Der folgende Artikel erschien am Freitag 25.07.14 16:00 in Hari Live
Das Wichtigste gleich vorne weg. Ich glaube, dass eine mittelfristige, ETF basierte Sektorenstrategie, für einen durchschnittlich erfahrenen Anleger mit durchschnittlichem Depotvolumen, in diesem Markt des Jahres 2014 die sinnvollste aktive Strategie ist.
Genau deshalb, biete ich Ihnen hier auch immer wieder und immer mehr die Sicht auf ganze Sektoren an, wie gerade heute wieder "Basic Resources" oder gestern "China". Oder meine klaren Aussagen zur Unterperformance des DAX, gegenüber anderen Indizes.
Sektorenstrategie bedeutet dabei, dass man sich als Anleger gar nicht um Einzelaktien kümmert, sondern in seinem Depot nur eine überschaubare Zahl von Sektoren via ETFs spielt. Sektoren können dabei Branchen, aber auch Länder oder Regionen sein.
Ein Anleger-Depot besteht dabei also aus vielleicht 3-10 ETFs, die dedizierte Sektoren repräsentieren und "thats it!"
Bevor ich die Vorteile dieser Strategie für einen normalen Anleger mit seiner beschränkten Zeit erkläre, will ich aber mal einen Blick darauf richten, wie denn Anfänger typischerweise zum Aktienmarkt stossen.
Denn das geschieht dummerweise fast immer über Einzelaktien. Man hat halt mal was gelesen, bekommt einen vermeintlich "heissen" Tip oder findet ein Produkt oder eine Firma ganz toll. Das sind alles ganz konkrete - und nicht abstrakte - Informationen, die uns auch emotional ansprechen. Schnell ist dann die Hoffnung da, aufgrund des eigenen "unermesslichen Ratschlusses" 😉 schnelle Gewinne zu erzielen und man ist Aktionär und eine lange Geschichte beginnt, die den Anleger dann nach einigen Bauchlandungen, hoffentlich irgendwann zu Mr-Market.de führt. 😉
Das Dumme ist nur, Einzelaktien sind gerade für Anfänger eigentlich am wenigsten geeignet. Denn da sind die Risiken viel höher, man muss Quartalszahlen beachten, wissen wie sich Dividenden auswirken, man muss Gerüchte werten können und wissen, was eine hohe Short-Quote bewirkt. Und jederzeit kann bei einer Einzelaktie eine Nachricht kommen, die alles verändert und den Titel mal eben um 10% bewegt, selbst bei grossen Konzernen ist das möglich, siehe heute Amazon.
Einzelaktien zu handeln ist also die "ganz harte Tour" und erfordert eine Menge Wissen und Können. Und zu allem Überfluss hat man als privater Anleger hier fast immer ein Informationsdefizit zu den Profis, die direkt mit dem Management und dem Umfeld reden können und in den Calls der CFOs hängen und diese aushorchen. Natürlich sind bei Einzelaktien für die höheren Risiken auch höhere Chancen geboten, aber der Anfänger am Aktienmarkt sieht typischerweise nur die Chancen und überschätzt sein vermeintliches Wissen massiv.
Viele dieser Nachteile sind aber bei Sektoren ETFs nicht vorhanden. Einzelne Quartalszahlen oder Nachrichten zu einzelnen Aktien kann man zwar zur Kenntnis nehmen, sie zu ignorieren ist aber auch nicht schlimm. Auch der Informationsvorsprung der Profis bei ganzen Sektoren ist bestenfalls minimal. Denn ganze Sektoren werden typischerweise durch Makrotrends und die weltweiten Geldströme bewegt. Und die grossen Geldströme setzen sich einfach nicht um 15:43 Uhr in Bewegung, um dann um 16:14 Uhr abzureissen, nein die bauen sich über Wochen auf und bleiben dann von der Tendenz her oft über Monate - und manchmal Jahre - erhalten.
Wer eine reine Sektorenstrategie fährt, muss sich also vor allem um die Geldströme und die grossen weltweiten Makrotrends kümmern und anhand von Vergleichen relativer Performance verschiedener Sektoren heraus bringen, welche Sektoren gerade Zuflüsse haben und welche Abflüsse. Und wenn man das aktuell tun würde, würde man wohl bemerken, dass der DAX gerade nicht angesagt ist, China und Basic Resources aber viel eher.
