Manche stellen sich das mit dem "reich werden" ganz einfach vor. Man muss "nur" ganz früh eine neue Apple oder Microsoft erkennen und dann einfach dabeibleiben und dann kann man "stinkreich" werden.
Diese klischeehafte Vorstellung geht also davon aus, dass man nur klug genug sein muss frühzeitig neue Trends zu erkennen, dabei die Gewinner selektieren und man hat ausgesorgt. 😉
Nun gut, versuchen wir das mal. Da gibt es doch einen Sektor der recht sicher vor einem immensen Boom in den kommenden Jahrzehnten stehen wird und das ist die Raumfahrt.
Um sich den Boom vorzustellen, muss man gar nicht an so exotische Szenarien wie die Besiedlung des Mars oder den Abbau von Rohstoffen auf Asteroiden denken, das wird sicher noch mehr als ein Jahrzehnt dauern, auch wenn manche das bedauern werden.
Nein, es genügen schon die Anwendungen im erdnahen Raum einerseits ziviler Natur (Starlink, Hypersonic Travel etc), aber auch nicht zu unterschätzen militärischer Natur, die sich aus dem Wettbewerb zwischen den US und China zwangsläufig ergeben werden.
Bis vor einem guten Jahr, war das Feld der reinen Raumfahrtaktien an der Börse noch sehr, sehr dünn. Klar, da gab es schon immer die großen Aerospace&Defense Konzerne wie Boeing (BA), Airbus (AIR), Lockheed Martin (LMT) oder Northrop Grumman (NOC), die aber alle bestenfalls am Rande "auch" was mit Raumfahrt machen. Echte "Pure Plays" sind das aber nicht und auch keine Kandidaten um die "Apple der Raumfahrt" zu werden.
Dann gibt es natürlich SpaceX, die Firma von Elon Musk, mittlerweile der faktische Marktführer im Sektor. SpaceX ist aber nicht börsennotiert und wird es auch so schnell nicht werden, weil Elon Musk sich in seinem wahren Lebensprojekt nicht erneut der Ungeduld des Kapitalmarktes und Shortsellern aussetzen will. Für die riesigen Investitionszyklen der Raumfahrt braucht es Geduld und Ruhe.
Wir hier bei Mr. Market verfolgen Elon Musks Weg zum Mars schon immer großer Faszination und Aufmerksamkeit, schon 2012 gab es umfangreiche Artikel dazu:
-> Elon Musk, der Mann, der mit Visionen nicht zum Arzt muss <-
Von SpaceX abgesehen blieben aber bisher nur sehr wenige reine Raumfahrtaktien, wie die deutsche OHB Systems, Aerojet Rocketdyne (AJRD) oder Maxar Technologies (MAXR) und mit Virgin Galactic (SPCE) hatte sich schon der erste Raumfahrt-Touristiker am Aktienmarkt versucht. Daneben gab es noch diverse klassische Satelliten-Aktien wie Iridium (IRDM), Orbcomm (ORBC) oder Trimble (TRMB).
Das wars dann aber weitgehend schon - bis vor einem Jahr.
Denn an der Börse hat sich da zuletzt Goldgräberstimmung ausgebreitet, unzählige kleine und in Deutschland kaum bekannte Unternehmen sind via SPACs im letzten Jahr an die Börse gegangen und hoffen alle darauf, am Ende sozusagen zur "Apple der Raumfahrt" zu werden.
Hier ist eine nicht notwendigerweise vollständige Liste solcher reiner Raumfahrtnamen, wer ernsthaft an der Raumfahrt interessiert ist - wie wir hier bei Mr. Market - kennt diese, für die große Mehrheit sollten diese Namen aber unbekannt sein:
- Rocket Lab (RKLB)
- Astra Space (ASTR)
- Momentus (MNTS)
- Redwire (RDW)
- Virgin Orbit (VORB)
- Planet Labs (PL)
So ... jetzt könnte man naiv meinen, aus diesem Kreis der neuen Namen plus SpaceX und den anderen alten Namen werden die großen Gewinner eines Sektors kommen, der seinen Umsatz in den kommenden Jahrzehnten sicher ver-x-fachen wird.
Hach ... wenn es mal so einfach wäre. 😛
Um das zu verstehen reicht nicht einmal ein Blick auf die Kursentwicklung einer Virgin Galactic (SPCE), weil solche wilden Swings sind völlig normal in den Anfangsjahren:
Nein, es ist viel schlimmer, denn es ist eine naive Vorstellung zu glauben, dass am 12. Dezember 1980, als der unnachahmliche Steve Jobs himself mit Apple an die Börse gegangen ist, schon ansatzweise klar war, dass die Apple daraus werden würde, die wir heute kennen.
Schauen wir uns doch zunächst mal das Chart der ersten vier Börsenjahre an. Na, erkennen Sie SPCE wieder? 😛
Eigentlich schien die Zukunft von Apple 1985 schon vorbei, als IBM den PC in den Markt presste. Und jetzt schauen wir uns das mal langfristig an, dabei bin ich noch gnädig und nutze logarithmische Darstellung, was den Anstieg in den Depots optisch dämpft, der monetär gesehen aber ungefähr den Faktor 3.000 beinhaltet.
Aus zehntausend Dollar 1985 wurden also 30 Millionen Dollar 2022 - ohne Dividenden:
Beweist das nun, dass man SPCE oder einen der anderen Namen wie RKLB einfach auf den aktuellen Tiefs kaufen sollte?
