Von Maß und Mitte

Heute will ich mal abseits von konkreten Kursen ein grundsätzliches Problem beleuchten, das wir uns gerade mit den diversen Notmaßnahmen, insbesondere der Notenbanken und Staaten einhandeln.

Frau Merkel hat ja im Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Krise von "Maß und Mitte" gesprochen, die wir in der Krise finden sollten. Eine Aussage die konkret für die epidemiologischen Fragen eher deplatziert erscheint, denn wenn man eine Pandemie eindämmen will, ist "Maß und Mitte" am Thema vorbei, dann geht es eher um "be fast and have no regrets" wie es WHO Director Michael Ryan -> hier <- beschrieben hat.

Wenn es aber um staatliche Rettungs-Billionen geht, ist "Maß und Mitte" wirklich eine sinnvolle Grundhaltung, leider läuft es weltweit nun eher umgedreht.

Bei den epidemiologischen Maßnahmen wurde eher zu lange gezögert und nun gibt es - nach nicht mal einer Woche Lockdown - schon wieder wildes mediales Geschnatter vom Ende des Lockdowns, das derzeit verfrüht und deplatziert ist, da alle gemeldeten Neuinfektionen heute, sich in der Regel noch *vor* dem Lockdown angesteckt haben.

Bei den fiskalischen Maßnahmen aber, schmeisst man derzeit mit "Rettungsbillionen" um sich und wirft jegliche Form von fiskalischer Disziplin über den Haufen, weil die Krise die Gegner in der Argumentation schwächt. Eine Lage frischen Schnees an "Rettungsmaßnahmen" legt sich über die Länder und die Frage ist berechtigt, ob diese tatsächlich notwendig sind.

Es scheint dabei jedes Gefühl für "Maß und Mitte" abhanden gekommen zu sein und an vielen Stellen scheint die Notlage einfach nur als Einfallstor und Hebel zu dienen, um alte poltische Wunschvorstellungen nun durchzudrücken, so zum Beispiel bei der Transferunion und den Eurobonds.

Versuchen wir uns der Sache doch mal rational und nicht ideologisch zu nähern und betrachten die Frage, ob diese massiven Maßnahmen nun wirklich notwendig sind.

Wenn wir davon ausgehen, dass wir nun noch monatelang in einer Art Lockdown leben müssen, dann würde ich diese Maßnahmen im Kern auch unterstützen, auch wenn wir selbst dann viele unsinnige Mitnahme- und Kollateraleffekte erleben werden. Aber es macht Sinn, dann den totalen Zusammenbruch der vernetzten Wirtschaft zu verhindern und es macht keinen Sinn, gesunde Unternehmen nur wegen kurzfristiger Liquiditäts-Engpässe Pleite gehen zu lassen. Grunsätzlich hat dieser Ansatz also durchaus meine Unterstützung, solange eben "Maß und Mitte" gewahrt bleiben und die Gesellschaftsordnung nicht gleich mit der "Rettung" mit ausgekehrt wird.

Und es gibt sowieso viele kleine Unternehmer, Selbstständige, Künstler und so weiter, die bei längerem Lockdown ohne Verschulden in ein Liquiditätsloch fallen werden und dass man diesen ermöglicht unbürokratische Notkredite aufzunehmen, ist nicht zu kritisieren und völlig richtig. Ein Notkredit ist ja auch kein Geschenk, er hilft einfach über eine unverschuldete Krisenphase hinweg. Bis hierhin unterstütze ich den Rettungsansatz im Notfall ausdrücklich!

Nur beginnt die Politik ja aber schon ziemlich eindeutig von einer Teil-Auflösung des Lockdowns nach Ostern zu sprechen, insbesondere für die Jüngeren, weil "das Land das nicht aushalte".

Da ist durchaus etwas dran, ich kann die Logik nachvollziehen, weil irgendwann tatsächlich die negativen Folgen des Lockdowns größer sind, als die Folgen des Virus selber. Für eine Zeit von 3 Wochen wäre das falsch, diese Zeit kann eine gesunde Volkswirtschaft im Lockdown definitiv durchstehen, bei 3 Monaten hätte ich aber auch meine Zweifel.

Das Dumme und Ärgerliche ist aber, dass wenn man wirklich nach 3 Wochen wieder "aufmacht", viele der fiskalischen Nothilfen *nicht nötig sind* und sogar *kontraproduktiv* sind!

Denn sagen wir es mal deutlich, zeitlich begrenzte Krisen gehören zur Wirtschaft und sind gesund, weil sie wie eine Gesundheitspolizei die schwächsten Unternehmen aussortieren und daher danach wieder mehr Freiraum für die Gesunden schaffen. Die wirtschaftlichen "Zombies" werden dahin überführt, wo sie hingehören - in die Holzkiste, auch Insolvenz genannt und das ist volkswirtschaftlich genau richtig so!

Ein Unternehmen aber, das derzeit so schwach auf der Brust ist, dass es nicht einmal 3 Wochen aus den eigenen Reserven und Banklinien überleben kann, hat meiner Meinung nach *eine Rettung nicht verdient*.

Diese Aussage gilt auch ausdrücklich für die Gesellschafter und Manager, die zu dieser Schwäche des Unternehmens potentiell beigetragen haben, in dem Gewinne zu schnell privatisiert wurden und nicht als Notreserve im Unternehmen belassen wurden, weswegen eine Sozialisierung der Pleite auch nun höchst unfair für den Rest der Gesellschaft wäre.

Insofern habe ich nun doch ein Problem mit den Rettungsbillionen, die so freizügig gestreut werden. Entweder fahren wir nun einen konsequenten Lockdown, der sich primär nach epidemiologischen Vorgaben richtet und durchaus lange dauern kann, dann bin ich prinzipiell *für* einen selektiven Rettungsansatz. Oder wir stellen die Wirtschaft in den Vordergrund, gehen schon nach 3 Wochen wieder in Richtung Normalmodus und dann sehe ich keinen Grund Steuergelder für Firmen zu verbrauchen, die ein Überleben nicht verdient haben.

Ich habe ehrlich großen Zweifel, ob wir die Interventionisten und "Retter" wieder loswerden, die die Krise nun auf den Plan gerufen hat. Dass zu einer gesunden Wirtschaft auch ein gesunder Ausleseprozeß gehört, hat keine Lobby in Politik und Bevölkerung, der Reflex ist immer, schon längst überflüssig gewordene "Zombies" mit dem Argument der Arbeitsplatzsicherung noch durchzuschleppen, nicht verstehend, dass man damit viel mehr neue Arbeitsplätze an anderen Stellen torpediert und die Zombies am Ende doch Pleite gehen, nachdem man Steuermilliarden da versenkt hat.

Wie schnell solch unsinniger Mißbrauch aufkommt, können wir zum Beispiel bewundern, wenn beispielsweise ein hoch liquider Weltkonzern wie Adidas - ermöglicht durch das -> neue Covid-19-Abmilderungs-Gesetz <- - nun -> einfach für geschlossene Läden keine Miete mehr zahlt! <-

Adidas, die vergleichsweise in Liquidität schwimmen, bekommen also einen Hebel sich einen Vorteil zu ergattern und nutzen ihn sofort. Andere werden folgen, die es auch nicht nötig haben und sich unsolidarisch einfach einen Vorteil ergattern. Der Vermieter aber, der vielleicht wirtschaftlich viel schwächer als Adidas dasteht, hat dagegen den schwarzen Peter gezogen.

Adidas ist ein schönes Beispiel für die Negativeffekte von mit heisser Nadel gestrikten "Notfall-Gesetzen". Das kann keiner gut finden und zeigt, dass die Rettungsarie schon Schlagseite hat.

Abgesehen davon sollten wir uns keiner Illusion hingeben, jemand wird die Rechnung für diese "Rettungen" nach der Krise präsentiert bekommen und ich kann Ihnen auch heute schon sagen wer das ist: nicht Adidas, der Profiteur, sondern die sogenannten "Reichen", womit präzise gesagt über 80% der Leser dieses Blogs gemeint sein dürften, weil der absurde, vom Bild einer wohlig-warm-miefig-gleichgerichteten "Volksgemeinsschaft" geprägte Reichenbegriff bei uns ja jeden umfasst, der sich erdreistet schon ein überdurchschnittliches Gehalt zu beziehen oder - Gott bewahre - unternehmerisch erfolgreich zu sein. Die vielen kleinen Leistungsträger der Gesellschaft werden also dafür blechen, Weltkonzerne die sich einen schlanken Fuß machen dagegen garantiert nicht!

Wer also gut gewirtschaftet hat und als Unternehmen Reserven gebildet hat, wird durch die "Rettungen" doppelt gestraft. In der Krise wird ihm der Vorteil gegenüber den verantwortungslosen Gesellen genommen, weil diese dank Hilfe trotzdem überleben können und der Markt nicht bereinigt wird. Nach der Krise wird es höhere Sondersteuern auch für die geben die keine Hilfe brauchten, weil man ja vermeintlich so von der "Rettung" profitiert hat.

Dass am Ende genau dieser Mechanismus einer Volkswirtschaft schadet, weil er Moral Hazards generiert und Fehlverhalten fördert, ist völlig klar, wird aber weder verstanden noch will es jemand hören.

Erneut, damit es da keine Missverständnisse gibt, ich bin ja nicht gegen liquiditätssichernde Notmaßnahmen, man darf aber in der "Rettungswut" auch nicht über das Ziel hinaus schiessen.

Aber auch im Grösseren sehen wir diese Mechanismen, wenn wir -> von der Aggressivität des italienischen Premiers <- lesen, der nun vermutlich die große Chance sieht, eine Vergemeinschaftung der Schulden via Eurobonds durchzusetzen.

Die Krise ist dabei nach meiner Einschätzung nur ein Mittel, das mit großer moralischer Inbrunst für den eigenen Vorteil genutzt werden soll, denn Italien hat ja derzeit gar kein Problem Schulden für die Krise aufzunehmen, die EZB und die EU haben schon längst alle Schleusen und Begrenzungen geöffnet. Aber mit den Folgen höherer Zinsen sollte man dann auch leben, so wie es sich gehört, zumal diese durch die Aufkaufprogramme der EZB doch sowieso schon weit unter den realen Marktzins gedrückt werden.

Was hier versucht wird ist für mich verwerflich und hat mit der Krise nichts zu tun. Auch hier haben wir die Parallelität zum obigen Thema des Moral Hazards, wer als Staat bisher solide gewirtschaftet hat, hat am Ende den Nachteil davon und soll dem Schuldensünder sein bisheriges Verhalten finanzieren, weil der "gerettet" werden muss. In dem Zusammenhang erinnere ich wieder daran, dass das statistische Vermögen von Italienern höher als von Deutschen liegt, ein Umstand der gerne verschwiegen wird und auch der Umverteilung im Euro geschuldet ist - ich habe darüber in der Vergangenheit schon öfter geschrieben.

Jetzt höre ich gleich die Stimmen, die an die "Solidarität mit Italien" appellieren, was aber beim Thema Eurobonds völlig am Thema vorbei ist.