Diese Sektorenstrategie kann für hartgesottene Seelen mit klarer Strategie sogar einen weiteren Vorteil haben. Man kann unter gewissen Umständen auf Stops verzichten. Statt einer Stop-Strategie braucht man dann eine Umschichtungs-Strategie, was am Ende das Gleiche ist. Aber der Unterschied ist, man ist mit dem Kapital immer im Markt, was sich aber ändert ist in welchen Sektoren.
Wer wie oben darauf verzichtet Cash aufzubauen und immer im Markt ist, muss natürlich bereit sein, ein Ereignis wie 2008, wo alles fällt, dann auch durchzustehen. Aber selbst 2008 konnte man in Sektoren sein, die stark geschlachtet wurden und in Sektoren, die sich bei allen Verlusten noch brauchbar hielten. Ich empfehle so eine "immer voll investiert" Strategie nicht und mache das selber nicht. Aber wer Schwierigkeiten damit hat, mit Stops aus dem Markt zu gehen, fährt mit sinnvollen Umschichtungen zwischen den Sektoren immer noch besser, als mit sturem "Buy and Hold".
Aufgrund dieser Vorteile, erwähne ich hier oft Sektoren ETFs, die gerade "in" sind und gut laufen. Es macht einfach jede Menge Sinn, seine Aktivitäten in den Sektoren zu konzentrieren, in denen die Märkte Liquiditäts-Zuflüsse haben. Denn wie heisst es so schön: die Flut hebt alle Boote. 😉 Und diese Zuflüsse kann man über ETFs auch sehr schön tracken, es gibt Webseiten und Services, die genau diese Kapitalbewegungen rein und raus aus ETFs messen und daraus direktionale Aussagen zu Trends ableiten.
Welchen echten Nachteil hat diese Strategie für normale Anleger? In meinen Augen eigentlich keinen. Nur dass eine solche Strategie natürlich viel langweiliger ist, als die Aufregung und Spannung, einzelne Aktien zu handeln. Und das man mit einer Sektorenstrategie nicht die schnellen Gewinne machen kann, wie wenn man das richtige Biotech-Unternehmen erwischt, das mal eben um 300% steigt. 😉 Man hat aber eben umgedreht auch nicht die schnellen Verluste, die bei so "Hot Stocks" möglich sind.
Auf jeden Fall ist der normale Anleger bei einer Sektorenstrategie viel eher in der Lage, mit den Profis mitzuhalten. Denn was in der Welt los ist, liest man in den Medien und welche Sektoren ans Laufen kommen, kann man recht gut anhand der Charts sehen.
Ihnen müsste doch in den letzten Jahren aufgefallen sein, dass ich bei Einzelaktien natürlich genau so von plötzlichen Wendungen überrascht werden kann, wie jeder Mensch ohne Glaskugel auch. Bei den Sektoren ETFs dagegen, habe ich ein sichtbar gutes Händchen, immer die Sektoren zu identifizieren, in denen gerade etwas geht.
Auch vom Zeithorizont her, passt eine reine, ETF-basierte Sektorenstrategie, sehr gut zu Anlegern, die weniger Zeit haben. Denn solche Sektorentrends drehen sich vielleicht alle paar Monate und manchmal sogar erst nach mehr als einem Jahr. Und im Jahr einen Trade 1-4 mal umschlagen und umschichten, ist eine ideale Frequenz für durchschnittliche Privatanleger, um synchron mit dem Weltgeschehen, ihr Depot aktiv zu verwalten.
Also, denken Sie mal über so eine Strategie nach: konsequent keine einzelnen Aktien und immer eine Hand voll Sektoren, die Sie aktiv nach Verlauf im mittelfristigen Chart und nach den Geldströmen in den ETFs umschichten.
Wie gesagt, in meinen Augen ist das für viele normale Anleger, beim aktuellen Marktverhalten im Jahr 2014, die am besten passende Anlagemethodik, die ich kenne. Und welche Sektoren gerade en Vogue sind und gut laufen, erfahren Sie ja hier auf Mr-Market.
Ihr Hari
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Ein schönes ETF-Depot, ob Sektoren, oder Indices, ist vermutlich die beste Strategie, um langfristig sein Vermögen anzulegen.
