Wie ist das möglich?

Kann sich der Markt wirklich so "irren"? Wie ist das möglich? Soll der nicht immer Recht haben?

Das ist die Frage, der ich mich heute im Angesicht der Entwicklung der letzten Woche nähern will:

Denn die Mr-Market-Mitglieder in der Community wissen genau, dass ich seit Ende Januar darüber irritiert war, dass der Markt die offensichtlichen, aus dem Virus erwachsenden Risiken nicht einpreisen wollte.

Und auch Sie hier im freien Bereich haben das von mir in -> Die große Disssonz <- deutlich vor dem Absturz gehört.

Wie kann sich der Markt also so "irren"?

Das Problem ist, dass das Wort "Irren" dabei falsch benutzt wird, denn bei den meisten Dingen im Leben weiss man erst hinterher, ob eine Einschätzung ein Irrtum war oder nicht. Hinterher ist man immer klüger.

Der Markt war - wie heute auch noch viele Bürger bei uns - fest in der SARS/MERS Analogie gefangen, nach der so eine Pandemie schnell vorbei ist und kaum Folgen für die Wirtschaft hat. Das war ja auch eine naheliegende Annahme, wenn man im Leben bisher keine anderen Erfahrungen als diese schnell begrenzten Ausbrüche hat.

Ähnlich ist die Analogie zur Influenza einzuordnen, die immer noch fröhlich durch die sozialen Medien läuft, wenn man nichts anderes kennt, ordnet man es da halt ein. Aussagen der Virologen, dass das Virus um Faktoren tödlicher zu sein scheint, werden dann verdrängt.

Ich habe in den letzten Wochen unzählige Charts mit Vergleichen zu SARS, MERS und Ebola gesehen und auch namhafte Investoren wie Ray Dalio haben die Auswirkungen lautstark als -> übertrieben <- bezeichnet und das noch zu einem Zeitpunkt, wo der Markt eigentlich noch gar nicht darauf reagiert hatte. All das hat dieses Narrative gefestigt und so ist die Anlagewelt mit der Logik unterwegs gewesen, dass das Virus begrenzt und temporär bleibt. Nur war die falsch, wie wir heute wissen.

War das also ein "Irrtum"? Im Nachhinein vielleicht ja, aber es hätte ja auch stimmen können. Europäer hätten weniger empfänglich sein können, das Virus hätte in China bleiben können, die Chinesen bekommen es in den Griff und fertig. Erst *jetzt* wissen wir, dass das ein falsches Narrative war. Vorher haben nur vereinzelte Marktteilnehmer wie ich damit gehadert.

Das ist alles völlig normal, denn Kurse werden aus Erwartungen gemacht und die beruhen eben auf Erklärungsmodellen. Und wenn ein Erklärungsmodell sich überraschend als falsch herausstellt, muss der Markt eine ganz schnelle und ganz harte Risikoanpassung vollziehen.

Und genau das hat er vorletztes Wochenende getan, nachdem die Nachrichten aus Korea, Iran und Italien das alte Narrative völlig zerstört haben. So etwas kommt vor, nicht oft, aber es kommt vor. Und dann ist es auch normal, dass so eine Anpassung der Erwartungen schnell und hart vollzogen wird.

Der Spruch vom "Markt der immer Recht hat" wird also missverstanden. Recht haben ist nichts Absolutes und auch die Wissenschaft kennt keine absoluten Wahrheiten. Zumal die Zukunft immer offen ist. Vielleicht wäre das Virus ja auch auf China begrenzt geblieben und wir hätten gemerkt, dass das westliche Genom viel weniger ansteckungsanfällig ist. Auch das hätte eben sein können, ist aber nicht so gekommen.

Der Satz will eigentlich etwas anderes sagen, dass es nämlich keinen anderen Maßstab als den gezahlten Preis gibt, weil wenn ein Gut zu einem Preis den Besitzer wechselt, war genau das der aktuelle Wert aus Sicht des Käufers.

Wenn ich nicht die Erfahrung gehabt hätte, trotz meiner großen Dissonanz dabei zu bleiben und wegen der sichtbar beginnenden Korrektur schon am Freitag vor 10 Tagen für die Mitglieder einen "Gelben Alarm" auszurufen und massiv abzubauen, was hätte mir es denn genützt, die Risiken des Virus besser eingeschätzt zu haben als der Marktkonsens?

Ich sage es Ihnen: Nichts! Ich hätte die Rally verpasst und es wäre keineswegs ausgemacht gewesen, dass ich dann den Einbruch besser behandelt hätte als jetzt. Erst jetzt, hinterher, kann man von "Recht haben" sprechen.

Nehmen wir doch mal die Permabären, die seit 2009 davon schwafeln, dass dieser Bullenmarkt ja "falsch" sei und in einem unvermeidlichen Crash enden wird. Nun stellen wir uns mal theoretisch vor, das würde auch real in 2021 passieren.