Mangelnde Solidarität haben wir in Europa tatsächlich und ich empfinde es als eine Schande. Das ist aber die konkrete Solidarität bei Masken, bei Schutzanzügen, bei Atemgeräten, bei übernommenen Patienten und auch bei Hilfsgeldern die direkt ins Gesundheitssystem gehen.

Hier fehlte es zuletzt deutlich an Solidarität, wo sind denn die Lastwagen-Kolonnen gewesen, die nach Norditalien Hilfsmaterial aus Österreich, Deutschland, Dänemark, Polen etc transportiert haben? Ich habe keine gesehen und das ist etwas, worüber der italienische Premier tatsächlich wütend sein darf, das wäre echte Solidarität gewesen. In der Krise ist sich scheinbar jeder selber der Nächste und kein Mensch braucht so ein Europa, das sobald es eng wird, gleich wieder nur an sich selber denkt.

Das darf man kritisieren, das muss man kritisieren, mit dem Wunsch individuell gemachte Schulden zu vergemeinschaften, hat das alles aber rein gar nichts zu tun und macht auch keinen Patienten gesund, der nun in der Intensivmedizin um jeden Atemzug ringt.

Das Virus nun als Hebel zu benutzen um Widerstände zu beseitigen, ist politisch geschickt, aber ebenso zerstörerisch für die europäische Solidarität, wie absurde Auslieferungsstops für Masken in befreundete Nachbarländer.

Machen wir es doch mal konkret und wischen diese ganzen Girlanden weg, die gerne zur Vernebelung des Kerns benutzt werden.

Stellen Sie sich vor, Sie haben in Ihrem Wohnhaus in der Krise einen Nachbarn, mit dem Sie solidarisch sein wollen. Der Nachbar ist selbstständig, hat weniger Geld als Sie und wird durch die Krise so schwer getroffen, dass er Probleme hat sich nun notwendige Medikamente, Desinfektionsmittel und so weiter zu kaufen.

Wenn Sie dem nun die Tür zuknallen, sind Sie ein unsolidarischer Holzklotz und sollten sich schämen! Die Solidarität gebietet es, dass Sie dem etwas von ihren gebunkerten Desinfektionsmittel abgeben und ihm auch an anderer Stelle unter die Arme greifen. Daran gibt es keinen Zweifel, wer das nicht tut, handelt egoistisch und unsozial.

Nun machen Sie das aber, der Nachbar erdreistet sich aber trotzdem an Ihre Tür zu bollern und Sie mit moralischem Unterton laut aufzufordern, nun mitzukommen und bei seiner Bank für seine Schulden zu bürgen, weil wir ja in der Krise alle im gleichen Boot sitzen würden. Hallo?

Was würden Sie tun? Ihm die Tür zuknallen und vielleicht die Polizei rufen und richtig so!

Wer Schulden für Ausgabenprogramme und Versprechungen an Wähler macht, muss auch später für die Konsequenzen gerade stehen und kann diese nicht an Dritte abladen. Es muss immer eine Einheit der Verantwortung geben.

Wer dieses Grundprinzip schleifen will, zerstört langfristig unser Wirtschaftssystem und unseren Wohlstand und ersetzt es durch eine Kleptokratie, in der der Stärkste, Lauteste und Skrupeloseste die Macht hat. Auch eine Pandemie kann dafür keine Ausrede sein!

Man kann also sehr wohl Eurobonds einführen, aber genau dann wenn man das italienische Staatswesen auflöst und einer Euro-Zentralregierung überantwortet. Dort ist dann die Entscheidung und die Verantwortung für die Folgen wieder in einer Hand, so wie es richtig ist. Dass aber italienische Politiker an Ihre Wahl-Klientel Versprechungen machen, deren Folgen deutsche Wähler dann mitzufinanzieren haben oder natürlich auch umgedreht, ist in jeder Hinsicht indiskutabel und verwerflich und hat mit der Corona-Krise absolut nichts zu tun!

Sie sehen, unerkannt von der Öffentlichkeit, die auf das Virus starrt, fehlt es der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Diskussion nun in meinen Augen zunehmend an "Maß und Mitte".

Davor bekomme ich zunehmend Sorge, die Geister die man rief, wird man dann nicht mehr los.

Ihr Michael Schulte (Hari)

Vom Boden



Es ist bei großen Krisen immer das Gleiche. Bei jeder kleinen Gegenbewegung sind sofort einige da, die einen Boden wittern und die Aktien nun für Schnäppchen halten. Bei 10% Minus, bei 20%, bei 30% und so weiter.

*Irgendwann* haben diese zu zappeligen und vorschnellen Käufer auch Recht, irgendwann entwickelt sich aus einem finalen Ausverkauf auch wirklich ein Boden, dumm ist nur, dass man das erst hinterher weiss und Kurse in schweren Krisen gerne tiefer fallen, als man sich zu Beginn vorstellen konnte.

Dabei ruhig zu bleiben und nicht zu schnell FOMO zu erliegen - der "Fear Of Missing Out" - hilft uns auch ein typischer Ablauf solcher Korrekturen, nennen wir es das "Standard-Modell". In dem Modell setzt nach einem massiven Ausverkauf eine starke Gegenbewegung ein, die typischerweise bis maximal zur Hälfte des Absturzes nach oben schiebt. Beim S&P500 würde das aktuell Potential bis etwa 2.800 begründen.

Danach entwickeln sich im Standardmodell neue Zweifel, lassen die Kurse erneut fallen, die Ausverkaufstiefs testen und im Idealfall drehen die Kurse dann vorher und dann ist der Boden da. Dann, nicht am Ende des ersten Ausverkaufs!

Weswegen es eben wenig Grund gibt, permant von FOMO getrieben in ein fallendes Messer hinein zu greifen, nur weil man meint, nun seien die Kurse weit genug gefallen.

Ja, erste Teilkäufe bei echten Qualitätsaktien können durchaus Rationalität haben, da man den exakten Boden sowieso nie trifft, macht ein scheibchenweiser Einstieg sowieso Sinn. Aber das wirkliche Einstiegssignal kommt eben nicht am Ende des ersten Absturzes, es kommt im Standard-Modell erst später danach.

Und auch klar ist, dass das Standardmodell nur in vielleicht 60-70% der Fälle richtig ist, Wert hat es trotzdem, sich daran zu erinnern.

Damit stellt sich vielen nun natürlich die Frage, wann dieser Zeitpunkt denn beim aktuellen Geschehen rund um Covid-19 gekommen ist?

Gerne werden dann eindimensionale Antworten gegeben oder man orientiert sich am eigenen Risikoempfinden, das aber sowieso nicht sychron mit dem Markt ist und daher ungeeignet.

Es wird nicht bis zum Ende der echten Krise dauern und auch nicht bis wir als Bürger aus dem Lockdown heraus dürfen, bis der Markt einen neuen Morgen riecht. Es genügt schon, dass ein Abflauen der Infektionen absehbar ist und der Markt wird mit neuem Zutrauen wieder steigen.

Und dabei kann uns nun der Lockdown immens helfen, der nun auch bei uns in Europa in Gang ist. Man kann nur hoffen, dass auch die US bald durchgreifende Maßnahmen beschliessen, denn erst ab dann besteht eine Chance, dass drei Wochen später die Fallzahlen zu fallen beginnen.

Gerne wird dann eindimensional argumentiert, dass ja diese Maßnahmen in der Wirtschaft viel mehr Schaden anrichten würden als das Virus. Das ist aber grundfalsch, denn die Wirtschaft kann mit planbaren Auszeiten gut umgehen, nicht aber mit monatelanger Unsicherheit. Eine 2-monatige Auszeit werden die meisten Firmen mit ihren Reserven überleben, ein unplanbares Chaos den Rest des Jahres dagegen nicht.

Ein Lockdown zieht auch den Moment der maximalen Unsicherheit nach vorne, genau das was wir gerade erleben. Wir sind dann persönlich betroffen und die Börsen rauchen ab, mehr gefühlte Krise geht gar nicht. Das Maximum der Angst ist aber auch gerne der Moment, an dem der Markt seine Tiefs auslotet.

Natürlich ist das Virus nach dem Lockdown nicht weg, das ist doch völlig klar und natürlich geht die Durchseuchung weiter, die entscheidende Frage ist aber ob chaotisch oder geordnet und der Umgang der Gesellschaft mit dem Problem ist nach dem Lockdown ein ganz anderer.

Es hat sich dann ein neuer "Modus Operandi" gefunden, wie das Leben mit verringerten Sozialkontakten weiter geht. Auch die Diskussionen um die Notwendigkeit der Maßnahmen sind weg. Kliniken und Firmen haben dann auch einen neuen Operationsmodus gefunden, der zwar wirtschaftlich gedämpft ist, aber das Leben weitergehen lässt.

Letztlich geht es darum, *jetzt* dem Monster der exponentiellen Entwicklung den Kopf abzuschlagen und damit ein handelbares Plateau zu erreichen, mit dem wir dann eben 1-2 Jahre leben müssen, bis Impfungen da sind.

Und genau das kann dieser Lockdown nun schaffen, je schneller er auch in den US kommt, desto besser.

Dass man dafür 2 unnötige Wochen noch gewartet hat und den Karneval noch hat laufen lassen, obwohl der Verlauf absehbar war, ist eigentlich unverzeihlich aber aus Sicht der Politik verständlich, wenn man sich selbst jetzt noch die Ignoranz von Teilen der Bevölkerung anschaut, was "Social Distancing" angeht.

In dem Zusammenhang empfehle ich uns allen mal -> dieses kurze Video von WHO Direktor Michael Ryan <- anzuschauen.

Was er mit "Be fast, have no regrets" als richtige Haltung in Krisensituationen beschreibt, entspricht dem was wir an der Börse "If panic, panic first" nennen und dessen Wahrheit im Absturz ja wieder bewiesen wurde.

Genau so ist es mit dem Containment dieses Virus, das genau dann perfekt gelingt und die ökonomischen Folgen minimiert, wenn man sofort konsequent agiert, wie es Taiwan beispielhaft getan hat und trotz der Nähe zu China nun kaum betroffen ist. Wer dagegen aus Angst vor wirtschaftlichen Folgen zu lange zögert, wird diese Folgen erst richtig schmerzhaft bekommen.

Wir werden nun also in Europa 2-3 Wochen stark steigende Fallzahlen erleben, die 2 wöchige Inkubationszeit plus die ca. 1 Woche die es braucht, bis der Zustand der schwer getroffenen Patienten sich dramatisch verschlechtert, werden ihre unerbittliche, mathematische Wirkung entfalten. Da ist schon Realität und unvermeidbar, das ist die Folge der Fehler die schon gemacht wurden.

Danach aber im April, besteht die Chance dass sich die Fallzahlen wie in China und Südkorea stabilisieren. Das alleine wird dem Markt schon immens gut tun und genau das ist der Punkt. Sobald dieser neue Modus Operandi gefunden ist, den China gerade im Begriff ist herauszufinden, wird der Markt vielleicht einen Boden finden können, denn das ist durchaus eine belastbare Grundlage.

