhellend und für die alten Hasen wegen der Rahmengeschichte trotzdem unterhaltsam. 😀

Das Geheimnis der Aktiensplits ist also keines - alles Schall und Rauch!

Ihr Hari

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