Der folgende Artikel ist nahezu identisch vor ca. 2 Wochen im Premium-Bereich erschienen, ich habe nur kleine redaktionelle Änderungen für den freien Bereich vorgenommen.
Denn vor nun bald 6 Jahren habe ich mal einen Artikel geschrieben, den ich Monate später dann auch im freien Bereich veröffentlicht habe. Er hiess:
-> Mit dem Wind im Rücken zum Markterfolg segeln <-.
In diesem Artikel habe ich einleitende Worte gefunden, die erklärten, warum es bei Investments jede Menge Sinn macht, auf die Sektoren und Themen zu setzen, die als Trends dem Marktgeschehen wie Wind in die Segel blasen.
Damals habe ich einige Sektoren betrachtet, wenn sie meine Worte von damals noch einmal lesen und dann schauen was in den Sektoren passiert ist, dann war das so schlecht nicht und hätte Manchem erspart, "Gurken" noch unnötig länger zu halten, die eben im dauernden Gegenwind stehen.
Meine Worte damals, die ich immer noch 1zu1 genau so schreiben könnte, waren einleitend:
Erfahrene Segler wissen zu Genüge, wie viel einfacher es ist, mit dem Wind im Rücken zu segeln, als gegen den Wind anzukreuzen. Letzteres geht zwar auch, erfordert aber weit höheren Aufwand, um voran zu kommen.
Und was beim Segeln der Wind ist, ist bei der Geldanlage der fundamentale Trend, der für steigende Umsätze und Gewinne sorgt. Unternehmen, die in so einem Markt sind, haben es leicht, den Aktionären Freude zu machen. Warum also, sollten wir bei der Geldanlage freiwillig auf diesen Vorteil verzichten?
Ich bin sowieso ein Fan des "Growth"-Gedankens. Denn Bewertungen, die sich aus der Vergangenheit herleiten, sind genau das: Vergangenheit. Viel wichtiger damit unsere Investmentdepots ergrünen ist aber, dass das Geschäftsmodell in der Zukunft Wachstum zulässt. Denn Wachstum wird langfristig in steigende Kursnotierungen umgesetzt. Und wenn die Grösse des zu verteilenden Kuchens wächst, fällt es Unternehmen leicht, daran Teil zu haben.
Daran anknüpfend diskutieren wir in der Community gerade die großen Windströmungen des nächsten Jahrzehnts, mit diesem Artikel als Startpunkt.
Im Folgenden werde ich ihnen ein paar Strömungen nennen, die ich zu sehen glaube, erhebe aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es ist mehr ein Teaser auf vielfältige Thematiken.
Dabei benenne ich dieses Mal bewusst keine Anlagesektoren, sondern es geht um die Meta-Ebene darüber, die Auswirkungen auf Aktien sind dann zu diskutieren.
Andererseits sollen diese Windströmungen aber nicht zu allgemein sein, zu sagen die "Digitalisierung" schreite voran ist zwar wahr, aber so allgemein, dass es keinen großen Wert hat - wir sollten schon konkreter werden. Aber sehen sie selber wie ich am Beispiel von 4 Windströmungen argumentiere:
(1) Chips - die Fördertürme des 21. Jahrhunderts
Chips sind die -> Fördertürme des 21. Jahrhunderts <-, so habe ich 2018 argumentiert und der weitere Verlauf seitdem hat das mehr als bestätigt.
Wir dürfen Chips nicht mehr primär als zyklische Produkte betrachten, ohne Chips ist in der digitalen Welt alles nichts und Produktionsstrassen stehen überall still, wenn diese nicht verfügbar sind - zuletzt haben wir das bei den Autoherstellern erlebt.
Was wiederum bedeutet, dass jeder ernst zu nehmende Dip des Sektors - hier abgebildet durch den ETF SOXX - seit Mitte des letzten Jahrzehnts ein mittel- und langfristiger Kauf ist:
(2) Banken - das Universalbanken-Prinzip ist tot
Geldgeschäfte fächern sich immer weiter auf und spezialisieren sich, die Digitalisierung beschleunigt diesen Prozeß immens.
