Sprung im Denken

Neben den großen Aufregern wie Krieg und Inflation, treten derzeit allerlei wichtige Themen in den Hintergrund, die eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.

Besonders gilt das für den fehlkonstruierten Euro und die EZB-Politik, die sich schon lange vom eigentlichen Mandat der Geldwertstabilität entfernt hat.

Die Realität des Handelns ist von "whatever it takes" geprägt, vom Versuch die Eurozone in jedem Fall zusammenzuhalten und vor allem Italien ein Überleben zu ermöglichen.

Und das funktioniert halt nur mit homöpathischen Zinsen, dauerhafte Zinssätze von 3 oder 4% auf die Staatsschuld wie früher sind schon heute untragbar und würden zum sofortigen Default führen. Und das gilt nicht nur für Italien, sondern strukturell sogar für Deutschland.

Wir haben das Thema hier im Blog lange kritisch begleitet, haben aber auch schon lange keine Illusionen mehr was hier passiert, dokumentiert zum Beispiel schon vor 10 Jahren mit deutlichen Worten: -> Ein historischer Tag – Das Ende Deutschlands, wie wir es kennen <-:

Die südlichen Länder der Euro-Zone haben gewonnen, das ist nun klar. Der 29.06.12 ist ein historische Tag. Die Schuldner zwingen den Gläubigern ihren Willen auf. Man kann jedem Deutschen nun nur noch mit Sarkasmus raten, sich diesen Lebensstil selber anzueignen, selber Schulden aufzunehmen und das Leben im Hier und Jetzt in vollen Zügen zu geniessen. Wenn wir dann Morgen unsere Schulden nicht mehr bedienen können, werden wir schon einen Dummen finden, bei dem wir sie abladen können.

Auch in den Folgejahren war das hier oft Thema, unter anderem noch einmal zusammenfassend 2018 in -> Warum ich vom Platzen des Euros ausgehe und trotzdem noch ganz entspannt bin <-

Und nun stehen wir im Jahr 2022, die Inflation liegt um die 7% - in Worten *Sieben* und die FED hat eine aggressive Zinserhöhungs-Erwartung aufgebaut, die -> von Bespoke hier <- schön dargestellt wird:

Und was macht die EZB unter Lagarde?

Hat immer noch Minuszinsen, drückt den Bürgern daher einen realen Wohlstandsverlust von 8% (Realzins) aufs Auge und bequemt sich -> langsam und widerstrebend <- für den Sommer mal einen "Zinsschritt" ins Auge zu fassen, der dann aber nur die Minuszinsen verringert.

Von einem Nullzins - einem Ende der Minuszinsen - ist vielleicht Anfang 2023 auszugehen, bis dahin gibt es aber bestimmt die nächste Krise, die auch das dann "unmöglich" macht. LOL!

Man kann da wirklich nur noch irre kichern, so absurd ist das und die Medienkanonen in den linken Haltungsblättern geben natürlich trotzdem Schützenhilfe im Sinne -> die besonnene Frau Lagarde <-. Im Juste-Milieu der städtischen Lofts und Lastenfahrräder, fernab der Lebenswirklichkeit des "kleinen Mannes", hat man halt noch nie begriffen und will es offensichtlich auch nicht, dass genau die Effekte die die ärmeren Schichten am stärksten wirtschaftlich schädigen wie die Immobilienpreise und damit verbunden die Mietpreise, zu einem guten Teil von der Notenbank mit genau dieser Politik gemacht sind, siehe auch ausführlich in -> Haltet den Dieb! Enteignung! <-

Aber ich will nicht vergangene Schlachten aufwärmen, denn die Entscheidung ist gefallen. Ich will nur dokumentieren was diese Politik auch für den Euro bedeutet, der bald zum Dollar auf Parität liegen wird. Nominell sehen die Depots und Konten dann in Euro noch gut aus und werden die Menschen täuschen, das haben sie in den 80er Jahren auch immer getan, wenn man sie in Italien in Lira ausgewiesen hat. 😛

Nur was man an Kaufkraft für die Zahl bekommt, wird halt immer weniger. Das Einzige was sich garantiert nicht ändert ist der Verlauf der Progression im Steuerrecht, der nun auch Durchschnittsverdiener schon an den Spitzensteuersatz heranbringt, weil nie eine Inflationsangleichung vorgenommen wurde.

