Geht die politische Sedierung des Landes weiter?

Wenn man einmal in Jahrzehnten auf 16 Jahre Merkel zurückschauen wird, dann bin ich sicher dass Teil des Fazit sein wird, dass das Land zu lange "sediert" wurde und sich den gravierenden Veränderungen der Welt zu lange verweigert hat. Merkel hat ihre vermeintlich stabile Kanzlerschaft mit der Substanz des Staatswesens erkauft.

Stabilität ist ja etwas Schönes, aber die Welt dreht sich weiter und wenn man die grundlegenden Entwicklungen zu lange verdrängt, dann holen sie einen gerne plötzlich mit einem Schlag gleichzeitig ein und das nennt man dann *Strukturkrise*.

In einer Woche ist Bundestagswahl und man sollte ja meinen, dass diese wirklich wichtigen, grundlegenden, unsere Zukunft bestimmenden Themen nun intensiv im Wahlkampf Thema wären.

Aber weit gefehlt, der Wahlkampf war lange ebenso "sediert" wie die letzten Merkel-Jahre, drehte sich um Nebensächlichkeiten und einzelne Bilder und mit Olaf Scholz versucht nun jemand schleichend ins Kanzleramt zu kommen, dessen beste Qualifikation wohl ist, von drei sehr schwachen Kandidaten die wenigsten Fehler gemacht zu haben.

Was für ein "Leistungsausweis", wenn es für das Wort "sediert" eine personelle Entsprechung bräuchte, wäre Olaf Scholz sicher eine gute Wahl. Keine inhaltliche Ambition nirgends - die Ambition Kanzler zu werden dafür umso mehr.

Es könnte also gut sein, dass auf die Merkel-Starre nun 4-Jahre Scholz-Starre folgen, nach weiteren 4 Jahren in dem Stil, kann man dann die Strukturkrise Deutschlands als gesichert erwarten - sowas kommt von sowas.

Und ja klar, die Alternativen sind auch nicht überzeugend - um es mal euphemistisch zu umschreiben - und darin liegt das wirkliche Problem.

Dass dieser ausufernde, mittlerweile alles durchdringende Parteienstaat für die Führung der viergrößten Volkswirtschaft der Welt und die Führungsmacht Europas nur solche bestenfalls durchschnittliche Kandidaten zu bieten hat, das darf man schon ein Trauerspiel nennen. Und ich bin überzeugt, dass genau das mittlerweile im System der "Karriere-Schornsteine" in den Parteien angelegt ist.

Eine Frage die sich nun auch aufdrängt ist, inwieweit der Ausgang der Bundestagswahl kurzfristig Auswirkungen auf die Börsen haben wird. Es ist ja nur noch 1 Woche und so klar wie die Trends aktuell noch sind, wird es weniger wahrscheinlich, dass diese sich noch grundlegend ändern. Allerdings dürften die Umfragen dieses Jahr so wackelig wie nie in der Geschichte sein, weswegen Überraschungen am Wahltag recht wahrscheinlich sind und die Demoskopen sich vielleicht mal wieder ein schweres Ei gelegt haben.

Zunächst einmal gilt ganz generell, dass Deutschland zu unwichtig ist, um mit einem Regierungswechsel weltweite Auswirkungen an den Börsen zu erzeugen. Bei Einzelunternehmen die vielleicht irgendwelche Abhängigkeiten haben mag das sein, für S&P500 und Co. ist der Ausgang hier aber eher eine Randnote.

Doppelt gilt das für die Bedeutung des DAX im weltweiten Maßstab, wie uns -> Bespoke hier zeigt <- macht der gerade mal gute 2% der weltweiten Marktkapitalisierung aus, das ist kein Schwanz des Hundes mehr, das ist eher eine Maus, die bei den Elefanten mitspielen will.

Aber selbst für die Kursentwicklung von DAX und Co., sehe ich abgesehen von Einzelunternehmen mit politischem Exposure wie Rüstung, Windkraft, Versorger etc. wenige Szenarien, in denen wir von einem großen Effekt ausgehen müssten.

Ich denke also, für die Börse ist relativ egal, ob es nach der Wahl Scholz oder Laschet wird und in welcher Art und Weise die Farben Schwarz, Rot, Grün und Gelb zusammengepusselt werden. Am Ende ist es via Bundesrat wieder eine "große Koalition" die sich nur marginal in der Stoßrichtung ändert. Die ehedem saubere föderale Trennung ist durch inkompetentes Rumfummeln von Jahrzehnten mittlerweile zu so einem unentwirrbaren Knäul der Abhängigkeiten geworden, dass Deutschlands politisches System letztlich zu einem permanenten, großen "runden Tisch" geworden ist, egal wie die Wahlen ausgehen.