Zu jedem Spezialthema spriessen FinTechs aus dem Boden, die in ihrem konkreten "Circle of Competence" bessere Angebote haben, als die Universalbanken die zwar vieles können, das aber schlecht und überteuert.
In der modernen Welt des rein digitalen Geldes, steigt sowieso die Velozität (Umschlaggeschwindigkeit) des Geldes, was die Position von zentralen Verteilstellen von Finanzdienstleistungen - nichts anderes sind Universalbanken - weiter erschwert.
Viele Universalbanken haben schon heute kein tragfähiges Geschäftsmodell mehr und ich sehe nicht mehr, wo es herkommen soll. Dass diese Banken nicht schon längst von spezialisierten Mitbewerbern zerstört wurden, liegt primär an der Trägheit der Kunden, die aus einer gefühlten Sicherheit heraus, ihr Geld einfach auf bewährten Konten halten.
Was wiederum bedeutet, dass jede Stärke des Sektors eher ein Grund ist, bestehende Positionen in die Stärke hinein abzubauen. Ich bezweifele, dass Anleger in diesem Jahrzehnt die Universalbanken brauchen, spezialisierte FinTechs dagegen sind hoch attraktiv.
Besonders schön sieht man das in Europa, wo das Universalbanken-Prinzip immer noch hochgehalten wird. Die Banken sind einer der wenigen Sektoren, die seit 2008 nichts auf die Reihe bekommen und sich nicht erholt haben.
Natürlich hat das auch mit der Negativzins-Politik der EZB zu tun, aber mit der Betonung auf "auch". Das Fehlen eines wirklich zukunftsträchtigen Geschäftsmodells ist bei Europas Universalbanken unübersehbar:
(3) Telemedizin - das Wartezimmer stirbt aus
Eine der sichersten Wetten überhaupt ist in meinen Augen, dass die Telemedizin wesentliche Teile dessen was heute in "Sprechstunden" abgehockt wird, übernehmen wird.
In -> der Arzt in der Datenbrille <- habe ich das schon ausführlich thematisiert, ich zitiere:
Genau das wird aber verschwinden und zwar maßgeblich durch den Aufstieg der Implantate und Überwachsungssensoren, die wir bald alle völlig selbstverständlich bei uns haben werden - derzeit noch in Uhren, später dann in anderen Formen.
Praktisch alle 08/15 Messungen vom Herzrhythmus, über Blutdruck, Fieber, bis zu bestimmten Bluteigenschaften, wird man automatisch bei sich selber vornehmen können. So wird es für einen potentiellen Grippepatienten in Zukunft genügen, seinen Arzt in einer Videokonferenz "anzurufen", ihm den Zustand zu schildern, die gewonnenen Daten zu übermitteln und schnell gemeinsam zum Schluß zu kommen, dass es vermutlich eine Grippe ist.
Erst wenn man von diesem 08/15 Weg abweicht, wenn komplexere Untersuchungen nötig sind, muss und wird der Arzt den Patienten dann herein bitten oder aufsuchen, um selber "Hand anzulegen". Dieser Ablauf - Fernkonsultation mit Standarddaten als Erstes und dann erst Entscheidung, ob vor Ort Untersuchungen nötig sind - wird das Gesundheitswesen revolutionieren und wesentlich entspannter für alle Beteiligten machen, weil vieles schon vorher "weggefiltert" werden kann, was völlig unnötig die Wartezimmer befüllt.
Nebenbei, bald werden "Uhren" auch den -> Blutzucker messen <-, ein weiterer kleiner Schritt auf dem Weg, an dem man am Ende so viele Daten zur eigenen Gesundheit selber messen können wird, dass nach Übermittlung an den Arzt ein sinnvolles Erstgespräch zu einer Krankheit auch digital geführt werden kann und nur bei Bedarf danach eine persönliche Visite nötig wird.