Jeder weiss ja, dass das Problem sowieso vorbei ist, sobald Impfungen da sind und/oder die Durchseuchung der Bevölkerung hoch genug ist und damit ein Herdenschutz existiert. Wenn die Welt auf dem Weg dahin ein Plateau findet, geordnet mit immer wieder aufflammenden Neuansteckungen umzugehen, ist auch das eine belastbare Grundlage und der Markt wird schon steigen, weil er das Ende und die Impfungen schon vorweg nimmt.

Dann werden auch die massiven Liquiditätschübe der Notenbanken und die staatlichen Ausgabenprogramme ihre Wirkung entfalten. Die können zwar niemanden gesund machen und auch den Lockdown nicht verkürzen, aber den wirtschaftlichen Wiederaufstieg extrem beschleunigen und verstärken, weswegen Vergleiche mit dem langsamen Rebound nach der spanischen Grippe wohl falsch sind.

Heute, Montag früh, scheinen die massiven Maßnahmen der Notenbanken noch das Narrative der allgemeinen Panik zu bestätigen, ihre Wirkung werden sie trotzdem haben, nur verzögert, weil es erst Hoffnung an der Front der Infizierten braucht.

Heisst konkret für eine Bodenbildung:

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Covid-19 und der Zeithorizont

Krisen wirken an der Börse wie ein reinigendes Gewitter. Sie decken Schieflagen auf, bestrafen Fehleinschätzungen und bringen die Erwartungen wieder auf ein angemessens Maß, von dem aus sich wieder ein belastbarer Aufwärtstrend in Gang setzen kann.

So wird das auch mit der aktuell begonnenen Corona-Krise sein, Firmen mit zu geringer Kapitaldecke in den betroffenen Sektoren werden in die Pleite kippen und Anleger denen der Sinn fehlt exponentielle Entwicklungen zu begreifen, werden immensen Druck spüren.

Im Umgang mit so Situationen ist dabei extrem wichtig, sich über den -> Zeithorizont <- der eigenen Absichten im Klaren zu sein und alles was man zum Thema liest darauf zu überprüfen, ob die Aussagen sich überhaupt darauf beziehen.

Nehmen wir an, ich würde jetzt von fallenden Kursen sprechen, dabei aber unausgesprochen die kommende Woche meinen. Welche Bedeutung hätte diese Aussage für jemanden, der langfristig anlegen will? Ich sage es Ihnen: Keine!

Genau dieses Hinterfragen passiert aber in der Regel *nicht*. Die große Mehrheit der Anleger ist sich des Problems noch nicht einmal bewusst, sondern interpretiert mediale Aussagen ohne Nachdenken im eigenen Kontext, auch wenn diese sich gar nicht darauf beziehen.

In Folge lässt sich der Investor dann von kurzfristigen Korrekturen aus der Bahn werfen und der Trader lässt sich von einem profitablen Trade abhalten, weil das Unternehmen langfristig wenig Zukunft hat.

Das ist aber falsch und ein zentrales Problem, gerade in so emotional schwierigen Krisenphasen wie aktuell!

Denn die Realität ist, dass der Markt kurzfristig steigen kann, mittelfristig fallen und langfristig weiter steigen! Und alle drei Aussagen können gleichzeitig *wahr* sein und wer das aber miteinander vermengt, wird nur Fehler machen und Verluste ernten.

Sie werden jetzt vielleicht denken "aber ich doch nicht". Das kann sein, dann gratuliere ich Ihnen, das Risiko ist aber hoch, dass Sie sich dabei etwas vormachen. Und das will ich Ihnen jetzt beweisen.

Denn ich habe nun am gestrigen Freitag zum dritten Mal -> hier bei Twitter <- meine Version des klassischen Sentiment-Zyklus eingestellt, der in Krisen von vielen Anlegern durchlaufen wird.

Der hat übrigens nichts direkt mit einem Kursverlauf zu tun, wie das vielfach hinein interpretiert wird, er stellt dagegen unsere emotionalen Schwankungen dar, mit denen wir Menschen bei dynamischen Entwicklungen eher hinterher laufen und ist auch für zyklische Krisen abseits der Börsen oft zutreffend.

Aber lassen wir das mal beiseite, der von mir implizierte - aber bewusst nicht explizit gesagte - Zeithorizont ist natürlich mittelfristig und bezieht sich auf die Krise rund um Covid-19, die im besten Fall in wenigen Wochen vorbei ist, im schlechtesten Fall aber viele Monate bis ein Jahr und über den nächsten Winter hinweg andauern wird - bis Impfungen am Horizont auftauchen.

Wenn Sie auf die Antworten in allen Tweets schauen - für die ich mich ausdrücklich bedanke - finden Sie eine erstaunliche Breite der Einschätzung, es scheint keinerlei Konsens zu geben.

Wenn man aber genauer hinschaut erkennt man, dass viele ohne nachzufragen den *Zeithorizont* subjektiv einordnen und zwar alleine basierend auf ihrer eigenen Wahrnehmung.

So gab es bei den ersten beiden Frage-Runden Stimmen, die schon "Panik" sahen, während zB die aktuellen -> AAII Daten der US Privatanleger <- noch viel zu viel Optimismus und Beschwichtigung zeigen.

Trotzdem können diese "Panik-Wertungen" absolut zutreffend sein, wenn man sich nur auf der kurzfristigen Zeitebene bewegt und die Frage nur für die erste Abwärtsphase beantwortet, die vorletzte Woche durchgelaufen ist. Da waren wirklich Panik-Effekte am Markt sichtbar, aber eben nur bezogen auf einen kurzfristigen Zyklus, der aber in weit längere Zyklen eingebettet ist.

Andere sagten, dass wir mangels Euphorie noch im Anstieg sind und gar nicht in der emotionalen Abwärtsbewegung.

Auch das kann durchaus wahr sein, wenn man sich den langfristigen Hut aufsetzt, denn dieser Bulle hat noch gar keine Euphorie gesehen. Und ich persönlich gehe hier auch von einem temporären, zyklischen Bärenmarkt aus, der aber in einen übergeordneten sekularen Bullenmarkt eingebettet ist. Auf gut Deutsch: Auch das geht vorbei!

Ja und dann haben wir natürlich auch die mit dem inneren Drang, der Welt mitzuteilen wie "cool" sie aktuell noch sind. Die gehören auch ganz typisch zu diesen Zyklen, auch wenn sie glauben nicht Teil davon zu sein, denn die Motivation das mitzuteilen kommt natürlich auch aus unserem Emotionshaushalt. Alles was wir tun hat eine Motivation, auch Kommentare in sozialen Medien.

Ich persönlich erwarte auf aktuellem Wissensstand nicht, dass wir hier mit Covid-19 ein Lehman-Szenario vor uns haben, denke aber schon, dass diese Korrektur und ihr Auslöser das Potential haben zu etwas Größerem als nur einer 08/15 Korrektur zu werden - wie sie im typischen Börsen-Jahr regelmässig 1-3 mal auftreten. Das Potential, nicht die Gewissheit, die Zukunft ist unbestimmt - weswegen man aber die aktuelle Krise ernst nehmen sollte.

Übrigens ist es ja völlig richtig Ruhe zu bewahren, wenn man eine langfristige Anlage-Strategie fährt, auch diese Krise wird vorbeigehen. Und es ist auch wichtig und völlig richtig nach vorne zu schauen und zu erkennen, dass diese Krise *immense Anlage-Chancen* schafft, wie wir sie teilweise seit 2009 nicht gesehen haben! Wer jetzt also Liquidität erzeugt hat, die er später wieder investieren kann, hat allen Grund für Vorfreude und nicht für Angst!

Auch dabei spielt aber der Zeithorizont eine entscheidende Rolle, denn wenn Sie sich ein Lehman-Szenario mit 70% Minus vorstellen, braucht man einen sehr langen Zeithorizont von mindestens 10 Jahren um voll investiert noch zuverlässig gelassen sein zu können.

Der 65-Jährige, der bald mit dem Depot seine Rente beginnen wollte, hat dann ein erhebliches Problem - zumindest ein emotionales Problem, selbst wenn die Ausschüttungen nicht gesenkt würden. Und der Familienvater in den 40ern, der in 6 Monaten das Haus der Familie damit finanzieren wollte, hat auch ein Problem und zwar ein massives, bei dem "Coolness" keine Option ist.

Aber in so extremen Krisen werden dann bei einigen Unternehmen auch Ausschüttungen gesenkt oder fallen ganz aus und dass ein Unternehmen bei der letzten Krise stabil war beweist dann wenig, weil bei einer langen Pandemie andere Unternehmen in existenzielle Nöte geraten werden, als bei einer Finanzkrise. Jede Krise ist eben anders. Oder mit anderen Worten, Schlangen vor Banken gibt es in der Pandemie weniger, weil die Leute Schlangen gerade vermeiden wollen. 😛

Schlimm wäre übrigens, wenn eine Pandemie zur Kreditkrise führt, dann wird es in Kombination richtig übel, aber da sind wir noch nicht, das sind noch abstrakte Risiken.

Auch bei den Betonungen der Coolness ist also eigentlich klar, dass diese ohne Aussage zum persönlichen Zeithorizont wertlos sind, denn auch völlig berechtigte Coolness braucht einen zeitlichen Kontext.

Sie sehen daran, wie unterschiedlich man diese Grafik werten kann, je nachdem auf welcher Zeitebene sich die Gedanken bewegen. Und Sie sehen, wie wir fast alle auf mediale Aussagen reagieren, ohne uns ernsthaft zu fragen, ob das medial Gesagte überhaupt zu unserem eigenen Zeithorizont passt und darauf überhaupt bezogen war.

Die mediale Schlagzeile "Der Crash steht bevor" schreckt uns also auf und viele denken dann nicht darüber nach, wie weit dieser Crash denn in der Zukunft liegt und was bis dahin alles passieren kann und ob dieses Risiko derzeit überhaupt Relevanz hat. Wäre es anders, würden nicht Heerscharen an Anlegern seit 10 Jahren den diversen Crash-Propheten hinterherlaufen, während der Markt weit überwiegend gestiegen ist und man die aufkommende Corona-Krise problemlos jetzt erkennen und darauf reagieren konnte.

Fazit:

Das fehlende Bewusstsein über den eigenen Zeithorizont und die fehlende Differenzierung, auf welche Zeitebene sich Aussagen Dritter beziehen, ist ein zentraler und in der Regel teurer Fehler, den sehr viele Anleger machen.

Gerade in Krisen wie aktuell, ist es absolut essentiell, dass Sie sich über *Ihren* Zeithorizont bewusst werden, der mit *Ihren* Plänen und Absichten im Einklang stehen muss.

Und dann sollten Sie sich nicht von jeder Schlagzeile aufschrecken lassen, sondern nur von denen, die sich wirklich auf Ihre Zeitebene beziehen!

Ach ja - wenn ich nächsten Freitag die Frage zum Sentiment-Cycle wieder stelle, dann wissen Sie, dass diese sich eindeutig auf den Krisenverlauf rund um Covid-19 und die damit verbundenen Auswirkungen an den Märkten bezieht.

