Vor knapp zwei Wochen habe ich ihnen in -> Wirecard und wir im Spiegel <- ein paar wichtige Worte zur Thematik geschrieben.
Diese Problematik, dass viele Anleger völlig naiv gerade die "gefallenen Engel" attraktiv finden, ist aber nicht auf einzelne Aktien begrenzt, sondern ganz generell ein Thema. Und das ist bei uns in der Community auch immer wieder Thema, zum dem ich auch Artikel schreibe, wie der nun folgende Artikel vom 02.07.2019, also vor genau einem Jahr.
Ich stelle ihnen diesen Artikel nun bewusst unverändert zur Verfügung, es ist ja besonders spannend zu sehen, was aus den genannten Aktien dann geworden ist. 😉
Es mag manche Leser geben, die gewöhnt an "Klickeritis" denken: "Gähn, alte Artikel". Dann sollen die so denken, viel Erfolg am Markt wünsche ich und winke hinterher.
Allen anderen sei gesagt, dass es gerade bei medialen Artikeln zum Markt doch interessant ist zu sehen, wie sich die Dinge dann danach entwickelt haben.
Der folgende Artikel ist in meinen Augen wichtig, auch und gerade wenn er ein Jahr alt ist. Wer die folgende Wahrheit nicht sehen kann oder will, ist dazu verdammt solche Fehler immer wieder zu machen und am Ende wird er aufhören und "Aktien sind nur für Zocker" rufen, nicht begreifend, dass ihn das Problem selbstgefällig im Spiegel anschaut.
Viel Spaß und gute Erkenntnisse wünscht der Hari 2020 und nun zurück in den Sommer 2019:
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Ich habe solche Artikel immer mal wieder geschrieben, weil ich Sie vor dem Reflex bewahren will, in "gefallenen Engeln" automatisch "Schnäppchen" zu sehen. Das heisst ja nicht, dass da nicht auch Schnäppchen sein können, in Mehrheit sind es aber keine und die Ausnahmen extrem schwer zu erkennen.
Unter der Überschrift -> Tiefer geht immer und erst bei Null ist Schluß <-, habe ich beispielsweise diesen Umstand schon 2015 in Sachen Kohle thematisiert und Peabody Energy ist dann tatsächlich auch in die Pleite marschiert.
Weil es so wichtig ist, zitiere ich daraus:
Und trotzdem .... wird dieser Fehler immer wieder und immer wieder begangen - einfach weil sich Menschen für klüger als der Markt halten. Und weil etwas, das sehr tief gefallen ist, auf den ersten Blick "billig" erscheint und bei unbedarften Anlegern laut "kauf mich" schreit.
Dahinter steht eine ebenso menschlich instinktive, wie grottenfalsche Interpretation von dem, was Kurse sind. Bei breiten Indizes kann man sehr wohl davon ausgehen, dass diese im Sinne "Mean Reversion" irgendwann von einem Extrem wieder auf einen Mittelwert zurück schwingen. Zumindest solange die Welt nicht untergeht. Aber auch bei Indizes kann das Jahre und manchmal ein Jahrzehnt dauern und insofern ist es auch da riskant, darauf blind zu wetten.
Bei einzelnen Aktien und selbst ganzen Sektoren, kann man aber selbst davon nicht ausgehen und es verschwinden weit mehr Unternehmen und auch Sektoren im Vergessen und fallen ins Bodenlose, als wir in der oberflächlichen Wahrnehmung glauben.
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Dieses Verhalten beruht auf dem schon oben im genannten Artikel besprochenen "Referenzeffekt" (Ankereffekt) in unseren Hirnen. Wir empfinden einen Kurs mit einer weit höheren Referenz in der Vergangenheit, instinktiv als "sicherer" und "chancenreicher", als einen Kurs, der auf Höchstständen notiert, weil er Teil eines starken Aufwärtstrends ist. Dabei ist das eine völlige Fehlinterpretation von dem was Kurse sind und es ist zu oft in der Realität genau anders herum!
Heute ist so ein Beitrag mal wieder fällig, damit die Prinzipien nicht in Vergessenheit geraten.
