Omicron – Wie Erwartungen die Kurse machen

Ich habe hier immer wieder erklärt, wie -> Erwartungen <- die Kurse bestimmen und nicht die Nachrichten selber, die Nachrichten sind nur der Katalysator, der die Erwartungen verändert.

Besonders schön sind daher Tage wie der heutige Freitag, an denen die neue Covid-Variante B.1.1.529 (Omicron) nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Markt bestimmt. Denn an diesen Tagen kann man die Wirkung von Erwartungen exemplarisch beobachten und das will ich heute kurz mit ihnen tun.

Es gab am heutigen Freitag scharfe Abgaben querbeet und es wurde die bekannte Covid-Logik am Markt gespielt, die klassischen "Stay-at-Home"-Aktien wurden ebenso scharf gekauft, wie die medizinischen Profiteure im Bereich Labordiagnostik, manche dabei zweistellig. Und alles was unmittelbar unter Flugverboten und neuen Lockdowns leiden würde, wurde ebenso zweistellig verkauft, wie zum Beispiel Touristiker oder Triebwerkbauer für die Luftfahrt. Bei -> Twitter <- habe ich heute mit MTU Aero Engines (MTX) und Eurofins Scientific (ERF) zwei dieser Art gezeigt.

Zunächst einmal kann man da eine interessante Frage stellen, warum nämlich der DAX nicht schon am Donnerstag so scharf gefallen ist? Schauen sie mal, der obere Pfeil war Donnerstag und der untere der heutige Freitag:

Und jetzt halten sie sich fest. -> Diesen Tweet <- des bekannten Epidemiologen Eric Feigl-Ding habe ich am Donnerstag um 11 Uhr bei uns ins Forum gestellt und wir haben das als Grund zur Sorge diskutiert. Das Ding war also am Donnerstag schon bekannt!

Der Grund warum es die Reaktion im DAX erst am Freitag gab ist ganz einfach, an der Wallstreet war am Donnerstag "Thanksgiving" und Börsenfeiertag, die Wallstreet war geschlossen. Schauen sie einfach mal auf das geringe Volumen im DAX am Donnerstag, dann wissen sie wie das aussieht, wenn die US Händler fehlen.

Ich habe es schon oft gesagt, viele europäische Indizes wie der DAX sind bestenfalls der Schwanz der mit dem Hund wedelt, ohne echtes Eigenleben. Asien und die Wallstreet geben die Richtung vor und die waren gleich ab Null Uhr Nachts in den Futures dann am Freitag scharf abwärts.

Wer ernsthaft das Börsengeschehen nur aus der Warte des DAX kommentiert, sollte also lieber mal "erwachsen werden", denn das ist so wie wenn man bei einem Fußballspiel nur das Geschehen an der Eckfahne kommentiert! 😉

Aber das nur nebenbei, weil es so in Auge fällt, es sollte hier ja um die Erwartungen gehen.

Und da haben wir nun eine potentielle Covid-Variante, die wenn es ganz schlecht läuft, im schlechtesten Fall praktisch wie ein neues Virus wirkt, wenn sie nämlich die Antikörper durch Impfung oder Genesung umgehen können sollte. Oder im besten Fall sich nicht gegen Delta durchsetzen kann und auch weniger lethal ist und daher dann keine große Gefahr darstellt. Zwischen dem schlechtesten und besten Fall liegen jetzt Welten und entsprechend ist nun die mögliche Bandbreite des Börsengeschehens.

Das wissen wir aber heute nicht und werden wir wohl zumindest Tage, vielleicht sogar wenige Wochen nicht wissen. Nach Aussagen von Biontech dauert es ca. 2 Wochen, bis sie einschätzen können, wie gut die bestehenden Impfungen noch wirken. 2 Wochen, in denen sich alle sorgen und fröhlich grübeln dürfen, der Markt eingeschlossen.

Jetzt muss der Markt das neue Geschehen also einordnen und dabei ist sofort ein eklatanter Unterschied zum Februar 2020 zu bewundern. Zufälligerweise habe ich ihnen vor 2 Wochen in -> Schmerzhafte Wahrheiten Reloaded <- auch ein Chart dieser Phase gezeigt, hier ist es erneut:

Damals Mitte Februar 2020 lief die Pandemie schon längst, es gab schon die schrecklichen Bilder aus Wuhan von Leuten, die auf den Straßen lagen. Und der Markt hatte lange die Schultern gezuckt, was dann meine "Dissonanz" begründet hat und dafür gesorgt dass wir gut vorbereitet waren als es losging.