Die Frage hat also einen mittleren Zeithorizont im Sinne Wochen bis Monate, aber weder Tage noch Jahre.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Die große Dissonanz

Sie wissen aus vielen Artikel hier auf Mr-Market, wie wichtig es ist, sich nicht dem Markt entgegenzustellen und diesen zu bekämpfen, sondern ihm zu folgen. Viele, viele Jahre haben wir in der Community so profitiert und das Depot vervielfacht, während die, die glaubten klüger als der Markt zu sein und Crash-Gurus hinterher gelaufen sind, dabei ihre Depots ins Minus gedrückt haben.

Trotzdem gibt es Momente, in denen auch ich eine Dissonanz spüre, ein großes Loch zwischen dem was der Markt macht und dem, was ich glaube er normalerweise tun *würde* bzw *sollte*. Das kommt selten vor, aber es kommt vor und dann ist es fast immer eine Sondersituation, die für alle schwer einzuschätzen ist.

Und so einen Moment haben wir gerade im Zuge des Corona-Virus, der außerhalb Chinas zwar bisher noch im Griff zu sein scheint, aber innerhalb Chinas noch keineswegs beherrscht wird, sondern sich weiter ausbreitet.

Wer das visualisiert dargestellt sehen will, kann das -> hier bei John Hopkins <- jederzeit tun.

Dabei muss man nun zwei Dinge auseinander halten. Unsere eigenen Ängste, dass wir wie die Mitarbeiter bei Webasto angesteckt werden, sind die eine Sache. Darum geht es hier nicht und die Börse interessiert sich auch nicht für Individuen, außer sie sind Präsidenten mit Millionen an Followern bei Twitter.

Was die Börsen aber interessiert sind leerstehende Fabriken, stillgelegte Bänder, Zwangsferien und eine Störung der Lieferketten.

Und genau das haben wir zunehmend in China, der Werkbank der Welt und werden wir bei Fortschreiten des Virus in China schon bald auch hier mit Lieferschwierigkeiten bemerken, weil Vorprodukte fehlen. Auch das Gesundheitswesen steht unter diesem Risiko, weil in China auch Fabriken für Grundstoffe stehen, die zur Medikamentenproduktion benötigt werden und nur schwer zu ersetzen sind.

Vergleiche zu SARS sind dabei schief und leiten auf einen falschen Pfad, SARS hatte nicht so hohe Fallzahlen und hat sich nicht so ausgebreitet, wie der neue Corona-Virus.

Eine Reihe von Firmen haben schon vor Problemen wegen zusammenbrechender Lieferketten und fehlender Vorprodukte gewarnt oder ihre Fabriken in die Zwangsferien geschickt, Tesla, Apple, Nintendo und viele andere sind schon dabei. Und weitere werden folgen, mit jedem Tag mehr.

Alles hängt nun von der weiteren Entwicklung der Ansteckungszahlen ab, die an einem kritischen Punkt sind, denn langsam müssten sich nun Chinas Abschotttungsmaßnahmen bemerkbar machen, wenn sie tatsächlich eine positive Wirkung haben, es sind jetzt bald 3 Wochen seit dem Beginn vergangen.

Nun sind die Börsen ja aber dafür bekannt, dass sie als Seismographen schon kleine Risiken im Vorfeld erahnen und abstrakt in die Kurse einbacken. Börsen sind die besten Frühindikatoren die wir haben, die hören sozusagen schon das Gras wachsen.

Warum passiert das dann beim Virus nicht? Warum wurde die startende Korrektur, die vom Virus getriggert wurde schon aggressiv gekauft, obwohl es keinerlei Entwarnung und auch keine sich abflachenden Fallzahlen gibt?

Zum Einen spielt sicher eine Rolle, dass die Ausbreitung bisher weitgehend auf China beschränkt werden konnte. Wenn in Europa oder China die Fallzahlen hoch gehen sollten, wird das aber zu einer anderen Börsen-Reaktion führen.

Und wenn man die neuen Erkenntnisse ernst nimmt, nach denen das Virus bis 9 Tage auf Klinken und Handgriffen überleben kann und die Infizierten auch mit nur minimalen Symptomen ansteckend sind, erscheint es unwahrscheinlich, dass das Virus wirklich auf China begrenzt bleiben kann.

Aber selbst wenn man vom positiven Fall einer Begrenzung auf China ausgeht, bleibt doch die immense Gefahr für die Lieferketten, die der Markt aktuell einfach zu ignorieren scheint. Täglich kommen nun neue Nachrichten von Unternehmen herein, die in ihren Liefer- und Produktionsketten Probleme haben oder diese befürchten. Noch ignoriert der Markt das weitgehend.

Und genau dabei dürfte zum Anderen das frische Geld der Notenbanken eine Rolle spielen. FED, PBOC (People Bank of China) und wie sie alle heissen, fluten die Märkte mit Liquidität und Liquidität treibt.

Ich habe an anderer Stelle schon erklärt, dass selbst im Armageddon, im Weltuntergang, Kurse theoretisch steigen könnten, wenn die Notenbanken nur genug "drucken" und alles an Assets aufkaufen, was bei Drei nicht auf dem Baum ist.

Es ist diese Liquidität, die die Kurse wieder treibt und die Ängste vor ausfallenden Lieferketten in einer vernetzten Weltwirtschaft überlagert.

Und genau da liegt nun meine persönliche Dissonanz.

Denn ich bin nicht sicher, ob Liquiditätsspritzen noch helfen, wenn echte Waren einfach fehlen, wenn Medikamente nicht mehr lieferbar sind. Die Notenbanken haben hohe Macht, sie sind aber nicht allmächtig, weil man Geld nicht essen kann.

Eine Notenbank kann weder eine Pandemie mit einem erneuten Quantitative Easing (QE) bekämpfen, noch kann sie kranke Arbeiter wieder gesund machen, sie kann bestenfalls die wirtschaftlichen Folgen mindern, das wars dann aber schon.

In nun 30 Jahren, in denen ich an der Börse unterwegs bin, habe ich Demut gelernt dem Markt zuzuhören und ihn nicht zu bekämpfen. Diese Haltung hat seit 2009 zu hohen Gewinnen geführt, die andere verpasst und bekämpft haben.

Deshalb stellen wir uns bei Mr-Market auch nicht gegen die aktuelle Stärke und sind dabei. Allerdings haben wir ein wenig Luft heraus genommen, Teil-Gewinne mitgenommen und stehen sozusagen "Gewehr bei Fuss", um die eigenen Positionen abzusichern.

Denn ich traue dem Geschehen nicht, ich sehe die Lieferketten nun in Gefahr, wenn der Anstieg der Fallzahlen jetzt nicht ganz schnell endet und danach sieht es nicht aus. Und ich frage mich, wann der Markt durch die herabrieselnde Liquidität anfängt hindurch zu schauen und beginnt die zumindest große Konjunktur-Delle zu sehen, die da nun aus China kommen könnte - wenn nicht mehr.

Und über die Lieferketten hinaus, stellt sich ja vielleicht bald auch die Frage nach der Stabilität des chinesischen Systems, denn Repression kann man nur so lange aufrecht erhalten, solange die Vertreter der Repression selber nicht betroffen sind. Es gibt nicht viele Szenarien, die so ein ausgefeiltes System zum Einsturz bringen können, eine landesweite Gesundheitskrise gehört aber dazu.

Manchmal hat man eben eine Dissonanz zum Markt, daran ist nicht Anormales, das gehört dazu. Es ist wichtig diese zu erkennen und dabei eine rationale Schlußfolgerung zu ziehen. Man darf sehr wohl höhere Vorsicht walten lassen, das ist rational.

Nur *gegen* den Markt stellen sollte man sich nicht, denn der hat immer Recht - bis er die Richtung wechselt und dann wieder Recht hat. 😉

Ich halte höhere Wachsamkeit - nicht Panik, Wachsamkeit - in den kommenden Wochen nun für geboten, die Risiken sind nun deutlich erhöht, während sie das im ganzen 4. Quartal 2019 nicht waren.

It doesn´t matter until it matters.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Die Lust am großen Untergang

Der Weltuntergang hat wieder Konjunktur. Im Finanzmarkt kennen wir das ja zu Genüge, jedes Jahr hat seine "Propheten", die mit dem Wort vom "Crash" zuverlässig Aufmerksamkeit und Klicks bekommen. Meistens sind damit wirtschaftliche Interessen verbunden, denn "Crash sells" und zwar so gut wie kaum etwas anderes. Das hat mit unseren evolutionären Prägungen zu tun, die uns zwingen bestimmte Risiken überzubewerten, aber das ist eine andere Geschichte für andere Artikel. Aber klar ist, dass sich Anleger von diesen Stories sozusagen am evolutionären Nasenring durch die Manege ziehen lassen.

Aber auch in anderen Bereichen des Lebens, fährt die Apokalypse-Industrie ja gerade Vollgas, ich muss das nicht ausführen, wir erleben das ja medial täglich und auch als wohlmeinender, rationaler Mensch, der fossile Energieträger aus vielen sinnvollen Gründen einfach nur schnell abschaffen und ersetzen will, kann man nur den Kopf über diese völlig überdrehten Übertreibungen schütteln. Die Apokalypse-Industrie ist derzeit im Schnappatmungs-Modus und wenn man historische Vorlagen nimmt, kommt danach wahrscheinlich Erschöpfung und Abstumpfung bei den Einen und Radikalisierung mit selbstermächtigter Gewalt bei den anderen.

Aber das soll hier jetzt nicht weiter Thema sein, es passt nur ins Bild unserer Gesellschaft. Hier reicht uns schon der Blick auf die börsenorientierte Apokalypse-Industrie und da war vor einigen Jahren im Manager Magazin Online ein sehr schöner Artikel zu den Denkstrukturen von "Untergangspropheten", die unser Finanzsystem und die westliche Welt im allgemeinen vor einer historischen Zäsur sehen. Bitte lesen Sie hier über eine -> Expedition in die Welt der Untergangspropheten <-.

Das Verrückte daran ist, ich gebe einigen der Ansichten ja im Kern Recht bzw. ich halte diese für durchaus denkbar und keineswegs für unmöglich - einige Ansichten sogar für wahrscheinlich. Und viele dieser Leute sind intelligent, seriös und voller Erfahrung in wirtschaftlichen und finanziellen Dingen. Auf jeden Fall mit weit mehr Erfahrung, als der durchschnittliche Wähler, der sich lieber über Orchideenthemen ereifert, sich von der Politik einlullen lässt und am Nasenring durch die Gegend geführt wird, statt die historischen Zeiten zu erkennen, in denen wir leben. Wir konnten das ja viele Jahre beobachten, wie über Deutschland bewusst ein Schleier der Ruhe und Normalität gelegt wurde, weil man halt im Schlafwagen am besten die Macht erhält.

Trotzdem machen die im Artikel dargestellten Menschen in meinen Augen einen massiven und grundlegenden Fehler. Und es ist der gleiche Fehler, den auch viele Aktienanleger machen, wenn sie sich in eine Aktie verlieben und sich auf bestimmte Prognosen versteifen. Und deshalb schreibe ich in diesem Artikel ausführlich zu dieser Geisteshaltung.