Dieser Trend ist in meinen Augen fast sicher und wird das Gesundheitssystem langsam revolutionieren. In 10 Jahren kommt dann mit meiner Generation auch eine Generation ins hohe, krankheitsanfällige Alter, die mit IT schon aufgewachsen ist, was das alles gegenüber heute immens beschleunigen wird, weil emotionale Widerstände entfallen,
Ich kann ihnen hierzu aber keinen ETF zeigen, weil es keinen gibt und es nur wenige Unternehmen wie Teladoc gibt, die in diesem Geschäft schon richtig unterwegs sind. Und diese wenigen Unternehmen schwanken ganz zwangsläufig noch extrem, weil sich ihr Geschäft gerade erst entwickelt.
Aber genau das ist ja die attraktive Mischung, ein riesiger Trend und noch wenige Unternehmen die ihn reiten und die noch ganz am (volatilen) Anfang stehen. Da wird also noch viel passieren und viel für Anleger zu verdienen sein!
Wobei ich davon ausgehe, dass das auch ein Thema für die ganz großen Konzerne wie Google oder Apple werden wird, auf der Ebene der "Devices" allemal, aber auch darüber hinaus. Und natürlich sind hier auch Schnittmengen zu anderen Trends, denn Devices zum Messen von Körperfunktionen brauchen was? Chips! 😉
(4) Die Globalisierung geht einen Schritt zurück - ein Jahrzehnt der strategischen Blockbildung steht bevor
Es ist gerade die Digitalisierung und die damit verbundene Möglichkeit Ideen und Techniken vom anderen Ende der Welt aus leicht zu kopieren oder anzugreifen, die zu einer teilweisen Abschottung von "Blöcken" bei strategischen Gütern sorgen wird.
Wie diese Blöcke genau aussehen, wird die Weltgeschichte zeigen, man muss aber kein Prophet sein um zu vermuten, dass sich einer um die USA gruppieren wird und einer um China.
Ich habe natürlich auch das schon ausführlich thematisiert und zwar in 2019 in -> Weltgeschichtliche Zeitenwende <-. Im Artikel wird das ganze Thema grundlegend herleitet, er ist aber weiter dem Premium-Bereich vorbehalten. Dort hiess es aber unter anderem:
Was aber vor uns liegt, ist eher keine Rückkehr zur Nation, auch keine grenzenlose Welt, sondern eine Vertiefung einer Blockbildung einer multipolaren Welt und damit sind wir bei der Wirtschaft und Börse angekommen.
Denn in den Bereichen, die für den Ausbau und Erhalt der Macht entscheidend sind, wird sich die Welt handelstechnisch entlang dieser Blöcke in teilweise abgeschottete Lager aufspalten. Im Bereich Aerospace&Defense ist das aus naheliegenden Gründen ja schon heute so. Was nicht heisst, dass der Handel völlig zum Erliegen kommt, aber bedeutet, dass stärker zwischen strategischen Technologien und Assets unterschieden wird und solchen, die man frei handeln kann.
In der zentralen Mitte dieser Entwicklung wird die IT-Technik stehen, also Chips, aber auch Software. Denn in der Welt auf die wir zusteuern, werden Kriege ebenso mit elektronischen Mitteln geführt, wie auch alle Prozesse eines Staatswesen dieser zwingend bedürfen.
Die Kontrolle der IT ist damit mit der Kontrolle über die Macht-Blöcke gleichzusetzen, denn ohne IT ist alles nichts im 21. Jahrhundert.
Und das ist schon heute viel weiter fortgeschritten als wir uns klar machen. Was wäre zum Beispiel, wenn nun per Dekret der Vertrieb von Intel-Prozessoren nach Europa verboten und das Windows-Betriebssystem durch einen Patch eingefroren wird und nicht mehr arbeitsfähig ist, so man nicht zu einer definierten Positiv-Liste von Nutzern gehört, die dafür weiter von der US Regierung freigeschaltet sind?
Panzer und Armeen braucht man dann nicht mehr, das Leben bricht hier auch so zusammen und wenn das nicht reicht, wird ein Trojaner in die Rechner der Energieversorgung eingeschleust und das wars dann.
Dass ich diesen Trend als nicht so sicher wie oben zB die Telemedizin betrachte, liegt daran dass die Wirrungen der Weltgeschichte unergründlich sind. Stellen wir uns zum Beispiel vor, es gäbe in China einen Umbruch, dann müsste man diesen Trend wohl in weiten Teilen umschreiben.
