Vor fünf Jahren habe ich ihnen -> hier <- einen Titel mit einer Pointe geschrieben, die ziemlich wichtig ist. Genau genommen ist sie sogar *der heilige Gral der langfristigen Geldanlage*, wobei es den ja nicht gibt, also sagen wir lieber: die wichtigste Grundregel bei der Selektion von Aktien.
Heute nach mehr als 5 Jahren komme ich wieder mit dem alten abgehangenen Artikel und wieder wird ihn die Mehrheit nicht lesen, weil er so abstrakt ist. Was ist denn auch ONE und TWO, was soll das? Kann man das nicht in Twitter-Kürze mit 256 Zeichen sagen? 😀
Nö, kann man nicht. Wobei kann man schon, das Fazit ist schnell gesagt. Nur würde es dann nicht wirklich im Bewusstsein ankommen, es würde sich einreihen in die endlosen Kurzhäppchen, die einen im Laufe eines Tages überschwemmen und letztlich Erkenntnis verhindern, weil sie die Kanäle dafür "verstopfen". Sagen wir also lieber, ich *will* das nicht so sagen, weil ich die erreichen will, deren Aufmerksamkeit nicht nach 5 Zeilen abbricht.
Also nur zu, klicken sie lieber auf spannendere Dinge, hier gibt erstmal nur ONE und TWO, bevor ich das auflöse.
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Upps ... da liest ja doch jemand weiter. Das freut mich!
Für *sie* mache ich das hier und nun lassen sie sich mal bitte auf die Worte aus 2017 ein, es wird Ihnen nicht schaden. Auch nicht, wenn sie die Pointe schon kennen, denn doppelt und dreifach genäht hält besser. Am Ende mache ich dann noch ein 2022er Update, ist doch immer spannend wie es weitergegangen ist.
----------------- 17.05.2017 ------------------
Ich verrate ihnen etwas. Ganz "kostenlos". Es ist ein richtiges "Geheimnis". Wenn Sie das in Zukunft mehr befolgen, werden ihre Anlageergebnisse deutlich besser werden.
Und ich sage ihnen noch etwas. Sie werden es wahrscheinlich trotzdem nicht befolgen, weil sich in ihnen etwas dagegen sträubt. Und wenn Sie doch zu den ganz Wenigen gehören, die dieses Sträuben in sich erkennen, reflektieren und sich davon lösen können, *dann* werden ihre Anlageergebnisse wirklich besser. Aber nur dann. 🙂
Ich stelle ihnen nun zwei Aktien zur Auswahl. Beide haben in der 2008er Krise deutlich korrigiert.
Die eine Aktie - nennen wir sie ONE - hat in der Krise massivst korrigiert, sie wurde geradezu geschlachtet. Diese Aktie hat wenig Erwartungen in sich, der Markt traut ihr nicht so viel zu.
Und wir haben eine andere Aktie - nennen wir sie TWO - die hat in der Krise weniger korrigiert. Denn der Markt vibriert voller Erwartungen und traut der Aktie viel zu. Ihnen begegnet das Unternehmen TWO auch zunehmend im täglichen Leben, aber es hat noch keine Dominanz und einige Fragezeichen. ONE dagegen ist allen bekannt, grundsolide und machte grosse Gewinne, die aber in der Krise ebenso massiv zusammengeschnurrt sind.
Welche Aktie kaufen Sie instinktiv, weil Sie sich dabei sicherer fühlen und weil die Aktie mehr Aufholpotential hat? Welche Aktien kaufen Sie instinktiv, weil sie "billiger" aussieht und sich für Sie besser anfühlt?
Natürlich ONE - keine Frage.
Fast Forward 5 Jahre. TWO nimmt eine sensationelle Entwicklung. Das Chart sieht seit der Krise sieht nun so aus:
TWO hat sich in 5 Jahren von 40 auf 400 *verzehnfacht*! ONE dagegen hat sich wie erwartet entwickelt, ist etwas wieder hoch gekommen, so 30% und hat einige schöne Dividenden generiert. Feine Sache, hängt aber dem Markt relativ hinterher.