Denn wenn man beispielsweise die Entscheidung schon heute "in die Pampa" zu ziehen und einen "Bunker" zu bauen als eine Investitionsentscheidung in eine Aktie betrachtet, dann verhält diese Entscheidung sich so, wie der Anleger, der einen festen Glauben in den Turnaround einer Aktie entwickelt und diese hält und hält und hält, während sie fällt und fällt und fällt. Einfach weil sein Glaube unerschütterlich ist.

Das man so an der Börse nicht erfolgreich sein kann und Glauben hier nichts verloren hat, dürfte Lesern dieses Blogs mittlerweile völlig klar sein. Und selbst wenn der Anleger dann irgendwann Recht bekommt, muss man ihn fragen warum er sein Kapital vorher jahrelang in einem "loosing Trade" gebunden hat und damit nichts Besseres gemacht hat. Denn es wäre ja immer noch früh genug gewesen in diese Aktie zu springen, wenn sie denn tatsächlich dreht. Den Vorteil gegenüber den anderen Marktteilnehmern hat man schon alleine dadurch, dass man sich der Möglichkeit des Drehens wohl bewusst ist. Alleine dadurch wird man zu den Ersten gehören, die die Chance erkennen, wenn sie denn da ist. Das jahrelange Warten vorher, hat dagegen nur Verluste produziert und zwar monetärer wie emotionaler Art.

Und es gibt einen weiteren wichtigen Aspekt. Unser Leben ist begrenzt und 10 Jahre im mittleren Lebensabschnitt - in dem man gereift und voller Wissen, aber noch ohne Krankheiten und Maleschen - sein Leben gestalten kann, sind eine Menge unwiederbringliche Zeit. Selbst also wenn in 10 Jahren das Armageddon kommt, die öffentliche Ordnung zusammen bricht und wir alle nur noch Rüben essen - macht es dann Sinn, die 10 Jahre davor in Angst zu verschenken ? Macht das die Jahre danach irgendwie besser ? Im Endeffekt begeht man so frühzeitig Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Die folgende Gedankenhaltung ist deshalb nach meiner Erfahrung auch für die Geldanlage ganz entscheidend:

(1) Versteifen wir uns nicht auf eine einzelne mögliche Zukunft, auch wenn sie noch so überzeugend daher kommt. Behalten wir einen offenen Geist, der Möglichkeiten und Opportunitäten erkennt. Die Welt ist weit komplexer und die Interdependenzen zu mannigfaltig, als das man mit 2 oder 3 Variablen eine zuverlässige Sicht auf die Zukunft erstellen könnte.

(2) Vergessen wir bei allem berechtigten Nachdenken über die Zukunft nicht im "Hier und Jetzt" zu leben, denn diese Zeit kommt nicht wieder. Was haben wir davon, wenn wir zwar kurz vor unserem Lebensende "Recht" bekommen, aber vorher nie gelebt haben und für unsere Lieben keine Zeit hatten ? Auf die Börse übertragen heisst das, wir nehmen die Chancen des "Hier und Jetzt" wahr und vergeuden unser Portfolio nicht im Warten auf prognostizierte Ereignisse der Zukunft.

(3) Den Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Menschen erzeugen wir nicht, in dem wir zu früh auf eine Prognose aufspringen. Zu früh ist nur eine andere Form von Falsch! Den Wettbewerbsvorteil haben wir, wenn wir uns der Möglichkeiten bewusst sind und so einen Wechsel erkennen, wenn er kommt. Und in dem wir uns so schneller anpassen können als die anderen. Wenn der Umbruch kommt, denn das ist vorher keineswegs sicher. Unser Vorteil ist also die wache Beobachtung und nicht die vorschnelle Handlung!

Wenn wir diese Denkstrukturen haben, haben wir die Grundvoraussetzung, um an den Finanzmärkten erfolgreich sein zu können. Denn dort müssen wir opportunistisch die Chancen ergreifen, die sich uns bieten. Und um diese zu erkennen, müssen wir vorher in Möglichkeiten denken - eben nicht in Weissagungen und vermeintlichen Sicherheiten.

Wenn wir aber an der Börse so agieren wie die, die sich schon heute in den Bunker zurück ziehen, wird Erfolg unmöglich sein. Und wir werden in einem "Loosing Trade" bis zum bitteren Ende sitzen. Und dann, wenn wir dann emotional am Boden sind und endlich verkauft haben - dann tritt der Fall doch ein, auf den wir so lange gewartet haben. Wer hat je gesagt, dass das Schicksal auf uns Rücksicht nimmt?

Lassen Sie uns heute also den möglichen Untergangs-Realitäten mit Überzeugung und Selbstbewusstsein ins Gesicht lachen. Lassen Sie uns heute die Vorbereitungen auf die verschiedenen Zukunftsalternativen treffen, die wir mit sinnvollem, begrenzten Aufwand heute durchführen können. Aber lassen Sie uns erst dann beherzt und gezielt zupacken und uns festlegen, wenn es wirklich nötig wird und der Mantel des Schicksals vorbei kommt! Mehr als ein paar wenige, gezielte Notfall-Vorbereitungen, sind bei einer prinzipiell offenen Zukunft eher sinnlos. Wichtiger ist, die Möglichkeiten der Zukunft zu durchdenken und sich so in gedanklicher Offenheit vorzubereiten.

Der Gewinn wird hier und heute gemacht. Und das Glück kann auch im hier und heute gefunden werden !

So......

Und nach diesen Worten muss ich Ihnen nun gestehen, dass ich Sie bewusst hinters Licht geführt habe. 😉

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Wir Cyborgs – Widerstand ist zwecklos


Wir hier in der Mr-Market Community haben die Zukunft immer auch als Chance im Blick. Natürlich gehören zu Chancen auch immer Risiken, die werden aber von der derzeit allgegenwärtigen "Apokalypse-Industrie" mehr als ausreichend bedient. 😉

Und wenn man in der Wirtschaft und an den Börsen mit Innovation und technologischen Umbrüchen erfolgreich sein will, braucht man sowieso einen chancenorientierten, der Zukunft zugewandten, positiven Blick, denn mit der Haltung eines mürrischen Grantlers oder panischen Karnickels ist es schwer, die "Apples" und "Googles" des Jahres 2050 früh zu identifizieren und dann auch früh ins Depot zu nehmen, geschweige denn so eine Firma aufzubauen.

Deshalb tauschen wir uns auch immer mit offenem Visier über Zukunftsszenarien aus und diskutieren, was das für die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Firmen darin bedeutet. Und schauen, ob wir schon heute börsennotierte Firmen finden, die in diese Richtung unterwegs sind.

Deshalb gibt es auch immer wieder Artikelreihen zu Zukunftsthemen und eine aktuelle Reihe behandelt gerade die Frage, was uns im Jahr 2050 denn so erwarten könnte und welche technologischen Entwicklungen heute schon im Gange sind, die vielleicht 2050 zum täglichen Straßenbild gehören.

Daraus will ich Ihnen heute einen kleinen Auszug im freien Bereich zeigen, der aus einem größeren Artikel vom Oktober 2019 stammt. Viel Spaß beim Blick durchs Bullauge in die Zukunft!

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Szenario 2: Cyborgs sind 2050 die Norm

Die IT Technik schreitet mit exponentieller Geschwindigkeit voran, gleichzeitig wachsen "Life Sciences" und das Bedürfnis, sich selber zu verbessern.

Schon bald werden Sensoren und Chips nur noch so marginale Grössen haben und so wenig Strom verbrauchen, dass sie problemlos und unsichtbar implantiert werden können, um diverse Funktionen zu erfüllen.

Das können rein medizinsche Funktionen sein, sozusagen wie eine Medikamentendosierung oder ein mikroskopischer Herzschrittmacher. Medizinische Anwendungen werden aber nur eine kleine Untermenge sein.

Schon bald wird aber auch die Verbesserung von Körper- und Geistesfunktionen ein Thema der Forschung sein, weil damit riesige Gewinne winken. Muskeln stimulieren, Übersetzungschips im Ohr, das Gehirn anregen, Körperprozesse verbessern oder verlängern, der Phantasie und dem Wunsch einen Vorteil zu erlangen, sind kaum Grenzen gesetzt. Die Forschung in dem Bereich wird explodieren, weil dahinter ein massiver Bedarf steckt.

Getrieben wird der Bedarf auch durch den massiven Aufstieg von Unterhaltungssystemen, in denen Menschen in virtuellen Welten unterwegs sind. Wofür man heute noch eine Brille aufsetzt, wird dann durch den Anschluss einer bionischen Schnittstelle an zentrale Unterhaltungssysteme viel effizienter möglich sein und das Thema weiter pushen, weil die Menschen es haben wollen. Die Pornoindustrie wird dabei ganz vorne dabei sein.

Niemand wird deswegen wie ein "Borg" aussehen, dazu sind diese Implantate des Jahres 2050 viel zu klein. Von einer kleinen Schar Puristen abgesehen - so wie heute die Amish-People - wird die Mehrheit nach anfänglichem Zögern diese Implantate aber annehmen, so wie heute Brillen normal sind. Und diese Implantate sind nicht zu sehen.

Aber wenn andere beispielsweise ihre Konzentrationsfähigkeit erheblich anheben können, dann braucht man das auch, um selber nicht zurück zu bleiben. Wer will zB nicht das Gesichtsfeld erheblich verbessert haben?

Klar, heute sagt man leichthin "das brauche ich nicht". Das hat man anfangs aber auch zu Handy, Notebook und vielem anderen gesagt. Warten wir aber mal ab, wenn die Menschen den Vorteil erlebt haben.

So werden Menschen des Jahres 2050 auf die eine oder andere Art und Weise durch Implantate "verbessert" sein, ansehen wird man es Ihnen aber nicht. Mit den heutigen Vorstellungen von Cyborgs, wird das also nichts zu tun haben, Menschen werden aber faktisch welche sein.

Ein riesiges Geschäft wird um das Thema der Verbesserung der Körper- und Sinnesfunktionen entstehen, einerseits medizinisch motiviert und andererseits darüber hinaus, mit dem Ziel einen Vorteil zu erlangen oder sich medial zu unterhalten.

Steve Jobs hat mal gesagt, dass er glaube, dass die größten Innovationen des 21. Jahrhunderts an der Schnittstelle von Biologie und Technologie entstehen werden. Und das eine neue Ära beginnt. Ich glaube dass er recht hat.

Das Geschäft wird von neuen Firmen oder neuen Ablegern alter Firmen wie Apple gemacht werden, die eine Form von "biologischen Chips" entwickeln, also die Synthese von heutigen Chips und Biofunktionen.

Eine Apple Watch mit der Überwachung der Herzfrequenz, ist von diesem Trend der erste ganz klitzekleine, klobige Anfang. Glaubt jemand ernsthaft, dass man zur Überwachung dieser Körperfunktionen in 30 Jahren noch Uhren braucht? Nein, mikroskopisch kleine Implantate werden genügen.

Und es wird nicht nur "überwacht", sondern auch massiv "verbessert" und mit elektronischen Systemen "verbunden" werden. Ein Multi-Billionen-Markt - nicht Milliarden, Billionen.