Immer wieder habe ich wiederholt und bewiesen, dass Fundamentaldaten kein Mittel zum Timing sind und wegen ihres prinzipiellen Nachlaufs, bei abstürzenden Unternehmen oft dann die "besten" Zahlenwerte liefern, wenn diese gerade massiv zu fallen beginnen. Wer attraktive Aktien primär danach auswählt, ob sie ein "attraktives" KGV oder KUV haben, wird damit also zuverlässig keinen Erfolg haben - im besten Fall schadet es nicht, nützt aber auch nichts.
Trotzdem ist genau das bei Laien eminent beliebt und kaum auszurotten, weil es von den Medien der "Börsenpornographie" immer wieder in die Welt gesetzt und als "Value-Anlage" verkauft wird - was für ein Blödsinn!
Ich bin sicher, immer wieder kommt mit neuen Mitgliedern diese Überzeugung in den Blog und muss erst mühsam korrigiert werden. Und genau diese Menschen sind dann besonders gefährdet, wenn eine ehedem erfolgreiche Aktie zu fallen beginnt, weil dann viele Kennzahlen plötzlich "billig" schreien, dummerweise aber sehr oft eine reine Honigfalle für kleine Bienchen sind. Erinnert sich noch jemand an die 2013er -> Honigfalle Commerzbank <-, die damals auch von ganz vielen Bienchen umschwirrt wurde, weil ja so "billig"?
Eigentlich sollte man sich aber die Absurdität schnell klar machen können. Denn wenn einfache Indikatoren mit ihren leicht vergleichbaren Zahlen ausreichen würden, eine "unterbewertete" Aktie zu identifizieren, was sagt das über die tausend anderen Marktteilnehmer aus - ich gehöre da dazu - die auch nach attraktiven Gelegenheiten schauen?
Das müssen also alles Idioten sein, die zu doof sind zweistellige Zahlen abzulesen - mich eingeschlossen - und man selber ist der einzige kluge Schatzsucher im Markt. 😛 Lächerlich, aber so wird gedacht, weil es das Ego pampert - eigentlich kaum zu glauben.
Im umgedrehten Fall habe ich das ja hier immer wieder zum -> Fall Amazon <- thematisiert, die nach diesen Kennziffern ja immer viel zu "teuer" waren. Schon 2013 habe ich das geschrieben und natürlich von einigen die gleiche Skepsis geerntet, wie in den Folgejahren auch. "zu teuer" - LOL!
Das Missverständnis liegt daran, dass einer Bewertung etwas "objektives" anhaftet, was diese aber nicht ist. Jede Bewertung ist Ausdruck des Konsens der Erwartungen des Marktes. Und sonst nichts. Der Erwartungen!
*Jede* Bewertung des Marktes ist erst einmal "richtig" und ernst zu nehmen, solange wir nicht wirklich belastbares und tiefgehendes Wissen besitzen, das diese Bewertung als fehlgeleitet identifiziert.
Und solches "Herrschaftswissen", kann entweder mit Insiderkenntnissen, oder eben sehr viel Fleiß und Beschäftigung mit der Aktie kommen. Umsonst kommt es nicht, sonst hätte es jeder und wenn alle wissen, dass die Aktie mehr wert ist, ist sie auch schon im Kurs höher, weil der genau die Erwartungen einpreist.
Märkte irren sich also sehr wohl, sie können Aktien über- und unterbewerten. Die wenigen Fällen echter Unterbewertung heraus zu selektieren, ist aber eine Aufgabe, bei der nur die Besten und Fleissigsten eine Chance haben - echte Value-Investoren die tief in die Unternehmen einsteigen und keine Indikator-Ableser mit zu viel Ego.
Für uns sind Bewertungen des Marktes also erst einmal richtig und wenn zwei Aktien eine Bewertungsdifferenz haben, gibt es dafür einen sinnvollen Grund, den wir nur noch nicht kennen.
Es kommt aber noch schlimmer für die "Kennzahlen-Ableser", denn das ist noch der einfache Fall eines Unternehmens mit einer stabilen Bewertung, die man hinterfragen kann.
Gefallene Engel aber, haben wegen der prinzipiell zeitlich nachlaufenden Fundamentaldaten noch ein zusätzliches Problem. Die Kennzahlen können noch einen Zustand vorgaukeln, der gar nicht mehr real ist.