Sollte man TWO jetzt kaufen?
Ihre Antwort in diesem Moment: Ich bitte Sie! Jeder vernünftige Anleger kann nur sagen, dass TWO viel zu weit gelaufen ist. Keine Aktie kann ewig steigen, die *müssen* nach Faktor 10 jetzt korrigieren. TWO ist nun zwar zur internationalen Grösse geworden, aber gerade deswegen kann man die Aktie nicht mehr kaufen, wo ist denn da jetzt noch das Potential?
TWO jetzt zu kaufen ist indiskutabel, die sind viel zu teuer. Das KGV ist irgendwo bei 100, da lacht man sich ja tot! Nein, Sie bleiben bei ONE mit seinem KGV von 9, weil Sie ein kluger Anleger sind. Richtig?
Fast Forward 4 Jahre. Das Jahr 2017. Das ist TWO nun und das Jahr 2013 mit einem Kurs von 400 und dem Chart von oben ist auch markiert.
1.000! Was zur Hölle ist da los?
Und ihre ONE? Leider wurden durch politische Entscheidungen die vermeintlich sicheren Margen zerstört und die Aktie ist abgeschmiert, was selbst die Dividende nicht ausgleichen konnte. Vielleicht war ONE ja ein deutscher Versorger? Wer weiss. 😉
Aus 10.000€ mit ONE wurden also 9.000€ inklusive Dividenden.
Aus 10.000€ mit TWO wurden also 250.000€ ohne Dividenden.
Was lernen wir daraus?
Nun, zunächst einmal werden sie einwenden, dass das ja nur plakative Einzelfälle sind und damit gar nichts bewiesen ist. Stimmt völlig! Sie haben Recht! Was ich oben gemacht habe, ist immens plakativ, um bei ihnen überhaupt Aufmerksamkeit zu erzeugen und einen emotionalen Punkt zu machen, es kann ohne Frage auch genau anders herum ausgehen.
Eine TWO kann eben auch abschmieren und die Hoffnungen sich als Luftblase heraus stellen und eine ONE kann plötzlich zum Leben erweckt werden. Stimmt völlig. Sind alles Einzelfälle, hat alles nichts mit nichts zu tun. 😉
Die Kernfrage ist aber nicht der Einzelfall, sondern was die Statistik sagt. Wenn wir also 2 Aktien mit einem Profil wie ONE und TWO haben, wie oft wird die eine dann 5 Jahre später besser gelaufen sein, als die andere?
Meine klare Behauptung ist: Aktien vom Typ TWO werden statistisch deutlich besser gelaufen sein als Aktien vom Typ ONE. Punkt!
Aber ich kann das Obige nicht einmal "beweisen", weil ich dazu zehntausende Aktien mit ihren Strukturen gegeneinander auswerten müsste. Sie haben also die Wahl, entweder glauben sie mir das jetzt, was ich Ihnen da nun so plakativ sage, oder sie lassen es bleiben. So einfach. 😀
Aber zumindest Eines kann ich Ihnen versichern. Was ich Ihnen nun sage, deckt sich bei mir mit 25 Jahren Erfahrung und vielen Statistiken über eigene Handlungen.
Hier sind diese Regeln meiner Erfahrung:
- Etwas zu kaufen, alleine nur weil es stark gefallen ist, ist dumm. Tiefer geht immer, das nennt man Trendfolge.
- Etwas zu kaufen, das steigt und stark ist, ist eine bessere Idee. Höher geht immer, das nennt man Trendfolge.
- Es gibt immer einen guten Grund, warum etwas sehr stark gefallen ist, sonst würde der Kurs nicht fallen.