Und falls Sie denken, dass ich hier "spinne", behaupte ich, dass ich wahrscheinlich zum Thema noch zu defensiv bin, wenn man 30 Jahre als Zeitraum nimmt. Schauen Sie mal, -> was Facebook hier gekauft hat <-.

Die Verschmelzung von Mensch und Maschine, hat schon begonnen. Nach einer Hype-Phase, die bald beginnen könnte, werden erst einmal die Mühen der Ebene kommen und alles nicht so schnell gehen, wie erhofft. Aber in 30 Jahren? Da ist wohl das Plateau der Produktivität erreicht.

Was die Verbindung des Gehirns mit Computern angeht, bin ich auch im Zeitraum 30 Jahre immer noch eher skeptisch. Was sonstige Verbesserungen von Körperfunktionen angeht, aber nicht.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Weltgeschichtliche Gezeitenwende



Dieser grundlegende Artikel erschien im Mai diesen Jahres im Premium-Bereich und zeigt, dass wir uns bei Mr-Market auch jenseits von Börse und Finanzen mit Grundsätzlichem beschäftigen.

Der Artikel wurde nur marginal um interne Referenzen bereinigt und steht Ihnen im freien Bereich nun nahezu unverändert zur Verfügung.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Die Gedanken, die ich heute mit Ihnen teilen will, habe ich eigentlich alle schon geäussert, in kurzen Kommentaren, in Streams, oder im Forum. Nur nicht als ein zusammenhängender Gedankengang und heute will ich den aufschreiben.

Denn das was gerade in der Welt passiert, erscheint mir so bedeutend - auch für unsere Anlagen bedeutend - dass ich dem Thema einen eigenen Artikel widmen will, damit es genügend Aufmerksamkeit bekommt und wir auch idealerweise in eine spannende Diskussion dazu einsteigen.

Denn in den letzten Jahrzehnten, eigentlich seit dem Fall des eisernen Vorhangs vor knapp 30 Jahren, hat die Welt nur eine Richtung gekannt, das Zusammenwachsen. Gerade auch im Handel hat man das gemerkt, neue Absatzmärkte wurden erschlossen, für die Firmen wurden große, neue Umsatzpotentiale erschlossen. Und der Aufstieg Chinas, wäre ohne freien Handel gar nicht denkbar gewesen, denn nur so konnte China erst zur Werkbank der Welt aufsteigen und sich dann gezielt Technologien aneignen, deren Eigenentwicklung ansonsten eher Jahrzehnte gedauert hätte.

Der Welthandel war also eine Win-Win-Situation für alle und gerade China hat davon am meisten profitiert, weil es Jahrzehnte des technologischen Aufholens einfach überspringen konnte und ihm der Westen dafür in einer Mischung aus Wohlwollen und Naivität, noch den roten Teppich ausgelegt hat.

Ich persönlich vermute, dass wir nach knapp 30 Jahren gerade das Ende dieser weltgeschichtlichen Phase erleben und in eine neue Phase eintreten. Und der derzeit laufende Handelskonflikt, ist nur ein Symptom einer weit generellen Entwicklung, das Pendel schwingt sozusagen zurück.

Der Grund ist, dass das Zusammenwachsen der Welt überdreht hat, es ist zu schnell, zu übertrieben abgelaufen und die Gegenbewegung hat schon begonnen.

Auf der gesellschaftlichen bzw politischen Ebene, erleben wir das mit dem Aufstieg von Identität stiftenden Bewegungen in allen politischen Lagern, die offensichtlich das Herz der Menschen erreichen.

Auf der "rechten" Seite nennen sich diese "Identitär" und vertreten einen "Ethnopluralismus", der den alten Rassenbegriff durch eine kulturelle Identität ersetzt, diese aber wie beim alten Rassebegriff auch gegen "Verfremdung" beschützen und zu anderen Kulturen deutlich abgrenzen will. Es ist diese Ähnlichkeit der Abgrenzung zu anderen, die der Denkschule den Vorwurf des "Rassismus" einbringt.

Wenn man so will, ist der "Ethnopluralismus" die politische Entsprechung zum allgemein akzeptierten Bild einer multipolaren Welt, die aus wenigen, mächtigen Blöcken besteht. Und diese Blöcke haben eine hohe kulturelle Identität, wie eben "der Westen" gegenüber China und seinen Satelliten. Das zu erkennen, heisst ja aber noch nicht, die Kulturen gegen andere abzuschotten, insofern gibt es bei dieser Denkschule viele Facetten, von denen einige harmlos und andere nahe an alter Rassenlogik sind.

Auf der "linken" Seite, wird in extremer Form eine entgrenzte Welt im Sinne "Niemand ist illegal Nirgendwo" vertreten, gleichzeitig entfaltet die Linke aber auch massiv Identität stiftende Aktivitäten, die sich in immer feiner ziselierten Minderheiten zeigen, zu denen man sich zugehörig fühlen und durchaus aggressiv zu anderen abgrenzen kann.

Wenn man so will ist das ein Widerspruch in sich, denn in einer entgrenzten, "flachen" Welt, sollte die Betonung des "Anderssein" gar nicht mehr nötig sein. Das wärmt aber nicht das Herz der Menschen, die sich als soziale Wesen zu einer (idealerweise herausgehobenen) Gruppe zugehörig fühlen wollen, weswegen auf der Linken die "Minderheiten" spriessen, zu denen sich jeder irgendwie zugehörig fühlt.

Dieses irreale Menschenbild, war schon einer der Widersprüche des Sozialismus. Die Menschen wollen aber gar nicht alle "gleich" sein, sondern legen großen Wert darauf "besonders" und "anders" zu sein. Sie wollen nur nicht, dass es anderen besser geht als ihnen. In einer gemässigten Form ist das eine positive Triebfeder sich zu engagieren, in einer übersteigerten Form, nennt man das auch Neid. 😉

Beide Denkschulen, die Identitären wie die Identitätsströmungen, fussen aber imho auf einem Grundbedürfnis der Menschen, dem Zugehörigkeitsgefühl zu einer halbwegs homogenen Gruppe. Gerade auch in der Abgrenzung zu anderen, definieren wir soziale Wesen ja unser Selbst, denn wer wir sind, wird auch dadurch definiert, zu welcher Gruppe wir gehören.

Nebenbei gesagt, ist der neue Aufstieg religiösen Denkens nach meinem Eindruck auch Folge dieser Suche nach Identität, denn Religionen stiften sozialen Zusammenhalt und erlauben sich gegen "die Anderen" abzugrenzen und zu "erheben".

Insofern ist der politische Aufstieg dieser Denkschulen auf beiden Seiten Ausdruck einer zu weit und zu schnell gegangenen Entgrenzung der Welt in den letzten Jahrzehnten, für die auf der Linken der "weltweite Kapitalismus" und auf der Rechten die "Entgrenzungs-Ideologie" verantwortlich gemacht wird.

Ich denke beide Seiten haben da nicht ganz Unrecht, die Welt hat sich einfach zu schnell aufeinander zu bewegt und da wir als Menschen noch keine globale Identität besitzen - die bräuchte wohl die Herausforderung bzw Gefahr von außen, die "Aliens" sozusagen - werden menschliche Urbedürfnisse der Zugehörigkeit derzeit nicht ausreichend befriedigt und brechen sich Bahn. Die unterschiedlichen politischen Label sind aber nur Ausprägungen, des gleichen Grundproblems, auch wenn das beide Seiten vehement abstreiten werden.

Ein etablierter, saturierter Bürger in einem homogenen, kulturellen Umfeld, braucht diese Denkschulen auf beiden Seiten nicht, weil er sich eingebettet in einer Identität stiftenden Kultur wohl fühlt, die ihn umgibt. Er kann Fremden daher aufgeschlossen und interessiert gegenüber treten und braucht sich auch nicht über Kleingruppen oder die Zugehörigkeit zu einer konstruierten Minderheit definieren.

Das war zum Beispiel eher die Welt der Bundesrepublik vor dem Fall des eisernen Vorhangs, sie hatte zwar auch etwas Spiessiges, es gab aber genügend bürgerliche Stabilität um einen herum, so dass nicht Zugehörigkeit und Abgrenzung, sondern die Neugier und das persönliche Erobern der Welt, erstrebenswert erschienen.

Auch auf der Linken gab es diese Identitätspolitik damals nicht so stark, dabei waren doch spezifische Gruppen wie beispielsweise LGBT, damals unter weit stärkerem Druck als heute und damals noch wirklich gesellschaftlich geächtet.

Wenn man so will, steigt das Ausmaß der lautstark deklamierten Identität, mit der sinkenden Diskriminierung dieser Gruppen. Ein Widerspruch in sich, der eben nur wie oben als die Befriedigung eines menschlichen Grundbedürfnisses erklärt werden kann.

Denn in einer flachen Welt würde es genügen, dass alle genügend Toleranz haben, um jedem seine Vorlieben zu lassen und niemanden deswegen zu diskriminieren. Die neuzeitliche Obsession, sich über immer kleinere Spezialgruppen zu definieren, die wir ja auch bei den -> mittlerweile bis zu 60 <- phantasierten "Geschlechtern" finden, ist für mich nur vor dem Hintergrund der Lust an der eigenen Identität, der Abgrenzung zu anderen also, zu erklären.

Zusammenfassend kann man in meinen Augen sagen, dass viele Menschen die "Entgrenzung" der Welt der letzten Jahrzehnte als einen unguten Stressfaktor empfinden. Die einen suchen kulturelle Identität, die anderen Zugehörigkeit zu einer Subgruppe (Minderheit), beide versuchen aber nach meinem Eindruck ein unbewusstes Unbehagen aufzulösen, das uns fast alle befallen hat, weil es eben menschlich ist. Jemand der gelassen und selbstbewusst in sich ruht, muss sich weder schnell vor Fremden fürchten, noch seine Identität über die Zugehörigkeit zu immer kleineren Minderheiten definieren.

Diese Parallelität einer Identitätssuche in beiden politischen Lagern, würde natürlich vehement bestritten werden, weil jeweils immer nur die anderen "bekloppt" sein können. Auch das ist ja Identität, wie bei verfeindeten Fussballvereinen. Ich bin aber sicher, wenn man mal unvoreingenommen darüber nachdenkt, wird man ähnliche, höchst menschliche Instinkte hinter diesen Mechanismen finden.

Der Mensch braucht Zugehörigkeit und Zugehörigkeit kommt mit Abgrenzung.

Die Auswirkungen dieser Bedürfnisse, können wir auf jeden Fall überall im westlichen Politbetrieb wiederfinden. Auch Trump ist selbstverständlich Produkt dieser Entwicklung, er ist eine Reaktion auf Entgrenzung und mangelnden Halt.

Ebenso wie übrigens die Aggressivität der "Schneeflöckchen" gegen alles, was die eigene Weltsicht in Frage stellen könnte, ein Symptom dieser Haltlosigkeit und der Identitätssuche ist. Denn man kann nur dann offen und aufgeschlossen anderen Gedankenwelten begegnen, wenn man selber auf stabilem, psychologischem Grunde steht.

