Das 4. Quartal – Gestern, Heute, Morgen

Das 4. Quartal eines Börsenjahres ist traditionell das Beste des ganzen Jahres. Nie kann man sich so "sicher" sein 2 Monate später mit Gewinnen dazustehen, wie wenn man im Oktober zu kaufen beginnt.

Wobei "sicher" natürlich ein unzutreffendes Wort ist, "sicher" ist im sich permanent wandelnden Markt rein gar nichts. Aber es gibt Wahrscheinlichkeiten, Tendenzen und die sprechen dafür, die Herbstkorrektur für taktische Käufe zum Jahresende zu nutzen.

-> Hier bei Equity Clock für den S&P500 <- können Sie den typischen statistischen Verlauf der letzten 20 Jahre bewundern. Sie sehen da aber auch, dass es Anfang Oktober gerne noch einmal tiefer geht, aber Ende Oktober ist die Saisonalität dann klar positiv:

-> Und hier für den DAX <- ist das Chart nicht weniger eindrucksvoll:

Aber natürlich ist saisonale Statistik nur Statistik, jede Regel kennt ihre seltenen Ausnahmen und die haben wir in extremer Form im Jahr 2018 bekommen, als der neue FED-Chef Jerome Powell - noch ungelenk kommunizierend - den Markt mehrfach runtergeredet hat, bevor er die Kurve bekam. Dieses Jahr markierte den Tiefpunkt an Heiligabend 2018 und war historisch gesehen eine komplette Anomalie, die es in 100 Jahren so nicht gegeben hatte:

Aber Anomalien sind eben Anomalien, selbst im Jahr 2007, als die Finanzkrise schon am Horizont spürbar war und die Interbankenkreditzinsen seit dem 09.08.2007 markant zu steigen begannen, war der S&P500 bis zum Jahresende noch recht stabil, erst 2008 begannen die Kurse richtig zu fallen:

Beides sind aber Ausnahmen, denn in der Mehrzahl der Jahre ging es im 4. Quartal zuverlässig hoch und in Jahren die vorher schon starke Anstiege verzeichnet haben, zu weit über 90%, also fast sicher.

Und genau so ein Jahr haben wir bisher wieder, das ganze Jahr ist von Anstiegen nach dem Covid-Crash im Vorjahr geprägt, weswegen ein Jahr 2017 ein viel besseres Vorbild darstellt, in dem es auch beständig hochging:

Oder eben, wenn man ein anderes so beständig starkes Anlagejahr als Vorlage sucht im Jahr 1995:

Summa Summarum haben wir mit der beständigen Stärke des bisherigen Jahres 2021 und dem bisherigen 5-7% September-Dip den wir gerade erlebt haben, nun eine von den Wahrscheinlichkeiten her gute Ausgangslage für ein starkes Jahresende.

Sicher ist nichts, wer aber absolute Sicherheit sucht und nicht versteht, dass Geldanlage immer den rationalen Umgang mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten bedeutet, der hat sowieso nichts am Markt verloren und sollte sein Geld besser woanders anlegen.

Lassen wir uns daher auch nicht von dem Clickbait der üblichen Crash-Aufreger verrückt machen, vor kurzem wurde da ja Evergrande durchs Dorf getrieben und die üblichen "Rauner" zwirbelten wieder ihre Bärte und schauten wieder ganz gewichtig in Kameras, auf der Suche nach neuen Kunden.

Vielleicht weitet Evergrande sich aus, vielleicht auch nicht. Vielleicht gibt es doch einen Bailout der chinesischen Regierung und vielleicht entwickelt sich eine Staatskrise daraus.

Das wissen wir nicht und es bringt nichts darüber heute wild zu spekulieren, weil es verdammt gut sein kann, dass sich Evergrande in die Reihe der gefühlt 143 anderen Crash-Stories einreiht, die seit Lehman herumgereicht wurden und sich alle letztlich als übertrieben herausgestellt haben.

Wichtig ist uns klarzumachen, gerade weil Lehman immer wieder gerne zitiert wird weil das Klicks garantiert, dass zwischen diesem August 2007 mit den ersten Signalen und wackelnden Interbankenkrediten und dem Lehman-Desaster im September 2008 *mehr als ein Jahr* lagen mit diversen Vorwarnungen dazwischen, die Größte war die Pleite von Bear Stearns im März 2008.

Wenn sich also Evergrande oder irgendetwas Neues zu einer Finanzkrise ausweitet, wird es vielleicht nicht mehr ein Jahr, aber immer noch Monate des Vorlaufes sein, in denen diverse Wirtschafts- oder Finanzdaten Risikosignale geben.

