Was zu tun war und nun zu tun ist


Vor einem guten Monat, am 20. April diesen Jahres, habe ich ihnen hier im freien Bereich einen Artikel geschrieben, auf den ich zu Beginn zurückschauen möchte.

Er hiess -> Vom ewigen V und vom Stockpicking <- und seine Kernaussage war, dass man schon damals zugreifen konnte, weil Aktien- und Sektorpicking das Entscheidende in dieser sich sehr selektiv auswirkenden Krise ist! Festgemacht hatte ich das damals am Vergleich der starken Charts von ABT und AMZN gegenüber den schwer getroffenen BA und CCL.

In dem Artikel hatte ich mit Bezug auf das andauernde Weltuntergangsgerede der Crashpropheten auch geschrieben:

Aber dieser Moment ist Spekulation und nicht zwingend heute, weswegen auch die Perma-Bären und Crash-Propheten wohl wieder Unrecht haben werden, die seit 10 Jahren einen Crash vorhersagen aus Gründen, die auch jetzt wieder nicht maßgeblich sind. Das hindert sie natürlich nicht, den aktuellen Crash für sich zu deklamieren, auch wenn Ende 2019 natürlich niemand dieses Szenario auf dem Radar für 2020 hatte. Aber Haupsache irgendein Crash, damit man "Recht gehabt" rufen kann und die gläubigen Jünger werden auch dem folgen - passt doch. 😉

Und genau das haben wir erlebt, medial bekannte "Talking Heads" haben sich nicht entblödet, sich mit der Vorhersage des Crash zu brüsten. Und allgemeine Vorhersagen zu einem Crash irgendwann - aus ganz anderen Gründen und typischerweise mit der Geldpolitik der EZB und der Eurozone verknüpft - taugen nur für schlichte Gemüter als Testimonial.

Besonders witzig ist in dem Zusammenhang, dass wenn man mal die absehbaren Kollateralschäden in der Zukunft ignoriert, der massive Stimulus von Notenbanken und Staaten ja tatsächlich einen schweren Crash verhindert hat. Wäre hier ein nicht-expansiver Ansatz wie in den 30er Jahren gefahren worden, als der Goldstandard in abgewandelter Form nach der Konferenz von Genua 1922 noch galt, würden wir gerade in die große Weltwirtschaftskrise schliddern, die vor 100 Jahren dann unter anderem den Braunauer Gröfaz hervorgebracht hat. Theoretisch kann die auch noch kommen wenn einiges schlecht läuft, aber zunächst wurde sie verhindert.

Man sieht daran wieder, wie das Geschäftsmodell dieser Leute funktioniert und ich kann ihnen nur raten: Halten Sie ihr Depot davon fern!

Ich selber habe 2019 wie der Rest der Welt von einem Corona-Vírus nicht die leiseste Ahnung gehabt, war aber im Januar schon durch die Nachrichten aus China aktiviert und mir der Gefahr bewusst, war im Februar extrem vorsichtig und irritiert, dass die Märkte das Virus noch ignorieren - siehe meine Dissonanz - und bin dann mit dem Blog am 21./24.02.20 sofort in die Defensive gegangen und kaufe seit Ende März scheibchenweise Qualität zu, wie ich ihnen das ja auch hier im freien Bereich nahegelegt habe.

Ich habe also keine sowieso nicht existente Glaskugel bemüht, sondern einfach konsequent *reagiert*.

Und das Ergebnis ist, dass das Depot schon wieder deulich im Grünen ist und den Einbruch mehr als voll aufgeholt hat und 2019 war trotzdem ein ausgezeichnetes Jahr mit hohen zweistelligen Prozent-Gewinnen - im Gegensatz zu den Permabaeren, zu denen ich jetzt kein weiteres Wort mehr verlieren will.

Aber genau darüber wie das möglich war, will ich nun mit ihnen sprechen, denn in dem Artikel stand am 20.04.20 sehr deutlich:

Und deshalb sollten wir erkennen, dass die Indizes oder breiten ETFs in dieser Krise sekundär sind, denn die bilden den grauen Schnitt ab. Stockpicking zählt in dieser Krise, denn das Virus ist in seinen Auswirkungen extrem selektiv!

Mit Aktien wie ABT oder AMZN mussten wir auch gar nicht darüber grübeln, ob die Ansteckungszahlen wieder steigen und die Märkte nun doch erneut nach unten abknicken, ober ob die Märkte das nun erreichte Niveau stabilisieren können.

Es spielt schlicht keine Rolle, wenn wir die richtigen Aktien haben!

Das war Mitte April und wir haben nun viele Topwerte, die mittlerweile auf oder nahe der Allzeithochs stehen und das war absehbar, weil es klare Profiteure der Krise sind.

