Von Konsequenz – Wann man verkaufen muss

Der folgende Grundlagen-Artikel erschien letzten November im Premium Bereich und wurde für den freien Bereich nur marginal bei Referenzen überarbeitet.

---------------------------

Wir sprechen oft über Setups und richtige Einstiege, wir sprechend über Techniken wie Stops, mit denen wir unser Risikomanagement gestalten.

Aber wissen wir eigentlich wann wir verkaufen *müssen*, mit der Betonung auf *müssen*?

Und vor allem, ist uns klar, dass es dafür eine universelle Antwort gibt? Eine Antwort, gegen die wir andauernd verstossen und auch deswegen in unangenehme Situation geraten?

Eine universelle Antwort für alle Arten von Handelsgeschäften, von Intraday-Trades bis zu mehrjährigen Investments, kann natürlich nur generisch sein - ist aber trotzdem wichtig.

Diese Antwort ist sehr schlicht und einfach. Hier ist sie:

Grund des Einstiegs und Grund des Ausstiegs bilden eine logische Einheit, das eine folgt aus dem anderen.

Für Stops habe ich das Prinzip in einem Grundlagen-Artikel den Mitgliedern schon nahe gebracht:

-> Grundlagen der Stops III - Das Spiegelbild der Strategie <-

Darin heisst es:

Stop sind also immer das Spiegelbild der Strategie.

Wer keine Strategie und kein Setup hat, kann auch keine sinnvollen Stops haben!

...

Denken Sie also daran, wenn Sie sich das nächste Mal den Kopf zermartern, wo Sie denn nun den Stop hinsetzen sollen. Denn wenn Sie diese Frage plagt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass das nur ein Indiz für ein weit schwerer wiegendes Problem ist: fehlende oder mangelnde Strategie!

Sie lösen das Problem dann auch nicht, in dem Sie "irgendwohin" einen Stops setzen. Sie lösen es nur, in dem Sie sich klar darüber werden, warum Sie diese Position eingegangen sind, was Sie davon erwarten und wann diese Erwartungen sich eindeutig als unzutreffend heraus gestellt haben. Genau das nennt man ein Setup. Wer ein präzise definiertes Setup hat, hat auch einen logischen Stop.

Das Prinzip ist aber universell und auch ganz logisch, denn egal ob Sie Daytrader oder Investor sind, es gab ja einen Grund, warum Sie eine Position eingegangen sind, Sie haben damit eine Erwartung verbunden.

Und diese Erwartung hängt wiederum von Kriterien oder Geschehnissen ab, die entweder eintreffen oder eben nicht.

Ihr Trade oder Ihr Investment ist genau dann gescheitert, wenn diese Erwartungen sich als falsch heraus gestellt haben! Das ist der Moment, an dem man verkaufen *muss* und sich die Lage nicht mit Hopium schön reden darf.

Bei einem Daytrader, der vielleicht gerade den Schub nach einer wichtigen Nachricht spielt, ist es die Erwartung, dass die Nachricht zu einer direktionalen Bewegung führt. Diese Bewegung will er dann mitnehmen, bis sie dreht. Er *muss* verkaufen, wenn entweder der Schub nicht kommt oder der Schub ausläuft. Beide Bedingungen sind das Spiegelbild der Absicht, mit der der Trade eröffnet wurde.

Bei einem SwingTrader, der eine mehrwöchige Ausbruchsbewegung spielen will, ist es die Erwartung, dass die Bewegung nun nicht mehr unter das Ausbruchsniveau zurückfällt und nach oben Fahrt aufnimmt. Und deshalb *muss* er verkaufen, wenn das passiert, was nicht passieren darf.

Bei einem Positionstrader, der eine mehrmonatige Mean-Reversion einer verprügelten Aktie spielen will, liegt die Erwartung vor, dass die Aktie eine Bodenbildung abgeschlossen hat und die Tiefststände nicht mehr sehen wird. Deshalb *muss* er verkaufen, wenn die Aktie doch zu neuen Tiefs läuft.

Bei einem Investor, der eine Aktie wegen ihres stabilen Dividendenwachstums kauft, *muss* diese Position in Frage gestellt und nach einiger Zeit verkauft werden, wenn das Wachstum verschwindet und das Management von seinem stabilen Pfad abweicht und das Geld für sinnlose Projekte zu verschleudern beginnt.

Bei einem Investor, der eine Aktie wegen ihres herausragenden Managements und dessen Track-Records kauft und lange halten will, *muss* diese Position in Frage gestellt und nach einiger Zeit verkauft werden, wenn dieses Management unter dubiosen Umständen das Weite sucht oder es zu Machtkämpfen kommt, die das Unternehmen belasten.

Ich könnte mit beliebigen Beispielen weitermachen, das Prinzip ist universell. Die Absicht und die Erwartungen, mit denen man eine Position eröffnet, sind auch die Kriterien, wann diese Position zu schliessen ist.

Nun werden aufmerksame, treue Leser einwenden, dass ich ja selber manchmal Trades umwidme. Ich steige zum Beispiel mit der Absicht eines kurzfristigen Swing-Trades ein und wenn das funktioniert und die Aktie Stärke zeigt, schliesse ich die Position nicht am ursprünglich beabsichtigten Ziel, sondern lasse sie als Positionstrade mit weitem Trailingstop weiterlaufen.