Dann habe ich zuletzt auch von 1987er Analogien gelesen, vom "Black Monday" der praktisch den Punkt markiert, mit dem ich aktiv in den Markt eingetreten bin. Klar, das kann passieren, jeder große Crash beginnt mit Bröseln unter Volumen wie aktuell, so wie jede Bergbesteigung mit den ersten Schritten beginnt. Aber nicht jedes Bröseln führt zu einem Crash und nicht jeder Schritt auf einen Berg, statistisch sogar höchst selten.

Es bringt uns überhaupt nichts über so ein Ausnahmeereígnis länglich zu fabulieren, wenn die Kurse wirklich beständig zu fallen beginnen, müssen wir halt bereit sein konsequent abzuschneiden und unser Risikomanagement einzusetzen. Wenn, dann, denn das prinzipielle Risiko so einer Anomalie besteht immer.

Und ja, ich würde durchaus unterschreiben, dass aktuell aufgrund der endlosen Zuflüsse in die BigCap-Werte das Risiko einer kritischen, lawinenartigen Entwicklung nach unten gegenüber dem statistischen Mittel erhöht ist. Ja, diese Risiken sind abstrakt da. Wir reden aber trotzdem weiter über Ausnahmen, über Anomalien, die man zwar im Auge behalten muss, auf die man aber nicht einfach gegen den übergeordneten Trend wetten sollte.

Heute, am Beginn des 4. Quartals 2021, lohnt es sich eher uns an den statistisch wahrscheinlichen Pfad zu erinnern. Wir haben einfach einen übergeordneten Bullenmarkt, ein traditionell starkes Jahresende vor uns und die typischen Risikofaktoren wie beispielsweise die Debt-Limit Frage oder die Inflation, die typischerweise eine "Wall-of-Worry" Mechanik im Markt erzeugen.

Was da zu tun ist, sollte klar zu erkennen sein. Wir müssen halt lernen uns nicht verrückt machen zu lassen, sondern den Pfaden der Wahrscheinlichkeit zu folgen. Und das im vollen Wissen, dass es immer eine Anomalie geben kann, bei der wir schnell und hart reagieren müssen, wenn sie doch eintreten sollte, wie im Frühjahr 2020 bei Covid - wer damit aber nicht umgehen kann, hat am Markt nichts verloren.

Alle anderen sollten auf "Asterix" zurückgreifen, den Band "Der Seher" lesen und sich klarmachen, wie das Geschäft mit den großen Zukunftswarnungen und Prognosen funktioniert. Wir sollten zu intelligent sein, um uns davon beeinflussen zu lassen.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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3 Gedanken zu „Das 4. Quartal – Gestern, Heute, Morgen“

  1. Vielen Dank fuer die Analyse im freien Bereich! Ich lese deine Gedanken immer sehr gerne!

    Koennte man nicht – anstatt jeweils EIN Kalenderjahr aus der Vergangenheit, aus dem Kurs-Zusammenhang gerissen zu betrachten – eine laengere „Vorgeschichte“ mit anschauen?

    Bsp: 1995
    in den zwei Jahren von 01’1993 bis 12’1994 ist der S&P nur um 5% insgesamt gestiegen, da war ein langer, kraeftiger Schluck 1995 drin

    Bsp: 2017
    in den zwei Jahren von 01’2015 bis 12’2016 ist der S&P um 0% insgesamt gestiegen, da war ein langer, kraeftiger Schluck 2017 drin

    Bsp: 2021
    in den zwei Jahren von 01’2019 bis 12’2020 ist der S&P um 29% insgesamt gestiegen, da ist ein langer?, kraeftiger? Schluck 2021 drin???

    Die Wahrscheinlichkeit fuer „lang“ oder „kraeftig“ scheint mir gering …

    Quelle: finanzen.net/index/s&p_500/seit1928

    LG Joerg

  2. Die „Vorhersage“ für 2021 ist gerade *nicht* Thema des Artikels. Es geht um die Bandbreite dessen was im 4. Quartal möglich ist, die vier gezeigten Jahre zeigen die *Extreme* auf beiden Seiten auf, ich dachte das sei klar geworden.

    Weiter besteht *kein* Zusammenhang, dass weil 2 Jahre in die eine Richtung gingen, es im Folgejahr anders sein muss. Gibt es beim Lotto auch nicht. 😛

    Ein Trend dauert solange wie er dauert, können 2 Jahre sein oder auch 5. Was im Vorjahr passiert ist, definiert nicht das Geschehen im Folgejahr.

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