Der Markt hat damals lange die Schultern gezuckt, weil er keine Vorlage dafür hatte, was nun passieren würde. Zeitweise hat man doch noch geglaubt, das Virus könnte in China contained werden, aus heutiger Sicht eine naive Vorstellung und auch Omicron wird nicht in Südafrika verbleiben, es ist ja jetzt schon in Belgien, Israel und sonstwo angekommen.

Der Markt hatte aber damals keine Vorlage und konnte daher seine Erwartungen auch nicht bündeln. Auch deshalb gab es lange dieses Zögern, bis es dann mit Macht abwärts ging.

Heute dagegen, holt der Markt einfach die Erwartungen aus der Schublade, die er nun mit Covid im Frühjahr 2020 gelernt hat. Und deshalb sahen wir heute zuverlässig die typischen Reaktionen.

Es sind einfach die Erwartungen, die die Kurse bewegen. Heute hat der Markt klare Erwartungen, Ende Januar 2020 hatte er sie nicht. So einfach entsteht der Unterschied und den wollte ich ihnen heute aus gegebenem Anlaß zeigen!

Was das jetzt bedeutet ist eine andere Frage, klar ist, dass die Kurse nun so lange mit dem Risiko schwanken, bis es (hoffentlich) Entwarnung gibt, weil die Impfungen noch gut genug wirken.

Wenn aber nicht, dann besteht hier deutlich mehr Abgaberisiko, das hängt nun aber vom Virus und den neuen Erkenntnissen ab. Denken sie aber in keinem Fall dass das nun garantiert so ein gerader Fall wie im März 2020 wird, das wird es eher nicht, unsicheres Schwanken ist wahrscheinlicher. Sicher ist jetzt nur erhöhte Volatilität, bis hier Klarheit herrscht, wann immer das sein wird.

Von hier aus besteht also das Risiko dass die Befürchtungen wahr werden, dann geht es deutlich tiefer. Und es besteht die gute Chance, dass Omicron nicht so heiss gegessen wird wie es gekocht wird, dann stellt dieser Einbruch eine klare Chance zum Jahresende dar. Letztlich müssen wir akzeptieren, dass wir das heute nicht wissen und jede Festlegung nur sinnloses Raten wäre.

Klar ist aber, dass der Markt das nun nach der Logik der Erfahrungen mit Covid behandelt, einen abweichenden Verlauf wird er also vielleicht länger übersehen als nötig, so wie im Frühjahr 2020.

Spannend wird, wann der Markt dann auch auf die positive Seite der Gleichung reagiert, nachdem er heute vor allem das Virus im Blick hatte - vielleicht schon kommende Woche. Denn davor, in den letzten Tagen, haben Inflationsängste das Marktgeschehen bestimmt und genau diese Inflationsdaten würden schnell wieder fallen, wenn durch neue Reisebeschränkungen zum Beispiel der Ölpreis wieder dauerhaft fallen würde. Heute ist deswegen Öl schon aus reiner Antizipation zusammengekracht.

Wir müssen uns also wohl keine Sorge machen, dass die Wirtschaft eine neue Runde des Virus *und* hohe Energiepreise erleiden muss, es wird eher Eines von Beidem sein und das hat auch einen positiven Aspekt, so wie das Marktgeschehen immer mehrdimensional und nie zweidimensional-kausal ist.

Es sind also immer die Erwartungen, die die Kurse bewegen. Die Nachrichten wirken nur indirekt, in dem sie diese Erwartungen verändern. Eine Nachricht die schon erwartet wurde, kann daher den Markt auch nicht mehr bewegen, eine überraschende Nachricht dagegen sehr.

Zu Covid hat der Markt nun klare Erwartungen und genau nach dem Muster versucht er nun die Gefahr von B.1.1.529 zu behandeln. Je mehr wir zu der Variante wissen, desto präziser werden die Reaktionen.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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