Ein wirklicher Schreck würde wohl nur bei RRG in die Börse fahren und bei Einzelunternehmen muss man immer schauen, ob sie eben ein besonderes, politisches Exposure haben, das zB an den Grünen hängt.

Im Saldo ist die Wahl für die Börse aber vermutlich kein großes Ding, was auch zeigt wie unpolitisch und oberflächlich-platt dieser Wahlkampf und seine Protagonisten in Anbetracht der kommenden, großen Umbrüche sind.

Denn die Umwälzungen die vor uns liegen sind gewaltig und die Weltmärkte spielen das doch schon längst, Unternehmen mit Zukunft werden in den Himmel gehoben und vergehende Industrien in den Boden getreten. Dumm nur, dass Deutschlands wirtschaftliche Stärke immer noch primär auf den Industrien des 20. Jahrhunderts fusst, wenn die schon anlaufenden Disruptionen auf vielen Ebenen mal zubeissen, dann wird es schnell ungemütlich werden.

Wenn es die Poltik schon nicht macht, listen wir doch mal drei der drängenden, stukturellen Frage auf, die in diesem Wahlkampf kaum Thema waren. Die Auswahl ist nur eine Auswahl, eine vollständige Liste weit umfangreicher:

  • Wie sieht eine Zukunft Europas aus? Wie ist seine Rolle in der multipolaren Welt, wie wird es verteidigt? Es glauben zwar manche ernsthaft man bräuchte keine europäische Integration und dass die kleinen, einzelnen Nationalstaaten in der neuen Weltordnung alleine noch bestehen könnten. Auch das ist aber eine Gedankenwelt des letzten Jahrhunderts und nicht tauglich für die Zukunft. Wir brauchen also ein geeintes Europa, nicht aber unbedingt die real existierende Brüsseler Version. Denn die regelt heute bürokratisch alles bis ins nervigste Details und raubt regionaler Kultur die Luft, ist aber geostrategisch gesehen ein Schnatterhaufen voller Eunuchen und nicht ernst zu nehmen. Anders herum wäre es nötig, ein auf Ebene der Geopolitik vereinter, kerneuropäischer Verbund der Aussenpolitik, Handelspolitik und Verteidigung mit zentraler Führung übernimmt, dafür aber den Regionen und Nationalstaaten ihre sozialen und kulturellen Eigenheiten völlig lässt. Ein Europa das vom Kopf auf die Füsse gestellt wird, Stärke durch Vielfalt statt identischer Bananenkrümmung. Mit der Brüsseler Version wird das aber wohl nichts mehr, die hat sich "toterweitert" und ist dabei in den 90ern falsch abgebogen, statt erst echte Integration eines Kerneuropas zu ermöglichen, bevor es sich aufbläht. Wird das diskutiert? Natürlich nein.
  • Schwere Disruption kündigt sich an, die in den kommenden Jahrzehnten auf vielen Ebenen zuschlagen wird und die Art wie wir leben und arbeiten völlig auf den Kopf stellen wird. Nur ein Beispiel unter Hunderten, so wird wie selbstverständlich immer noch das Bild eines zentralen ÖPNV mit zentralen Strecken und Knotenpunkten als "Zukunft" propagiert, das alte, abgewrackte Bild der Mobilität des 19. und 20. Jahrhunderts, der industriellen Revolution. Kommt eigentlich niemand auf den Gedanken, dass mit vollautonomer Mobilität, in der der Mensch von IT gefahren wird ohne einen Finger krumm zu machen, zentrale ÖPNV-Systeme auf starren Strecken (vor allem Rad-Schiene) schnell obsolet werden, weil sie nur noch logistische Nachteile haben? Das ist aber nur ein Beispiel, das kann man länglich diskutieren, der Punkt ist aber: Die vielfältig kommende Disruption wird gar nicht diskutiert, nicht einmal ansatzweise verstanden! Schauen sie doch nur in unsere Schulen, da hat sich gar nichts geändert, dabei wird es nur 10-20 Jahre dauern, bis Sprachen lernen weitgehend obsolet sein wird, weil *Live* von Algorithmen übersetzt. Fragt sich eigentlich niemand wo in 20 Jahren die Wertschöpfung Deutschlands herkommen soll, die dann noch Wohlstand ermöglicht? Schweigen im politischen Walde.
  • Energie ist der Blutkreislauf einer modernen Volkswirtschaft und die deutsche "Energiewende" ist ein schlechter Witz und von vorne bis hinten verfehlt. Wenn die Klimakrise wirklich die bedeutendste Krise unserer Zeit sein sollte, wie kann es sein dass wir CO2 freie, sichere Atomkraftwerke abschalten um dafür Kohle- und Gaskraftwerke ans Netz zu nehmen? Und das noch als international belächelter Sonderweg? Laschet hat es mal zögerlich erwähnt, ansonsten Schweigen, weil auch eine Merkel-Erbschaft. Ein sicheres Geschäft werden dagegen die Atomkraftwerke jenseits unserer Grenzen machen, von denen wir dann überteuert unseren Grundlaststrom beziehen werden. Es wird erst einen großen Blackout brauchen, bis sich da der Wind dreht, eigentlich möchte man das nicht erleben.