Denn Kurse werden durch die Zukunft bewegt, durch Erwartungen um genauer zu sein und *nur* die Erwartungen können eine abstürzende Aktie auch wieder zum Rebound bringen. Frische Fundamentaldaten der nahen Vergangenheit, können zwar sehr wohl die Erwartungen verändern, weil der Markt sieht, dass er die Aktie vielleicht zu negativ betrachtet hat. Es sind dann aber immer noch Zukunftserwartungen, die die Kurse bewegen - in dem Fall bessere als vorher, weswegen der Kurs steigt.
Kommen wir zum ersten Beispiel:
Steinhoff (SNH), was wurde nach dem ersten Absturz nicht alles geraten, ob das nun eine "Gelegenheit" sei!
Wir hatten da doch eine Aktie, die kurz davor war in den DAX aufgenommen zu werden, das muss doch seriös sein. Und dann soll da eine Bilanzmanipulation sein und der Kurs raucht massiv ab, das ist doch eine Gelegenheit!
Ja, es war eine Gelegenheit. 😉 Die Beste, um noch mit einem Rest an Kapital aus dem Ding heraus zu kommen. 😛
Das heisst ja nicht, dass so ein Fall wie Steinhoff sich nicht auch positiv auflösen kann, wir wissen es nur nicht und sind nicht klüger als der Markt!
Und in den Wochen nach dem Einbruch, hatte Steinhoff sensationelle Fundamentalkennziffern - eben weil diese die Vergangenheit beschreiben. Fundamentalkennziffern waren und sind zur Einschätzung so einer Situation eben völlig sinnlos.
Kommen wir zum zweiten Beispiel - SunEdison (SUNE). Die Firma hat -> 2016 Insolvenz angemeldet <-
Auch hier konnte man sich das lange nicht vorstellen und hat an eine Chance geglaubt, immerhin stand ja mit David Einhorn ein "Investment-Star" mit seinem Kapital dahinter.
Dummerweise kann eine Firma auch einfach dadurch Pleite gehen, dass Rechnungen temporär nicht mehr bezahlt werden - Liquiditätsmangel.
Eine Firma kann die tollsten Assets haben und ein KBV von 0,1 - ein "Schnäppchen" also 😛 - wenn aber in einem Liquiditätsloch die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können, dann wars das! Das versteht Otto Normalanleger aber nicht, der ein geringes KBV perse gut findet.
Auch bei SUNE haben Fundamentaldaten die falschen Signale gegeben, wenn überhaupt hätte eine Beschäftigung mit der Verschuldungssituation Erkenntnisse gebracht, was aber auch schwierig ist, weil Schulden und Schulden sind verschiedene Dinge und man muss schon tief in die Bilanzen herein und große Fachkompetenz besitzen, um da Honig heraus zu ziehen und gut und schlecht überhaupt unterscheiden zu können.
Da die Firma Pleite ist und Aktionäre alles verloren haben, gibt es keine Charts mehr, aber ich kopiere mal einen meiner letzten Kommentare -> aus diesem Beitrag von 2016 <- herein:
Sunedison (SUNE) steht nun übrigens kurz vor Chapter 11 (Insolvenz). Pinnen Sie sich dieses Chart neben Ihren Bildschirm und schreiben Sie: Tiefer geht immer und erst bei Null ist Schluss dazu, damit Sie resistent gegen vermeintliche Verlockungen werden, wenn mal wieder etwas abstürzt und "billig" aussieht. Denn "wo Rauch ist, da ist auch Feuer" und wenn der Markt eine Aktie so brutal abverkauft, hat das einen Grund und wir sind in der Regel eben *nicht* schlauer!
Hier war es also zu hoher "Leverage", die Firma ist unter dem Druck der Expansion zusammengefallen wie ein Kartenhaus, weil es diese nicht mehr finanzieren konnte.
Banken, die das finanziert haben, haben es nicht gesehen und Kredite gegeben. Starinvestoren haben es unterschätzt. Wir können es aber erkennen, weil wir ein paar Kennziffern anschauen. 😉 An der Stelle müssen Sie jetzt laut lachen oder betreten wegschauen, es dann aber in Zukunft bitte besser machen. 😀
Und damit kommen wir zum dritten und dieses Mal aktuellen Fall: Kraft Heinz (KHC) - die Ketchup-Aktie.