Allerdings stören mich bei ETFs einige andere Faktoren, die mich bis jetzt davon abhalten von Einzelwerten auf breitere ETFs zu wechseln.
Der steuerliche Aspekt kann einen nicht unerheblichen Aufwand darstellen. Wenn man sich damit tiefgreifend beschäftigt wird man auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Steuerprobleme treffen. Und zwar so viele, dass ich sie hier in meinem Kommentar nicht einzeln aufzählen kann!
Fonds (können) ändern während der Haltezeit ihre Eigenschaften. Auch das hat wiederum Einfluss auf die Besteuerung.
Außerdem könnte es meine ursprüngliche Entscheidung zu diesem ETF konterkarieren, wenn sich die Eigenschaften ändern, die mich eigentlich zu der Entscheidung – exakt diesen ETF zu kaufen – bewogen haben.
Fast alle ETFs sind in Luxemburg, oder Irland domiziliert.
Ich muss da unweigerlich an Zypern zurückdenken. Auch Zypern war ein reiner Finanzanlageplatz (wenn auch vornehmlich für Russland und andere Ost-Staaten) – mit fast keiner weiteren Funktion. Wie schnell ein solches Kartenhaus zusammenbrechen kann haben wir gesehen. Ich möchte mein Vermögen in so einem Fall nicht dort liegen haben.
Mindestens bei Irland hätte ich Bauchschmerzen.
Zu guter Letzt enthalten die wenigsten ETFs tatsächlich die Werte, die eigentlich abgebildet werden sollen. Wenn ich mein Vermögen in Sachwerte investiere, dann hätte ich auch gerne genau die Sachwerte, für die ich mich entschieden habe.
Tritt der worst case ein und der Fonds wird aufgelöst, stellt sich plötzlich heraus, dass er aus lauter brasilianischen Aktien besteht… böse Überraschung.
Das ist mir alles ein bisschen pauschal und teilweise auch bestenfalls zur Hälfte zutreffend. Begriffe wie „fast alle“ und „wenigsten“ werden der Sache auf jeden Fall nicht gerecht.
Bei ETFs kann man ganz leicht erkennen was drin ist, wenn man auf das Kriterium „voll replizierend“ achtet – das übrigens vom Marktführer iShares (Blackrock) in über 90% der Fälle eingehalten wird. Dann ist genau im ETF, was auch drin sein soll und kann jederzeit angeschaut werden. Bei Swap basierten ETFs ist das Problem da, von denen rate ich auch ab.
Weiterhin weisen alle ETF Anbieter explizit die ETFs aus, die in Deutschland domiziliert sind und auch dabei gibt es bei iShares eine ganze Menge und man kann damit gut eine Strategie abbilden.
Was die steuerlichen Aspekte angeht, gibt es keine speziellen steuerlichen Aspekte für ETFs im speziellen, das deutsche Steuerrecht macht keinen Unterschied zwischen Fonds oder ETFs. Es gibt ein paar Problembereiche, wie bei thesaurierenden Auslandsfonds und bei steuerintransparenten Fonds, die gleichermassen auch für ETFs gelten, die diesen Kriterien genügen. Wenn man aber versteht, worum es da geht, ist das alles halb so wild und beherrschbar.
Dann konzentriert man sich auf voll replizierende, ausschüttende ETFs und hat damit keine Probleme, die über die Fragen anderer Anlageklassen hinaus gehen. Und selbst bei den genannten steuerlichen Problembereichen geht es überwiegend um die Frage der Vorabbesteuerung, bevor zB ein intransparenter Fond seine Daten vorlegt. Das macht dem Anleger etwas mehr Aufwand und kostet vielleicht eine Vorabzahlung, weil zum Zeitpunkt der Bankbescheinigung die Daten nicht verfügbar sind, aber wenn man versteht was man tut, ist das kein echtes Problem. Und wie gesagt, das ist keine Problematik speziell von ETFs, sondern von Fonds generell. Bei Einzelaktien muss man sich dafür dann mit den steuerlichen Sonder-Regeln von Splits und Kapitalerhöhungen herum schlagen. Oder sich sogar der Auslegung des Finanzamtes ausliefern.
Ein steuerliches Päckchen muss halt jeder tragen, egal ob Aktie, Anleihe, Fond oder ETF.