Der entscheidende Punkt diese Artikels ist: Die Entscheidung ist gefallen, das Thema ist durch. Auch die Schuldengemeinschaft im Euro kommt, wie ich das oben schon 2012 betrauert habe - sie ist genau genommen schon da.

Womit wir beim Sprung im Denken sind, den gerade auch wirtschaftlich kompetente Bürger nun vollziehen müssen. Es gilt uns von der Denke solider Haushalte zu verabschieden, weil sie uns im Euro-System keinen Vorteil mehr verschafft. Ja diese Denke solider Haushalte wird uns gegenüber anderen sogar benachteiligen, wenn dann das Unvermeidliche kommt.

Denn da die Schuldenvergemeinschaftung nun kommt, verliert solide Fiskalpolitik auf nationaler Ebene ihren Sinn. Wenn die Schulden der Euro-Staaten sowieso gemeinsam getragen werden, steht am Ende der Sparsamste als Dummkopf da. Denn bei dem unvermeidlichen *Reset* werden die Schulden der anderen dann per Schuldenschnitt erlassen, was aber verbleibt sind die sinnvollen Investitionen, die damit getätigt wurden.

Während bei uns also Autobahnbrücken verrotten und die Bundeswehr totgespart wurde, hat Südeuropa in Infrastruktur investiert und die Schulden die dafür benutzt wurden, werden zwangsläufig erlassen. Ein gutes Geschäft. Gut gemacht Herr Draghi! 😉

Damals 2012 im oben verlinkten Artikel schrieb ich schon:

Ich bin heute übrigens aus Kroatien zurück gekommen. Ich habe in Kroatien nagelneue Infrastruktur vorgefunden, alles perfekt. Dann bin ich in Slowenien auf perfekten, nagelneuen Autobahnen gefahren. Dann habe ich in Österreich die hervorragend gewarteten Autobahnen und Tunnel genossen. Und dann kam ich nach Deutschland auf die A8 München-Salzburg und holperte im dichten Verkehr über alte Betonplatten aus "Adolfs Zeiten", ohne Seitenstreifen, mit verrosteten und verbogenen Leitplanken. Mehr muss man dazu wohl nicht sagen.

Also investieren wir jetzt besser auch mit vollen Händen, solange das Geld noch etwas wert ist. Stellen sie sich vor sie gehen zu einem "all-you-can-eat-and-drink" Buffet mit Freunden und im Vorfeld wurde geklärt, dass die Gesamtrechnung zu gleichen Teilen von allen getragen wird. Na, ist es dann sinnvoll sich zurückzuhalten und "sparsam" zu essen und trinken? Hmm?

Faktum ist: Das Prinzip solider Haushalte wurde durch die Notenbankpolitik der Null- und Negativzinsen zerstört und der Zug in diese Richtung ist abgefahren.

Gerade auch in Richtung der FDP und Finanzminister Lindner, der ja Wahlversprechen zur Solidität abgeben hat kann ich nur sagen: Lassen sie das sein und reden sie offen mit den Bürgern, das macht keinen Sinn mehr. Und das ist nicht Schuld dieser Regierung, sondern Schuld der 16 Merkel-Jahre, in denen die für Deutschland zerstörerische EZB-Politik immer gestützt wurde und man sich mit den Stimmrechten von Malta im Rat zufrieden gegeben hat, statt den Einfluss auszuüben, der einem 25% Finanzier zukommen sollte.

Es war schön und ehrenvoll eine solide Geld- und Haushaltspolitik verteidigen zu wollen, die Entscheidung ist aber gefallen und wir werden so oder so irgendwann in einen großen Schuldenschnitt laufen, daran kann es gar keinen Zweifel mehr geben.