Besonders die mittelgroßen Software-Aktien schiessen dabei neben dem Healthcare & Biotech-Sektor den Vogel ab. Hier sind mit Docusign (DOCU) und Everbridge (EVBG) zwei schöne Beispiele, beide wurden bei uns im Blog intensiv begleitet, bei beiden gibt es sehr gute Gründe *warum* diese so erfolgreich sind. Von einem Covid-Crash ist da schlicht nichts zu sehen:

Aber auch bei ganzen Sektoren kann ich ihnen diese Spreizung eindrucksvoll zeigen, vergleichen Sie mal den US ETF XBI der den Biotech-Sektor abbildet zum US ETF XLI, der die Industriewerte abbildet:

Ein beeindruckender Unterschied oder? Runter ist im allgemeinen Ausverkauf der ETFs alles gegangen, dann hat der Markt das Stock- und Sektorpicking begonnen und differenziert.

Das war, was zu tun war, der Job kluger Anleger war zu differenzieren, was vom Virus profitiert und was nicht.

Und damit komme ich zu dem, was nun zu tun ist.

Wir wissen nicht, ob wir beim Virus im Herbst/Winter eine zweite Welle erleben werden. Wir kennen die Zukunft nicht und es nützt auch nichts diese erraten zu wollen. Jeder der uns nun mit der Bugwelle der Pseudosicherheit erzählen will, dass das Virus dieses oder jenes sei und eine zweite Welle nicht mehr kommen oder alternativ ganz schlimm werden wird, ist für mich eher ein Scharlatan mit Agenda, der nur selektiv Informationen aufnimmt und weitergibt. Solche "Prognosen" helfen uns nicht weiter, sie befriedigen nur das Bedürfnis nach vermeintlich einfachen Antworten, die aber von der Realität schnell enttarnt werden.

Denn objektiv besteht weiter erhebliche Unsicherheit, auch in der Wissenschaftsgemeinde und viele Auswirkungen werden nun erst langsam öffentlich bekannt, so zum Beispiel auch dass das Virus zu guten Teilen eine -> schwere Gefäßerkrankung <- ist.

Wir müssen das aber auch gar nicht wissen, denn wir wissen jetzt schon genug um sinnvolle Anlage-Entscheidungen zu treffen:

Erstens wissen wir, dass das Virus im Verlauf von 1-2 Jahren wahrscheinlich endgültig beherrscht werden wird, sei es mit Impfungen oder sei es mit Medikamenten. Es ist *nicht* der große Weltkiller, wenn auch keineswegs nur eine normale Influenza sondern weit tödlicher.

Zweitens wissen wir, dass wir den größten Stimulus der Weltgeschichte erleben, der koordiniert von Notenbanken und Staaten über uns ausgegossen wird und wenn sie den Artikel -> Warum steigen (und fallen) Kurse eigentlich <- aufmerksam gelesen haben, dann wissen sie, dass Kurse wegen eines Nachfrageüberhangs steigen und der kann auch von schierer Liquidität ausgelöst werden.

Drittens wissen wir, dass das Virus viele Umbrüche massiv beschleunigt, innerhalb eines Jahres wird verändert, was sonst 3 oder 5 Jahre gedauert hätte. Und das Virus bereinigt auch, es verdrängt alte Geschäftsmodelle und verschafft neuen Modellen den Durchbruch, die oben geannnte DOCU ist so ein Beispiel mit ihrer elektronischen Signatur.

Und das sind die einfachen, aber entscheidenden drei Punkte.

Wegen Erstens und Zweitens dürfen wir bei aller berechtigten Vorsicht vor einer zweiten Welle keinesfalls zu bärisch sei, die Welt steht eher vor einem Wachstumsschub, denn einer schweren Depression!

Stellen sie sich doch mal das zur 2. Welle umgedrehte Extremszenario vor, stellen sie sich vor das Virus verschwindet nun, die Wirtschaft läuft wieder an und das mit der historisch unvergleichlichen Geldschwemme im Rücken. Ich sage ihnen was dann passiert: S&P500 4.000! Und auch das ist ein Risiko und zwar für alle, die nun zu zögerlich sind!

Es wäre deswegen auch völlig falsch gewesen mit dem Wiedereinstieg zu warten, weil vielleicht eine zweite Welle kommt, denn genau das war ja sinnloses Raten, man legt sich so auf ein Szenario fest und wenn das nicht eintritt, hat man die anlagetechnische A****karte gezogen. So geht intelligente Geldanlage *nicht*!

Richtig war mit dem Markt mit hoch zu gehen und selektiv und Stück für Stück Qualität wieder aufzubauen, von unten aber langsam Absicherungen nachzuschieben, für den Fall dass die zweite Welle doch kommen sollte.

Richtig ist also weiterhin ein abgesicherter Optimismus und nicht das Warten auf eine zweite Welle, die vielleicht kommt, vielleicht aber eben auch nicht!

Und wegen Drittens muss uns das Virus auch gar nicht mehr interessieren, wenn wir auf die richtigen Aktien und Sektoren setzen, die mit ihren Geschäftsmodellen Zukunft atmen. Denn mit Covid gewinnt alles was:

  • Online abgewickelt werden kann
  • Die IT herstellt, die für Online benötigt wird (Cloud etc)
  • Reisen individuell ohne Aufenthalt in Massenverkehrsmitteln oder Massen-Hotels organisiert
  • An modernsten Wirkstoffen und Verfahren forscht
  • Die Medizintechnik und das Laborequipment für diese Forschung herstellt
  • Von den absehbaren, riesigen Stimulusprogrammen der Staaten profitiert
  • usw und so fort

Diese Gedanken müssen sie jetzt weiter denken. Das ist nun zu tun! Diese Gedanken waren seit Ende März richtig und sind bestimmt auch noch über den Sommer richtig!