Weit gefehlt, denn Apple ist vom Schlage "einer kam durch". Kennen sie heute auch noch: Altavista, DEC, Compaq, AOL, Compuserve, Napster, Real Networks, Atari, Sinclair, Commodore, Iomega, Netscape, Wang Laboratories, Palm oder 3dFX?
Die waren auch überwiegend börsennotiert und sind doch alle vergangen. Dabei waren das noch die Besseren der IT-Geschichte der 80er und 90er Jahre, die Straßen der Geschichte sind gepflastert mit aussichtsreichen IT-Unternehmen die es nicht geschafft haben, die nicht zu einer Art Apple wurden.
Und noch ein Stück schlimmer, auch Apple war kurz davor zu verschwinden, Jobs war raus, das Management hatte Apple Anfang der 90er Jahre vor die Wand gefahren und es war nur einem glücklichen Zufall und -> finanzieller Hilfe von Bill Gates <- geschuldet, dass Apple dann wieder mit Jobs an der Spitze die 90er Jahre überleben konnte.
Ohne dieses Glück, hätte es das iPhone nie gegeben und Apple wäre den Weg der Sinclairs und Ataris gegangen. Von diesem Chart oben der 80er Jahre ausgehend, hat es also *20 Jahre bis 2003 gedauert*, bis sich die dominierende Apple herausschälte, die wir heute kennen. Würden sie sich das bitte klarmachen, was das heisst?
Es ist aber noch viel schlimmer, wie sehr Zufall und Chuzpe den Unterschied machen und weniger die Güte der Produkte, sollten sie unbedingt in dieser spannenden Darstellung -> des Mannes, der das PC-Betriebssystem erfand <- nachlesen.
Dass Windows im ersten Jahrzehnt vor allem eine technologische Krücke und ein Ärgernis war, ist älteren ITlern sicher noch bekannt, dass aber vielleicht nicht mal MS-DOS eine kreative Leistung von Microsoft war, sondern möglicherweise zu guten Teilen von CP/M abgekupfert, wissen weniger.
Es lohnt sich also wirklich diesen guten Artikel zu lesen, weil ihnen dann klar wird wie sehr Bill Gates Chuzpe und Zufälle die Geschichte der IT verändert haben. Hätte die Frau von Gary Kildall damals einfach die Vereinbarungen von IBM unterschrieben, wäre die IT-Welt heute eine andere und wir würden uns vielleicht "Bill Who?" fragen.
Glauben sie also immer noch, dass man "nur" einfach frühzeitig die Gewinner erkennen muss? Was für eine absurde, naive Vorstellung!
Auch das Investieren in Zukunft funktioniert nicht mit blindem Buy&Hold, sondern nur mit aktivem Handeln und gutem Risikomanagement!
Womit wir wieder zur Raumfahrt kommen. Denn leider sind in so frühen Wachstumssektoren mehrere Dinge gleichzeitig wahr, die man auch in den 80ern über den aufstrebenden IT-Sektor hätte schreiben können:
- Es ist hochwahrscheinlich, dass der Sektor über die kommenden Jahrzehnte vor immensem Wachstum und einer großartigen Zukunft stehen wird.
- Es gibt *keinen* Weg heute fundamental vorherzusagen, welche Unternehmen in 20 oder 40 Jahren den Raumfahrt-Sektor so dominieren werden, wie Apple oder Microsoft heute die IT-Welt.
- Es gibt *keinen* Weg aufgrund der nur kurz existierenden Charts irgendwelche langfristigen Schlüsse zu ziehen. Egal wie das heute schwankt, es kann ganz anders kommen.
- Es ist nicht einmal klar, dass überhaupt ein einziges der heutigen Unternehmen in 20 Jahren noch existiert.
- Es ist wahrscheinlich, dass mindestens 90% der heutigen Unternehmen wieder verschwinden. Bei ein paar der Namen oben hat man derzeit den Eindruck, dass das gar nicht mehr lange dauern wird.
Na, wollen sie immer noch in solche Sektoren investieren? 😛 Meine vielleicht erstaunliche Antwort ist:
Das kann immer noch Sinn machen und Spaß obendrein. Auch in den 80ern hat es Sinn gemacht. Aber nur auf zwei Arten:
Entweder kaufen sie via ETF gleich den ganzen Sektor und warten einfach ab, erste ETFs gibt es dafür in den US. Wir hier in Europa werden dabei von Mifid II gegängelt.
Oder sie kaufen sich als wirklich am Sektor Interessierter und Kenner der Raumfahrt einen eigenen Basket (Korb) an Unternehmen zusammen, den sie aber sehr genau verfolgen und immer wieder anpassen. Sie nehmen also aktiv an der Entwicklung dieser potentiellen "Apples" teil, inklusive im übertragenen Sinne des Abgangs von Steve Jobs und diverser Jahre des Elends.
Der erste Weg ist geeignet für normale Anleger, die einfach ein bischen Zukunft im Depot liegen haben wollen und einen langen Atem besitzen.
Der zweite Weg ist für echte Raumfahrt-Kenner, die die Entwicklung des Sektors hautnah verfolgen. Bei Mr. Market sind sie da genau an der richtigen Stelle.
Einen Weg sich einfach eine Einzelaktie ins Depot zu legen und dann schlafen zu gehen, gibt es bei solchen Zukunftssektoren aber nicht, das ist kompletter Unfug.
Ich wünsche gutes Investieren. Occupy Mars!
Ihr Michael Schulte (Hari)
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