Und weil das so ist, wäre es von Deutschland *grobe Dummheit* sich an der Schuldenmacherei nicht zu beteiligen, es würde uns im Vergleich zu anderen westlichen Ländern weit zurückwerfen.

Deswegen ist die Schuldenbremse im Grundgesetz nun auch ein Fehler und der falsche Gedankengang, gerade Bürger mit Interesse an solider Haushaltspolitik wie ich, müssen nun einen *Sprung im Denken* machen und erkennen, dass es sich nicht lohnt an einer Sicht festzuhalten, wenn diese keinen Vorteil mehr bietet.

Die Schuldenbremse wäre fraglos immer noch richtig, wenn wir eine eigene Währung hätten, die dann in der Krise davon profitieren würde. Dann würden wir den Vorteil der Solidität als Kaufkraft einstreichen können, so wie das immer bei der D-Mark war, wenn Lira und Franc mal wieder abwerteten.

Aber nicht wenn man im Euro diese Souveränität abgegeben hat. Dann ist man "mitgefangen - mitgehangen" und dann gelten in der großen Schuldenkrise sowieso keine Vereinbarungen und Verträge mehr und alles wird über pure Macht und den normativen Druck des Faktischen neu ausgehandelt. Es muss wohl erst schlimmer werden und ein Schock wie der Ukraine-Krieg auf geldpolitischer Seite kommen, bevor der Michel und das bornierte Juste-Milieu mal ebenso aufwachen, wie jetzt zum Thema Russland.

Wir haben als Land nun die Wahl:

Entweder jetzt mit riesigen Schulden Infrastruktur, Bundeswehr und alles was unter Merkel verludert ist wieder richtig auf Vordermann zu bringen. Oder das nicht zu tun.

Das finanzielle Ergebnis wird aber am Ende identisch sein, Staatsschulden werden sowieso von den Notenbanken "abgeschnitten" und zurückgesetzt. Dumm dastehen wird, wer dann keine Schulden hat.

Wir müssen einfach akzeptieren, dass die alte Welt der finanziellen Solidität hinter uns liegt und es keinen Sinn macht und nur Nachteile bringt, in einer Welt des Booms auf Pump dann die einzige, schwäbische Hausfrau sein zu wollen.

Lassen sie uns also unsere investiven Defizite beheben und dafür kräftig Schulden machen und mit Frankreich und Italien gleichziehen. Der Schuldenschnitt kommt so oder so für die Staaten, nur das Datum ist fraglich. Bei den Bürgern wird das aber anders sein, als Bürger kann man nicht darauf bauen, seine Schulden loszuwerden, als Politiker aber schon.

Als Staat müssen wir nun aber mitmachen und Investieren, der Zug ist abgefahren, das Ringen um die richtige Geldpolitik wurde durch Kohl und Waigel im Aufbau der EZB verloren und Merkel hat wie bei praktisch allem keinerlei Anstalten gemacht, irgendetwas daran grundlegend zu ändern.

Sie war halt da. Die perfekte Beschreibung von 16 Jahre Kanzlerschaft Merkel.

Schön ist das nicht, der Euro ist dabei gar nicht mal perse das Problem, wenn er in einem kleineren Kreis wirklich in der Tradition der D-Mark geführt würde, wie das den Deutschen beim Übergang vorgemacht wurde, wäre es das Beste beider Welten und der Wohlstand für alle nun deutlich höher, gerade auch für den sogenannten "kleinen Mann". Der Euro steht aber in der Tradition von Franc und Lira und genau das ist das Problem und das Ergebnis idiotischer Stimmrechte.

Also, machen wir aktiv und ohne schlechtes Gewissen mit bei der europäischen Schuldenparty. Wie heisst es so treffend auf viele Arten:
If you can’t beat them, join them.

Ihr Michael Schulte (Hari)