Machen Sie sich klar, dass das Virus die Wirtschaft in einem Sprung einige Jahre in die Zukunft katapultiert, weil es schon bestehende Entwicklungen kurzschliesst und beschleunigt. Das Virus ist für die Welt letztlich ein Innovationsprogramm, weil die Umstände Innovation erzwingen, das war schon in allen Krisen so.

Und Anleger die in der Lage sind diesen Wandel zu erkennen und darauf zu setzen, statt tote Anlagepferde weiter zu reiten, nur weil diese eine lange Historie besitzen, haben durch das Virus auch jetzt immer noch immense Chancen vor sich!

Und jetzt denken Sie mal nach und identifizieren die Marktführer dieser Sektoren, dann haben sie gute Kandidaten für ihr Depot. Oder stossen sie zu unserer Community dazu, denn wir tun genau das und haben auch viele Firmen im Fokus mit positiven Sekundäreffekten von Covid. So verbergen sich zum Beispiel hinter dem "individuellen Reisen ohne Massenverkehrsmittel" auch ganz konkrete Überlegungen, die der Markt auch schon hat, weil die Kurse dort schon deutlich anspringen.

Also, die Gefahr einer zweiten Welle ist keineswegs gebannt, aber es macht keinen Sinn auf sie zu warten, weder im April noch jetzt. Stattdessen sind kluge Anleger selektiv optimistisch und sichern sich für den Fall des Falles nach unten ab.

Wenn man so agiert, braucht man kein Herumraten und muss auch nicht hinterher deklamieren, was man vorher alles gewusst haben will. Kluges Beobachten und Reagieren mit ruhiger Hand genügt dagegen, man muss es nur tun und da stehen wir Menschen uns oft selber im Weg.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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2 Gedanken zu „Was zu tun war und nun zu tun ist“

  1. ZITAT aus „Vom Boden“ 16. März 2020 von Hari:
    „Aber das wirkliche Einstiegssignal kommt eben nicht am Ende des ersten Absturzes, es kommt im Standard-Modell erst später danach.
    Und auch klar ist, dass das Standardmodell nur in vielleicht 60-70% der Fälle richtig ist, Wert hat es trotzdem, sich daran zu erinnern.“

    Am 23. März 2020 war lt. ETF Vanguard FTSE All World (A1JX52) der Tiefpunkt erreicht. (Der war nicht viel niedriger als am 16. März 2020.)

    Komm diesmal also nicht das Standard-Modell zum Tragen und es gab nur einen Absturz? (Ich hatte auf einen zweiten Absturz gesetzt, auch wenn ich nicht aus Panik verkauft hatte.)

  2. Ich kenne die Zukunft nicht und versuche es auch gar nicht, weil es die falsche Frage und Denkstruktur ist.

    Aber ich kann ihnen sagen was war:

    Das Standard-Modell ist als Szenario immer noch aktiv, denn wenn jetzt eine zweite Welle des Virus kommen würde (Konjunktiv) prallt der SPX an der 200-Tage-Linie ab und es geht scharf abwärts. Die Frage ist immer nur, wie wahrscheinlich das ist und die ist in den letzten Wochen geringer geworden.

    Der Punkt des ersten Tiefs wurde aber definitiv durch den brutalen, historisch einmaligen Stimulus im Billionen-Umfang nach vorne in den März gezogen, ohne das wäre es sicher eher April geworden. Auch wurde der Rebound durch diesen Billionen-Stimulus beschleunigt und verstärkt. Ohne diese fiskalische Expansion wären wir nun wohl in einer Depression wie vor 100 Jahren und die Märkte nicht 30, sondern 60% eingebrochen.

    Sich jetzt zu fragen, ob der zweite Absturz noch kommt, auch der „Retest“ genannt, so wie es das Standardmodell sagt, ist aus Handlungssicht genau die falsche Frage und war schon vor einem Monat die falsche Frage. Das wissen wir nicht und werden durch Grübeln und Raten nicht klüger. Wir müssen akzeptieren: es kann sein und ist in den letzten Wochen etwas unwahrscheinlicher, aber nicht unmöglich geworden.

    Es braucht eine *grundlegend* andere Denkstruktur, man ergreift selektiv nach oben Chancen und sichert diese nach unten gegen den negativen Fall ab. Daran scheitern die Meisten, die unbedingt sich für die Zukunft festlegen, also raten wollen.

    Eine Wette darauf, dass der Retest noch kommt ist genau das: Raten. Vielleicht kommt er, vielleicht nicht, fragen sie den Verlauf des Virus.

    Richtig ist: „Prepare for the worst and hope for the best“ – also dabeisein, aber absichern für den negativen Fall.

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