Fragen Sie aktuell einen börseninteressierten Privatanleger und Sie bekommen zuverlässig eine Argumentation entlang der Linie: Ketchup braucht man immer, die kommen schon wieder. Und immerhin ist Buffett ja drin.
Dann haben wir noch 5% Dividende und ein KBV von 0,72, echter "Value" also und klar, die anderen die das nicht sehen, sind Idioten. 😛 Und dann kauft man, weil das ist doch eine geniale Chance und man ist der wiedergeborene Benjamin Graham, der "wahre Werte" erkennen kann - im Gegensatz zur Mehrheit des Marktes.
Diese Argumentation ist übrigens umso sicherer, je -> meinungsstärker <- der Anleger ist.
Auch bei KHC müssen also alle irgend ein Brett vor dem Kopf haben, denn die verkaufen weiter gnadenlos und sehen keine Sonne im dunklen Tunnel. Auch gestern im starken Markt, ging es wieder gnadenlos um 2% abwärts:
Gedrittelt hat sich das Ding mittlerweile. Nun kann man im Chart argumentieren, dass die Volumensignatur der letzten Woche vielleicht eine Wende indiziert. Ja das kann sein, sie ist aber eben noch nicht da. Noch geht es weiter runter und das zählt.
Da stellt sich doch die Frage, warum diese ganzen "Idioten" diese "Perle" so abverkaufen. Und das liegt daran, dass diese "Idioten" tiefer sehen als Otto Normalanleger und eine bessere Argumentation als das reine Vertrauen in eine "Buffett-Aktie" haben.
Die sehen nämlich durchaus die Gefahr, -> dass KHC in 2020 der Cash ausgeht <- und deshalb fällt der Kurs so. Auch hier also wieder ein überschuldetes Unternehmen - SunEdison reloaded anyone? 😛
"Aber Buffett?" sagt da der Anleger, der gerade noch Benjamin Grahams Wiedergeburt war. "Papperlapapp Buffett!" sage ich dazu!
Wir wissen gar nicht, ob der noch drin ist, die nächsten Meldungen seiner Holdings kommen nur einmal im Quartal und sind immer Wochen alt. Auch andere Aktien wie IBM hat er schon verkauft, warum also nicht KHC? Wir wissen es schlicht nicht!
Nun kann es fraglos sein, dass KHC tatsächlich eine Chance ist, ich weiss das auch nicht. Manche schwache Aktien gehen Pleite, andere erholen sich aber. Ich finde die Chance bei KHC auch gar nicht so unwahrscheinlich, weil das Volumen der letzten Wochen lässt schon aufhorchen.
Mein Punkt ist also nicht, hier eine Pleite herbei zu reden, mein Punkt ist klarzumachen, dass wir es nicht wissen und nicht klüger als die instítutionellen Anleger im Markt sind, die den Kurs von KHC immer noch so nach unten treiben und KHC bewerten, wie sie KHC bewerten.
Denn tiefer geht immer und erst bei Null ist Schluß.
Interessant ist KHC dann für uns, wenn auch die Institutionellen hier plötzlich eine Chance sehen. Wenn also gut informierte Investoren zu kaufen beginnen. Man nennt das auch "Akkumulation" im Chart und wir haben darüber im Blog schon gesprochen.
So eine Aktie wird vielleicht interessant, wenn der Kurs noch tief unten ist, aber man schon sieht, dass da jemand massiv kauft und die Aktie zu steigen beginnt. Und/oder wenn wir in der Price-Action "Akkumulation" erkennen können und eine Bodenbildung in die Spätphase eintritt.
Das nennt man dann auch eine "Wendeformation", dann wird es interessant. Vielleicht ist das bei KHC auch schon in ein paar Wochen der Fall, vielleicht auch nicht - wer weiss. Wenn der Fall eintritt, werde ich mich dafür interessieren. Dieser Tag ist aber nicht heute.
Heute bin ich aber nicht klüger als der Markt, durch Betrachten von ein paar Kennziffern schon gar nicht.
Denn wo Rauch ist, da ist auch Feuer. Amen.
Ihr Hari
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1 Gedanke zu „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer!“