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Drama – Liebe – Wahnsinn

Ich weiss nicht, ob Sie noch zu der Generation gehören, die sich noch an die alten "Väter der Klamotte" Folgen erinnert - damals als man als moderner Mensch noch vor dem Fernseher sass. Heute wird das mehr und mehr zum Medium derer, die das Internet als "Neuland" betrachten oder sich wie zuletzt Uli Hoeness, damit zu profilieren glauben, dass sie -> noch nie ins Internet geschaut hätten <-.

Diese "Väter der Klamotte" Folgen hatten am Anfang einen Vorspann, der unter dem Motto "Drama - Liebe - Wahnsinn" stand, wer sich nicht erinnert, kann das zum Beispiel -> hier <- bei Youtube tun.

Wenn Sie den Bildern folgen, sehen Sie schnell, dass es eine wunderbare Beschreibung des abgelaufenen Börsen-August ist, viel Drama, am Ende aber wenig Ergebnis:

In meinen Worten hier im freien Bereich vor den Ferien, hatte ich ja genau so eine volatile, richtungslose Seitwärtsbewegung über den August erwartet. Allerdings hat der größte Präsident aller Zeiten mit seiner völlig überraschenden Eskalation der Handelsgespräche Anfang August dafür gesorgt, dass diese etwas tiefer und volatiler ausgefallen ist, als erwartet.

Den Höhepunkt erreichte das Geschehen dann am Freitag 23.08., als Trump für einen Moment überzogen hat und der Markt ihn mit massiven Abgaben bestraft hat, als er glaubte im Sinne "I hereby order" einfach alle Firmen auffordern zu können, sich aus China zurück zu ziehen.

Erlebt haben wir in dem Moment aber auch, wer Trump wirklich im Griff hat und das sind die US-Indizes, wenn die fallen, dann reagiert er, denn er will eine Wahl gewinnen. Und so hat er über das Wochenende den Hebel umgelegt, den Fehler korrigiert und die Geschichte von den anrufenden Chinesen kreiert. Und da die Chinesen letztlich mitgespielt haben, hat es den Markt gedreht.

Für die Frage, wie das nun in den Indizes weiter geht, ist das alles eher ohne Belang, denn der Übergang vom Sommer in den Herbst, börsentechnisch markiert durch den US Feiertag "Labor Day", ist aus Sicht der Marktlage ein wenig so wie ein Neuanfang zu sehen.

Selten haben die Kursbewegungen des Sommers dann noch Bedeutung und Aussagekraft für die kommenden Wochen, dieser Tag ist wie ein Schnitt, an dem ein neuer Abschnitt beginnt, der Abschnitt der zum Jahresende hinführt.

Unterstützt wird dieser Effekt dadurch, dass nach dem heutigen "Labor Day" die "A-Teams" wieder an die Handelstische zurückkehren, das Volumen steigt deutlich gegenüber dem August und der Markt wird wieder mehr von grundlegenden Richtungen getrieben, während er im Hochsommer gerne in der Hand technischer Spielereien ist.

Wenn ich nun hier im freien Bereich ganz oberflächlich in die kommenden Wochen schauen soll, sind die folgenden Ausssagen zur Einordnung wichtig, die ich Ihnen nun einfach so zur Verfügung stelle und Sie auf Ihre Bedürfnisse übersetzen müssen. Tiefere Diskussionen und Einblicke gibt es nur in der Community, der Blog geht nun wieder in den Normalmodus über - mit in der Regel 2 Artikeln pro Tag.

(1) Wichtig für uns als Anleger ist nun, was bis zum Jahresende passiert und nicht, was 2021 passieren "könnte".

(2) Das ganze Gerede um "Inverted Yield Curve" und mögliche Rezessionen ist nun auch irrelevant, selbst wenn in den US in 2020 eine kommt, können die Kurse trotzdem zum Jahresende steigen. Oder mit anderen Worten "zu früh ist nur ein anderes Wort für falsch".

(3) Von der typischen Saisonalität her, kommen mit September und Oktober nun riskante und schwierige Monate, bevor dann im November typischerweise die Jahresendrally einsetzt. Nachdem das Jahr 2018 mit seinem Einbruch bis Heiligabend völlig aus diesem Muster gefallen ist, spricht viel dafür, dass dieses Jahr wieder typischer wird.

(4) Die Erwartungen der Anleger und deren Stimmung, wechseln aktuell zwischen skeptisch bis bärisch. Praktisch alle Indikatoren, die das Sentiment messen, zeigen einen hohen Anteil Skepsis und kaum jemanden, der schlícht bullisch zum Jahresende ist. Das ist eher ein Kontraindikator.

(5) Medial wurden alle bärischen "Säue" endlos durch das Dorf getrieben. Eine kommende Rezession wurde aus allen Blickwinkeln immer und immer wieder beleuchtet. Starke Kursbewegungen beruhen aber auf Überraschungen, weil anderes schon teilweise in den Kursen ist.

(6) "The Powers that be", die Notenbanken und die hohe Politik, haben alle ein Interesse daran, diesen Markt am Laufen zu halten. Selbst für die Chinesen und Xi gilt das wohl, die am Ende rational immer noch sicherer damit fahren würden, jetzt mit einem Schwäche zeigenden Trump einen Deal zu machen, als das Risiko zu gehen, nach der US Wahl einem von Wiederwahl-Erwägungen befreiten Trump gegenüber zu stehen, der dann noch viel aggressiver agieren kann und wird.

(7) EZB (nächste Woche) und FED (übernächste Woche) werden nach aller Wahrscheinlichkeit den Markt stimulierende Beschlüsse fällen. Schaden wird es ihm nicht, wobei die Frage immer ist, wie weit das von den schon eingepreisten Erwartungen abweicht.

(8) Ein echtes Risiko wäre eine Eskalation in Hongkong, Hongkong ist ein wesentlicher Handelsplatz mit erheblichen Auswirkungen auf die Märkte.

(9) Technisch gesehen, hat die volatile Range des August den Boden für eine direktionale Ausbruchsbewegung nach oben oder unten gelegt, wobei diese Range durchaus im September noch etwas andauern könnte.

In Summe sind das keine so schlechten Voraussetzungen für ein positives Jahresende mit neuen Hochs, vorher bleibt es aber wohl volatil. Ein Einbruch und eine Rezession kann in 2021 trotzdem kommen, das Geld wird aber nun mit dem verdient, was in den kommenden Wochen und Monaten passiert und nicht mit medialen Spekulationen und Hirngespinsten.

Diese medialen Spekulationen dienen nun einmal primär dazu Klicks zu generieren, wer gerade am Finanzmarkt das nicht auseinander halten kann, wird immer wieder wie die Sau zur Tränke geführt, nur um dann abgeschlachtet zu werden.

Ich wünsche einen erfolgreichen Start in den Lauf zum Jahresende, die Weihnachtsmänner kommen schon bald in die Regale der Einzelhändler! 😛

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Nix mit Hamptons – Wer schickt Trump mal zum Golfen?

So geht es manchmal, immer wieder habe ich auch hier betont, was für ein wunderbares Werkzeug die Markttechnik ist, um den Zustand des Marktes im Hier und Jetzt zu erkennen, während diese gleichzeitig - ganz entgegen anders lautender Unterstellungen - rein gar nichts über die Zukunft weiss und auch nicht behauptet, darüber etwas zu wissen.

Woher soll die Markttechnik auch wissen, was sich die Mächtigen der Welt gerade im stillen Kämmerlein ausdenken? Die Markttechnik weiss "nur", was der Markt in Gänze weiss. Unter der Voraussetzung, dass es keine grundlegenden Überraschungen gibt, liefert die Markttechnik also ein getreues Abbild der Erwartungen der Marktteilnehmer und erlaubt uns daher, uns weit besser aufzustellen, als das mit reinem Herumraten möglich wäre.

Gleichzeitig kann aber eine völlig neue Information, eine Überraschung, diese Gleichung immer wieder verändern und zu einem neuen Gleichgewicht führen, weil sich die Erwartungen - und damit die Kurse - anpassen.

Genau das können wir gerade beobachten. In -> Auf in die Hamptons <- hatte ich am Donnerstag nicht nur meinen Urlaubsbeginn beschrieben, sondern auch, dass viele der Trader und Investoren der Wallstreet, sich nun in einen Urlaub verabschieden ..... wollten, muss man nun wohl sagen.

Am Donnerstag schien auch alles für einen ruhigen Sommerhandel bereit, die FED hatte geliefert, eine milde "Sell the News" Reaktion hatte eingesetzt und alles war bereit für ein müdes Geschiebe in einem trägen August, in dem die meisten Politiker und Notenbanker auch Urlaub machen und keinen Schaden anrichten können.

Klar war zu dem Zeitpunkt auch, dass der Markt durchaus korrekturreif war, ich hatte Ihnen ca. 5% als vorstellbaren Umfang für den August genannt. Und beim Thema Handel schien erst einmal Ruhe zu sein und neue Verhandlungen sich bis in den Spätherbst zu ziehen.

Auf jeden Fall hat *niemand* und wahrscheinlich wirklich niemand - scheinbar nicht einmal die Chinesen - damit gerechnet, dass das Handelsthema plötzlich - gerade jetzt im August - in eine heisse Phase eintritt.

Und dann kam Trump.

Auch in seiner eigenen Administration war seine Eskalation dem Vernehmen nach umstritten, er scheint sich aber nach Berichten über die Bedenken des Umfeldes hinweg gesetzt zu haben. Und noch in der Nacht von Donnerstag auf Freitag letzte Woche, hat Trump neue Zölle in den Raum gestellt und damit ganz klar alle überrascht und China mehr oder weniger aggressiv mitgeteilt: "Don´t bullshit me!"

Das hat eine Menge verändert und generiert eine neue Lage für den August. Ich bin sicher, viele professionelle Investoren, die sich gerade in den Urlaub - in die Hamptons - aufmachen wollten, haben Donald Trump da verflucht und verfluchen ihn heute erneut.

Für Trader und für "Proprietary Trading Firms", also große Eigenhändler, ist das kein Problem. Man schliesst im Urlaub halt alle seine Positionen und gut ist es. Im September geht es dann wieder los.

Für Investoren aber, für kleine Investoren wie uns und große Investoren zum Beispiel in "Family Offices", gibt es nun aber dank Donald Nachdenkbedarf - man kann das Geschehen nicht einfach ignorieren.

Nicht ignorieren umsomehr, als China heute mit einer bewussten Abwertung des Yuan gekontert hat und damit eine aggressivere Tonlage als bisher anschlägt.

Auch China ruft Trump also "don´t bullshit us!" zu und so haben wir hier nun zwei Fahrzeuge, die im Chicken-Game aufeinander zurasen und wir werden gespannt beobachten, wer als erster die Nerven verliert und ausweicht.

China scheint nun auf Zeit spielen zu wollen und glaubt scheinbar ernsthaft, nach der Wahl in einer besseren Position zu sein, weil Trump dann weg ist. Ich halte das für ein gefährliches Spiel, kann aber aktuelle Verärgerung über die Art verstehen, wie Trump hier einseitig mit Erpressungsversuchen agiert, nur weil der andere Verhandlungspartner sich nicht so bewegt, wie er gerne möchte.