Das sind nur drei Beispiele, sie dürfen das inhaltlich anders sehen, das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass diese Themen im Wahlkampf praktisch kein Thema sind, dafür aber Nebensächlichkeiten und persönliche Manierismen umso mehr. Und es gibt viele andere Themen dieser Art. Aber es ist noch nicht alles verloren.

Mit Freude habe ich vor ein paar Tagen gelesen, dass sich -> ein Team der TU München gegen insgesamt 400 Wettbewerber beim Tunnelbohren-Wettbewerb von Musk durchgesetzt hat <-. Bravo, Gratulation!

Warum ist das wichtig? Weil es zeigt, dass es unsere Ingenieure immer noch können, wenn man sie lässt. Das war schon immer Deutschlands Stärke.

Nur gibt es davon mittlerweile zu wenig, dafür spucken die Universitäten aber immer mehr Soziologen und Politologen aus, von "Gender-Gaga" ganz zu schweigen. Die dominieren dann die politischen Parteien, während die Ingenieure bauen, forschen und entwickeln und für Ideologie und Agitation keine Zeit haben. Raten sie mal, was unseren Kindern Wohlstand sichern wird. Und wird das in der Politik diskutiert? Fehlanzeige, was sonst.

Ich bin ein optimistischer Mensch und bin sicher dass die Welt als Ganzes, die Menschheit, auf einem unumkehrbaren Weg ist, die Welt positiv zu gestalten. So viel hat sich in den letzten 100 Jahren zum Positiven entwickelt, es ist beeindruckend und wird völlig unterschätzt. Alleine in den letzten Jahrzehnten sind Milliarden Menschen von Armut zu einem gewissen Wohlstand und Bildung gelangt, eine immense Leistung - um nur ein Beispiel zu nennen.

Auch wenn es nicht populär ist und man uns lieber Panik unterschieben möchte, die Welt entwickelt sich rasend schnell weiter und im Saldo bei allen Problemen zum Positiven. Ob Deutschland aber seinen Platz an der Spitze des Wohlstands halten kann, ist äusserst fragwürdig, die Kandidaten der Bundestagswahl machen nicht den Eindruck, dass ihnen dazu viel einfällt, außer das Geld auszugeben, das andere erarbeitet haben.

Was wir als Bürger tun können, ist etwas bösartig-spitz formuliert unsere Kinder so mobil und der Welt zugewandt zu erziehen, dass sie dort leben und arbeiten können, wo dann die "Musik spielt", während hier die Lastenräder wegen Stromsparpause ein paar Stunden stillgelegt werden. 😛

Das passiert ja heute schon, raten sie mal wo viele der Ingenieure oben aus dem Tunnelprojekt dann arbeiten werden. Dafür können wir dann aber das 13. "Geschlecht" deklinieren und eine verschwurbelte Formel-Sprache sprechen, mit der man bei keinem Schneeflöckchen mehr negative Trigger auslösen kann - na wenn das mal nicht eine echt glorreiche Zukunft ist. 😛

Und als Anleger können wir von diesen immens spannenden, disruptiven Entwicklungen profitieren, ein zentrales Thema des Blogs, dessen vielfältige Aspekte ich -> hier im freien Bereich <- auch mal ansatzweise skizziert habe.

Zitat:

  • E-Learning
  • Kernenergie & Fusion
  • Lem & der Unbesiegbare
  • Dezentralisiertes Wohnen durch autonomes Fahren
  • Das Ende des ÖPNV
  • Coruscant & Trantor lassen grüßen
  • Der Wettlauf ins All
  • Der Turmbau zu Babel und der "Universal Translator"
  • Implantate & Cyborgs
  • Brot&Spiele und die Zukunft der Arbeit
  • usw usw

Wenn sie diese Themen interessieren und sie mit einer kompetenten und hochqualifizierten Community an der Zukunft arbeiten wollen, dann stossen sie doch zu uns dazu!

Ihr Michael Schulte (Hari)

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