Diese Umwidmung ist kein Problem und legitim, wenn sie *bewusst* und rechtzeitig in einer Phase der Stärke vorgenommen wird. Eine Position kann sich also durchaus von einem in einen anderen Charakter entwickeln. Der Punkt an dem man verkaufen *muss*, ändert sich dann auch mit der geänderten Strategie, weil die Annahmen und Erwartungen nun andere sind, als vorher. Das Spiegelbild ist immer noch da, nur in einem anderen Spiegel.

Faktisch ist ein Umwidmung identisch dazu, ein Setup erfolgreich zu verkaufen und die gleiche Aktie eine Sekunde später für ein anderes Setup neu zu kaufen.

Der einzige Zeitpunkt, zu dem man das aber machen darf, ist in einem Moment der Stärke, wenn Dinge besser funktionieren, als man erwartet hat.

*NIE* aber, wirklich *NIE*, darf man das in einem Krisenmoment machen und sich damit die Lage schönreden und so zB einen Trade in ein Investment umwidmen!

Denn wenn eine Aktie die Erwartung nicht erfüllt und nicht macht, was sie ursprünglich sollte, dann *muss* man gnadenlos verkaufen!

Und wissen Sie was? Genau an dieser Stelle wird permanent Schindluder betrieben und sich selbst belogen, weil unser "Affenhirn" Verluste nicht realisieren will und lieber hofft.

Manchmal bekomme ich Fragen, wo denn nun bei einem bestehenden Trade ein Stop zu setzen wäre. Meine Antwort kennen Sie dann:

Erkläre mir Deine Strategie, Deine Absicht bei dieser Position, dann kennst Du Deinen Stop sofort selber!

Denn der Ausstieg muss immer das Spiegelbild der Strategie sein. Und wenn man die Strategie in einer Phase der Stärke ändert, ist es immer noch das Spiegelbild - der neuen Strategie.

Wer als Trader also wissen will, wo der eigene Stop hingehört, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Absichten des Trades nicht gut genug definiert.

Wer als Investor unsicher ist, wann er eine Aktie wieder verkaufen soll, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Absichten des Investments - das "Warum" - nicht gut genug definiert.

Denn wenn man das "Warum" kennt, weiss man auch wann Schluß zu sein hat und was man ignorieren kann, weil es das "warum" nicht in Frage stellt.

Besonders oft findet man dieses Fehlverhalten bei den Anlegern, die etwas kaufen, weil sie irgendwo in einem Magazin etwas gelesen haben oder weil irgendjemand was gesagt hat. Das ist nie eine Grundlage, weil es dann zu oft keine klar definierten Absichten und Erwartungen, also keine Strategie gibt. Und wenn es die nicht gibt, wissen die Anleger dann auch nicht, wann sie zu verkaufen haben.

Aber das ist keine Schwäche weniger Einzelner, sondern eher eine Art Massenepedemie, die die Mehrzahl der Anleger befallen hat. Wenn Aktien nicht machen was sie sollen, werden sie schön geredet und Hopium geatmet, statt konsequent zu sein. Und wenn Trades schon nach 2 Tagen wegkippen, werden sie schon im Minus zum langfristigen Investment umgewidmet.

Das ist alles grundlegend Falsch!

Verwenden Sie lieber Energie darauf, Ihre Absichten eines Trades bzw eines Investments klar zu definieren. Wenn Sie genau wissen, *warum* Sie machen was Sie machen, wissen Sie zwangsläufig auch, wann diese Annahmen sich als falsch heraus gestellt haben.

Einstieg und Ausstieg müssen eine Einheit sein. Beides gehört zusammen, denn die Verbindung sind die Absichten, die Strategie. Wenn man die aber gar nicht kennt, kann man auch nicht wissen, wann Schluß mit Lustig sein muss.

Dieses Prinzip der Konsequenz ist so einfach und trotzdem wird so oft und gnadenlos dagegen verstossen - in der Regel zum eigenen Nachteil. In der -> Kolumne VinCephalon <- wird uns vielleicht mal eine Idee davon vermittelt, warum das bei Menschen so ist und warum Konsequenz für uns so schwer ist.

Ihr Hari

*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***

3 Gedanken zu „Von Konsequenz – Wann man verkaufen muss“

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    es gibt auch den Investor der die Aktie per Sparplan kauft , und dann wenn er schon eine beträchtliche Summe angespart hat , kauft er Puts um die Sache zu Hedgen

  2. Nastürlich, es gibt viele Wege sich abzusichern, das Hedging ist einer davon. Übrigens, das neue Gesetz, das nur unter der Überschrift „Termingeschäfte“ diskutiert wird, schadet auch allen Normalanlegern massiv, die sich Gedanken über Absicherung machen, ohne dabei gleich das ganze Depot verkaufen zu wollen. Das wird dann so nicht mehr möglich sein.

    Wenn Sie wissen wollen was ich meine, schauen Sie auf meinen Tweet vom 15.01.20 09:59

Schreibe einen Kommentar