Zu Verhandlungen gehören halt zwei, die beide ihre Interessen wahren müssen. Ob man so Verhandlungen führen kann, ob am "Art of the Deal" etwas dran ist oder es nur Geblubber war, werden wir im Kino der Geopolitik bald erleben.

Aber wie auch immer, für die Märkte ist das eine *Neue Lage*, plötzlich ist im eigentlich volumenarmen August ein heisser Handelskonflikt mit aggressiven Währungsmanipulationen im Gange - gerade in dem Moment, in dem man sich in den Urlaub verabschieden wollte.

Das erfordert eine Neubewertung und die Risiken sind damit eindeutig höher, als sie es mit den 5% Korrekturpotential im trägen August-Handel gewesen wären.

Trotzdem hat sich in meinen Augen nichts Grundlegendes geändert, vorbehaltlich der Annahme, dass diese Eskalation auf politischer Seite begrenzt bleibt und nicht weiter hocheskaliert wird.

Der Markt war schon korrekturbereit, nur erhöht die neue Lage das Risiko weiter. In einem ausgedehnten, heissen Handelskonflikt, in dem theoretisch nun die US mit aggressiven Maßnahmen gegenhalten und protektionistischer PingPong einsetzt, sind und waren immer eher 10-20% Korrektur auf der theoretischen Agenda, wie auch letzten Herbst. Nur war damit bisher diesen August überhaupt nicht zu rechnen.

Donald Trump hat das in seinem unermesslichen Ratschluss nun einfach mit einem Fingerschnippen verändert. Ich denke viele Profi-Investoren, die nun einen ruhigen Urlaub beginnen wollten und nun stattdessen Anrufe Ihrer Kunden beantworten müssen, wünschen Donald Trump nun sehnsüchtig auf den Goldplatz und weg aus Washington. 😉

Die Lage bleibt also die Alte, nur dass sich das Korrekturpotential im August erhöht hat. Die 5% die ich nannte, wurden nun mit der unteren Begrenzung der "August-Box" schon heute 05.08. Stand 17:15 MEZ erreicht.

Ein typischer Verlauf wäre nun von hier ein Rebound und dann wird die Frage beantwortet, ob es diese 5% schon waren oder sich die Korrektur wie eingezeichnet nach einem Rebound noch im August zu den Tiefs von März und Mai ausdehnt:

Ich kann Ihnen nicht sagen, ob es bei 5% bleibt oder 10% werden, ich werde jetzt auch wirklich mal Ferien machen und lasse Trump nun herumwüten, so viel er will.

Natürlich wird viel vom weiteren politischen Verlauf abhängen, aber früher oder später kommt nach so einem mehrtägigen Ausverkauf ein scharfer Rebound nach oben - wahrscheinlich ausgelöst durch Spekulationen, dass die FED nun doch aggressiver zu Werke geht - Trump hat heute ja schon -> lautstark danach verlangt <-

China dropped the price of their currency to an almost a historic low. It’s called “currency manipulation.” Are you listening Federal Reserve? This is a major violation which will greatly weaken China over time!

Fazit:

Trumps für alle überraschende Eskalation genau Anfang August, hat die Lage verändert und die Risiken diesen August erhöht. Am prinzipiellen und schon vorher vorhandenen Bíld einer notwendigen und mittelfristig kaufbaren Sommer-Korrektur, ändert das aber nach meiner Einschätzung erst einmal nicht viel.

Revidieren müssten man diese immer noch positive Sicht, wenn sich China und US nun wirklich aggressiv ineinander verhaken sollten, denn die aktuellen Kursstände passen nicht zu einer massiven weltweiten Rezession, die aus einem heissen Handelskrieg resultierten könnte. Insofern preisen die Märkte gerade Teile dieses Risikos ein, weil es nun von "undenkbar" auf "schlimmstenfalls möglich" nach oben geschnellt ist - dank Trump.

Die Frage ist halt, wie wahrscheinlich das ist?

Das kann und muss jeder für sich selber beantworten, wir haben alle keine Glaskugel. Ich halte dieses extrem negative Szenario aber immer noch für unwahrscheinlich, weil damit niemand etwas gewinnt und insbesondere Trump immer noch eine Wahl gewinnen will und eine Rezession dabei ungefähr so gebrauchen kann wie Syphilis oder Tripper.

So ... jetzt bin ich wirklich weg. Halten Sie die Ohren steif und lassen Sie sich nicht Bange machen! Korrekturen gehören zum Markt dazu und ohne Korrekturen, würde es nie attraktive Kaufkurse geben.

Wer kurzfristig tradet, mag eine Korrektur ebenso wie eine Hausse, weil er in beide Richtungen profitieren kann.

Wer langfristig anlegt, kann sich über Korrekturen freuen, weil er bei seinen Qualitätswerten zu besseren Kursen nachlegen kann.

Nur wer gerne Investor wäre, bei jeder Schwankung aber sofort ganz kalte Füsse bekommt, für den ist jede derartige Korrektur eine Qual. Wenn das so ist, liegt die Lösung darin sich klar zu werden, was man sein will - Trader oder Investor - und sich diszipliniert einer Strategie zu verschreiben, die dann regelbasiert zu sinnvollen Handlungen führt.

Viel Erfolg und schöne Ferien!

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Auf in die Hamptons!

Als ich das letzte Mal hier im freien Bereich das ganz große Bild des Marktes betrachtet habe, war das im Artikel -> Sommer-Tango <- am 01.07. - also vor genau einem Monat.

Meine Worte waren da:

Nun richten sich die Augen des Marktes auf die FED Ende Juli, von einer Zinssenkung um einen Viertelpunkt kann aus Sicht des heutigen Wissensstands ausgegangen werden. Die EZB kommt eine Woche vorher und wird wohl auch Maßnahmen ankündigen, um im "Race to the Bottom" der Währungen nicht den Kürzeren zu spielen.

Man kann das finden wie man will und man kann berechtigterweise der Ansicht sein, dass diese Notenbankpolitik Wahnsinn ist, es ändert aber nichts daran, dass damit bis auf weiteres die Marktsignale auf Grün bleiben und man zum Jahresende 2019 weiter latent optimistisch sein kann.

Unvorsichtig sollte man nicht werden, das ist aber eine Platitüde, weil das darf man nie, niemand kennt die Zukunft und Überraschungen sind immer möglich.

Wenn man sich nun aber Marker unter den heutigen Kursen zurechtlegt, die dann im Falle des Falles ein Signal setzen, dann kann man solange diese Marker nicht in Gefahr geraten, als Anleger weiter den Sommer-Tango tanzen!

Und wissen Sie was? Viel geändert hat sich nicht, wir können noch immer den Sommer-Tango tanzen, sollten aber nun durchaus mit einer kleinen Schwächephase rechnen, die vielleicht 5% Minus ausmachen könnte, können danach zum Jahresende aber weiter optimistisch sein.

Es wäre also kein Wunder, wenn sich der S&P500 diesen August irgendwie im Bereich dieser Box bewegen würde. Würde der S&P500 den unteren Rand ereichen, wären das rechnerisch 4,3% Minus von heute. Im September sehen wir dann weiter:

Die EZB hat zwar letzte Woche vordergründig noch nichts getan, einen weiteren Schub in die Negativzinsen oder sogar eine Neuaufnahme des Asset-Aufkaufprogrammes, für den Herbst aber sprachlich vorbereitet.

Und die FED hat gestern die allseits erwartete erste Zinssenkung mit einem Viertelpunkt in Gang gesetzt und damit einen ausgewogenen Spagat zwischen dem Druck Trumps und der eigentlich immer noch gut laufenden Konjunktur versucht.

So ein Spagat geht aber fast immer schief, Trump dürfte unzufrieden sein und der Markt, der zumindest teilweise noch still und heimlich auf einen halben Punkt gehofft hatte, dürfte auch nicht ganz happy sein.

Das ist auch ein psychologisches Problem, denn der Markt hoffte auf den Einstieg in eine längere Zinssenkungsphase, weiss aber auch, dass die FED solche Phasen fast immer kraftvoll mit einem halben Punkt Erstsenkung eingeleitet hat. Und auch in der Pressekonferenz hat Jerome Powell mal wieder Erwartungen enttäuscht, davon kann man bei ihm fast zuverlässig ausgehen - die Eloquenz ist ihm offensichtlich nicht in die Wiege gelegt.

Insofern ist das Gestern, gemessen an den Erwartungen, wohl für alle Seiten zu wenig gewesen. Die Einen halten diese Senkung schon für übertrieben, weil es keinen klar sichtbaren Anlaß dafür gibt, die Anderen halten die Senkung für zu wenig. Die Chance, dass nach diesem FED-Entscheid die oben genannte Sommer-Korrektur als klassische "Sell-the-News" Reaktion in Gang kommt, ist also nun vorhanden!

Aber wie auch immer, das sind einfach die typischen Anpassungen der Erwartungen nach der FED und die sollte man gelassen betrachten, wichtig ist, dass der "Race to the Bottom" einfach in die nächste Runde geht. Die Anpassung der Kurse wird sich wohl heute und am morgigen Freitag noch ausschaukeln, dann wird auch hier mehr Ruhe einkehren und der echte Sommerhandel beginnen. Eine kleine Korrektur wäre aber nun nicht nur fällig, sondern auch äusserst gesund und sollte von allen begrüsst werden, die nach dem Urlaub zum Jahresende Chancen suchen wollen.

In diesem Sommerhandel haben sich die "A-Teams" der Wallstreet nun bald in ihre diversen Villen und Resorts verabschiedet, wie zum Beispiel die berühmten -> Hamptons <- auf Long Island, nicht so weit von New York entfernt und mit dem Hubschrauber vom Südende Manhattans schnell erreichbar. 😉

An den Handelstischen sitzen im August nur die "B-Teams", das sind die gegeelten Jünglinge, die gerne einen Hubschrauber hätten. 😛 Und das Volumen ist deutlich geringer als sonst.

Dieser Sommerhandel kennt selten eine echte Richtung, kann durch das geringere Volumen aber sehr volatil werden, ich erinnere nur an den berühmten ETF-Flash-Crash vom 24.08.15.

Auch ich verabschiede mich nun in den Sommerurlaub, da ich keinen Hubschrauber habe, ganz normal in die Ferien, wie das bürgerliche Mitteleuropäer halt so tun. 🙂

Der Blog läuft weiter, es gibt auch neue Beiträge, aber im August nur spärlicher als normal. Ab Anfang September geht es dann wieder mit Vollgas in Richtung 2020.

Nun wünsche ich allen, die wie ich jetzt erst in die Ferien starten, schöne Sommerferien! Und allen anderen wünsche ich bald einen beschwingten Start hinein in den Wettlauf bis Weihnachten. Die Schokoladen-Weihnachtsmänner sind schon längst produziert, wenigstens das bleibt, wie es schon immer war. 😛

Ihr Michael Schulte (Hari)

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