- Der Markt weiss in der Regel mehr als wir. Wenn der tut, was wir nicht verstehen, sind wir die, denen Wissen fehlt und nicht umgedreht.
- Stärke gebiert Stärke. Wie eine schwache, hat auch eine starke Aktie Gründe, die nicht so schnell weggehen und den Kurs weiter treiben.
- Es gibt kein "billig" für uns, denn dazu müssten wie mehr über die Aktie wissen, als der Markt der sie so bewertet. Wissen wir das?
- Es gibt kein "teuer" für uns, denn dazu müssten wir mehr über die Aktie wissen, als der Markt, der sie so bewertet. Wissen wir das?
- Als langfristiges Investment gibt es nur zwei Arten von Aktien für uns. Starke Aktien, mit gut funktionierendem Geschäftsmodell und positiven Aussichten. Und solche, die wir nicht im Depot haben.
Kurz und knapp, kaufen sie in Zukunft eher TWO. Und sichern sie unter dem Trend ab. Einzelne Investitionen werden nicht funktionieren und sie mit Verlust verkaufen, nichts ist 100% sicher am Markt. Aber im Saldo werden sie durch den Kauf von starken Aktien ein besseres Ergebnis erzielen, als durch das vermeintlich "billige" Sammeln von "Gurken",
Stärke gebiert Stärke und tiefer geht immer.
Wenn man so will, ist das die Zusammenfassung von mehr als 25 Jahren empirischer Erfahrung. Statistisch "beweisen" kann ich es immer noch nicht. Glauben sie es, oder lassen sie es bleiben.
Übrigens, wen es interessiert, TWO war Amazon. Das Thema hatten wir ja schon und zwar -> hier 2013 <- und -> hier 2016 <-. 😉
Und glauben sie ja nicht, es gäbe nur Amazon mit solchen Charts, ich habe Amazon nur wieder benutzt, weil ich die Aktie hier schon zweimal als Proxy für das Thema hatte. Wir zeigen uns in der Community immer wieder solche Charts, vielleicht nicht alle mit Faktor 20 seit 2008, das ist schon extrem. Aber Faktor 5-10, das bekommen wir schon öfter hin, während die Indizes in dieser Zeit vielleicht Faktor 3 generiert haben.
Schauen Sie nur mal auf die hier schon besprochene -> Thermo Fisher Scientific (TMO) <-. Von 27 auf 172 oder Faktor 6,4 - nicht so ganz schlecht.
Aber sie werden bestimmt wieder ONE wählen, weil die sind ja so tief gefallen und nun so "billig". Oder doch nicht?
Vielleicht überraschen sie sich ja jetzt selbst und analysieren nun mit kaltem Verstand das, was sich in Ihrem heissen Herzen gegen meine Worte oben sträubt. Dann sollten sie hier unbedingt im Blog weiter lesen. Unbedingt!
Ihr Hari
PS: Jetzt - in 2017 - ist TWO natürlich zu weit gelaufen. Und ONE kommt wieder. Ganz sicher!? 😛
----------------- 12.11.2022 ------------------
PPS: 5 Jahre später.
Den Zeitpunkt des Artikels habe ich unten im Chart markiert, fast 5 Jahre lang ist Amazon noch weitergelaufen und hat sich vom Artikel aus von 46,39 auf 188,65 am Hochpunkt noch einmal vervierfacht und in Summe auf dem Zeitstrahl seit 2008 *verhundertfacht*!
Dann kam im Januar 2022 der Trendbruch, zu dem man das Risikomanagement greifen lassen musste und verkaufen oder zumindest die Position reduzieren. Denn alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Und *jede* Aktie braucht ein Risikomanagement, auch die Besten!