Haben die dann "Recht" gehabt? Blödsinn, kompletter Quatsch, dazwischen lagen 200, 300% Gewinn an denen man teilhaben konnte. Nein, die haben 12 Jahre lang *Unrecht* gehabt und am Ende als blindes Huhn auch mal ein Korn gefunden!

"Zu früh ist eben nur ein anderes Wort für falsch!"

Der Markt hatte also "Recht", als er das Virus als temporär und begrenzt eingeordnet hat. Nun hat er wieder "Recht", als er erkennt, dass die Folgen doch weit gravierender sind.

Der Satz "Der Markt hat immer Recht" drückt also nicht aus, dass der Markt immer die Zukunft kennt und immer die Erwartungen hat, die dann auch wirklich eintreffen.

Er sagt nur, dass wir keinen besseren Preis haben, als den der vom Markt durch Angebot und Nachfrage ausgehandelt wird, denn genau zu dem Preis, hat etwas seinen Besitzer gewechselt. Offensichtlich war das zu dem Zeitpunkt für zwei Seiten also genau der richtige Wert.

Also .....

Wie haben in der letzten Woche im Markt einen scharfen Wechsel des Narratives erlebt, der eine scharfe Korrektur erzeugt hat, die so hart war wie zuletzt 2008! Je nachdem wie der weitere Verlauf der Pandemie sich darstellt, besteht nun durchaus das Risiko wirtschaftlicher Kollateralschäden durch (mangels Kunden) Pleite gehende Firmen - zunächst vor allem in der Touristik, später vielleicht auch in anderen Sektoren.

Daraus kann - wenn wir Pech haben - sogar eine neue Kreditkrise und in Folge eine Eurokrise erwachsen. Auch das wird aber erst die Zukunft zeigen und ist nur eine Möglichkeit.

Und der Markt wird auch das mit einem Narrative bewerten und dadurch Kurse machen, die solange "richtig" sind, bis sie durch eine veränderte Erwartung verändert werden.

Der Markt hat also weiter "immer Recht". Einen besseren Maßstab zur Wertermittlung von Gütern haben wir eben nicht und bei den Preisen von Masken und Desinfektionsmitteln sehen wir ja auch, dass diese Wertermittlung hervorragend funktioniert.

Oder ist Ihnen ein Desinfektionsmittel jetzt etwa nicht mehr wert als vor 2 Monaten? Ich denke wenn Sie sich nichts vormachen, werden Sie sagen: Ja!

Was ist also der "Wert" einer Sache? Genau das, was gerade *jetzt* jemand dafür bereit zu Zahlen ist. Und genau das misst der Markt als ultimativer Richter. Morgen ist das aber vielleicht nicht mehr der Wert, sondern ein anderer.

Es gibt keinen "objektiven" und "absoluten" Wert einer Sache, das ist eine reine Illusion. Was glauben Sie zum Beispiel, was Ihre teure für 10.000€ den Quadratmeter gekaufte Immobilie in München noch wert wäre, wenn hier theoretisch die Arbeitslosenzahl über ein ganzes Jahrzehnt auf 20-30% klettert und sich die Menschen wie in der Weltwirtschaftskrise an offenem Feuer auf der Straße wärmen - nicht viel!

"Wert" ist also immer relativ und niemand nimmt diese Bewertung besser vor, als das freie Spiel von Angebot und Nachfrage. Im Nachhinein kann sich diese Wertermittlung aber als unzutreffend herausstellen, weil sich Rahmenparameter ändern und das erkannt wird. Dann ist der "Wert" ein anderer, "ríchtig" ist er aber immer noch, weil "richtig" sich immer nur auf das Hier und Jetzt bezieht!

Noch kurz zur Lage:

Sie entnehmen dem Artikel ja, dass wir bei Mr-Market diesen Einbruch hervorragend umgangen haben. Wir waren schon im Vorfeld skeptisch, am Freitag vor 10 Tagen kam dann die Warnung und viele konnten ihr Exposure da anpassen und haben in der Korrektur so ein Alpha von 10-20% generiert.

Nun geht es um die Frage, ob und wann dieser Einbruch einen Boden findet, das wird das uns begleitende Thema der kommenden Wochen sein.

Diese Korrektur ist insofern anders als vorherige Kredit- oder Konjunkturkrisen, als die Macht der Notenbanken hier begrenzt ist. Denn mit Liquidität kann man weder Kranke heilen, noch stehende Produktionsstraßen wieder ins Rollen bringen. Die Notenbanken werden mit Sicherheit aggressiv reagieren und der Markt darauf positiv reagieren, aber ob das reicht, ist die große Frage!

Denn man kann mit Liquidität die Folgen einer Pandemie mindern, aber sie nicht beenden. Dieser Unterschied ist nun wichtig, ich warne daher vor zu einfachen Analogien, wie vorher schon bei SARS/MERS. Diese Diskussion führen wir aber in der Community und nicht hier.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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