Aber Stand Heute ist der Trend absehbar und wird erhebliche Auswirkungen haben. Ich kann auch dazu natürlich keine ETFs zeigen, weil es keine gibt, aber es gibt ein paar Tendenzen auf die man achten muss.
Denn grundsätzlich verringert dieser Schritt zurück in der Globalisierung den Wettbewerb, was auch den Druck auf die Löhne nimmt. Gleichzeitig muss die Fertigung wieder lokaler organisiert werden, was nicht nur für Chips, sondern für alle strategischen Güter wie auch Medikamente gilt.
Und es wird in Folge ein Reihe von Unternehmen geben, die wie Intel im weltweiten Kostenwettbewerb gegenüber Asien zurückgefallen sind und Produktionsstätten aufgegeben haben oder wollen, die nun aufgrund ihrer Erfahrung davon profitieren könnten, dass diese Kompetenz wieder zum Wettbewerbsvorteil wird.
Auf diese Unternehmen mit dieser Kompetenz im Haus sollte man langfristig ein Auge haben. Zwar ist das größte deutsche Arzneimittel-Unternehmen mit Produktionserfahrung - Boehringer Ingelheim - in privater Hand und nicht an der Börse, aber danach kommt Bayer mit langer Historie und vielleicht kann das langfristig für Bayer noch zum Pfund werden, wenn man sich endlich von Baumann und seinen Freunden und der Monsanto-Pirouette befreit hat und wieder stärker auf Pharma schaut.
Vielleicht dann, wenn man auch einen "Pat Gelsinger" im übertragenen Sinne an die Spitze setzt, jemanden der für die Produkte und die Technik dahinter brennt und nicht nur für Bilanzen. Deutschland war mal die "Apotheke der Welt" und Bayer dabei der Platzhirsch, das ist in der neuen, sich entwickelnden Welt auch wieder denkbar, aber vorher muss man Finanzjongleure wie Baumann und seine Freunde im Aufsichtsrat in die Wüste schicken.
Aber Bayer und Pharma ist ja nur ein Beispiel unter sehr vielen, eine teilweise Rückbesinnung auf die lokale Produktion strategischer Güter wird Geschäftsmodelle und Märkte durcheinander wirbeln und den reinen "Veredelern", die nichts produzieren, sondern produzieren lassen, das Leben schwieriger machen.
Und es würde wohl die Inflation endlich bringen, die die Notenbanken so lange herbei sehnen und doch nie erlangen konnten. Denn eine Welt die nach 2 Schritten vorwärts bei der Globalisierung nun 1 Schritt zurück geht, nimmt auch Druck von den Kosten weil Wettbewerb auf anderen Kontinenten durch Beschränkungen entfällt und treibt so die Preise:
Damit es übrigens kein Missverständnis gibt, ich betrachte diese Phase als den einen Schritt zurück, aber nicht als Trendwende der Globalisierung. Nach dieser Phase wird sich dann der Trend fortsetzen und "One World" wohl Realität werden, aber das ist Zukunftsmusik.
So ... das waren zum Einstieg auch in freien Bereich 4 große Windströmungen des kommenden Jahrzehnts im Zusammenhang angeteasert, es gibt aber noch viel mehr und in der Community haben wir schon ein ganze Reihe anderer Windströmungen ausführlich besprochen, so zum Beispiel:
- E-Learning
- Kernenergie & Fusion
- Lem & der Unbesiegbare
- Dezentralisiertes Wohnen durch autonomes Fahren
- Das Ende des ÖPNV
- Coruscant & Trantor lassen grüßen
- Der Wettlauf ins All
- Der Turmbau zu Babel und der "Universal Translator"
- Implantate & Cyborgs
- Brot&Spiele und die Zukunft der Arbeit
- usw usw
Wenn sie diese Themen interessieren und sie mit einer kompetenten und hochqualifizierten Community an der Zukunft arbeiten wollen, dann stossen sie doch zu uns dazu!
Ihr Michael Schulte (Hari)
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1 Gedanke zu „Die großen Windströmungen des nächsten Jahrzehnts“