Manche faseln dann ja davon, dass "Timing" ja nicht funktionieren würde, was durchaus stimmt, wenn "Timing" so verzerrt als Variante der Glaskugel-Betrachtung missverstanden wird. Aber was ein Trend ist, kann man schon lernen und ihn zu überwachen auch, weil es dafür konkrete, nachvollziehbare Parameter gibt. Da im Chart haben sie ihr "Timing", das kann jeder, wenn er das Brett vor dem Kopf beiseite schiebt. 😛
Und da haben sie ihn den "heiligen Gral" der Investments in Aktien.
Und diese Regel wird in dem neuen, bevorstehenden Bullenmarkt, der sich auf den aktuellen Bärenmarkt anschließt, auch wieder ganz genau so funktionieren:
Investieren sie kompromisslos in starke, beständig wachsende Aktien mit gut funktionierendem Geschäftsmodell und positiven Aussichten. Folgen sie deren Aufwärtstrends solange sie andauern. Und verkaufen sie dann, wenn der große, übergeordnete Langfristtrend bricht, denn das tut der nur, wenn das Geschäftsmodell eine echte Delle hat.
So "einfach" ist das eigentlich. Warum tun es dann so Wenige? Die Antwort liegt in der Psychologie, dem "Affenhirn" in uns, aber das ist eine andere Geschichte.
Aktuell befinden wir uns vielleicht in den letzten Schleifen eines größeren Bärenmarktes, auf den sich wieder eine längere, bullische Phase anschliessen wird. Unsere Aufgabe als Anleger ist nun, genau diese neuen "Amazons" zu finden und dann deren Trends zu folgen. Erkennen werden wir sie wieder über ihre konsistente Stärke, nicht über nachlaufende Kennzahlen. Und nein, die alten Gewinner einer vergangenen Marktphase sind in der Regel *nicht* die neuen Leader eines neuen Bullenmarktes!
Auch wenn das völlig konträr zur gerne betriebenen "Schnäppchensuche" ist, die von einem absurden Zerrbild des "Value-Investing" in vielen Köpfen erzeugt wurde, die aussichtsreichsten Aktien nach einem Bärenmarkt sind die, die konsistent immer wieder neue Hochs generieren, die über Monate nach dem Tief *besonders stark* sind!
Anlagegeschichte reimt sich, daher leider auch die immer gleichen Fehler der Anleger. Gehören sie bitte zu denen, die lernfähig sind. 😉
Ihr Michael Schulte (Hari)
*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***
Hallo Hari,
ein wirklich wichtiger Artikel! (den ich übrigens noch gar nicht kannte…)
Im Prinzip weiß ich das ja – und trotzdem verlasse ich hin- und wieder diesen Pfad und denke, dass ein bisher starker Leader schon wieder in sein altes Muster zurückfinden wird. Nehmen wir beispielsweise AAPL. Die sind aus meiner Sicht die letzte Zeit auch heftig unter die Räder gekommen – aber ich glaube trotzdem, dass sie noch viel Potential haben. Nun sind sie zwar auch *teuer*, aber vielmehr ist es doch die immens Marktkapitalisierung, die Bremsen dürfte. Wäre das aus deiner Sicht trotzdem noch ein Kandidat für ein gutes Investment oder lieber konsequent Ausschau nach neuen Leaders halten?
Danke. Stellst Du die Frage bitte im Forum? Da beantworte ich sie gerne.
Guten Morgen, toller Artikel
Ich gehöre auch eher zu den Buy and Hold Anlegern, nur stellt sich mir die Frage, wie erkenne ich eine neue „Amazon“ rechtzeitig?
Ist vielleicht doch nicht so einfach wie es in reiner Textform widerzuspiegeln scheint.
Danke Hari, das hier ist ein genialer Block.
Doch, das ist gar nicht so schwer. Schauen sie in den Link von 2013 und fragen sich, was daran „schwer“ war das 2013 zu sehen? Danach ist Amazon noch 8 Jahre gestiegen.
Was es schwer macht ist eher unser „Affenhirn“, das falsche Prioritäten verfolgt. Wer an der Börse Erfolg will, muss sich dem stellen oder wird scheitern wie so viele.