Was zu tun war und nun zu tun ist


Vor einem guten Monat, am 20. April diesen Jahres, habe ich ihnen hier im freien Bereich einen Artikel geschrieben, auf den ich zu Beginn zurückschauen möchte.

Er hiess -> Vom ewigen V und vom Stockpicking <- und seine Kernaussage war, dass man schon damals zugreifen konnte, weil Aktien- und Sektorpicking das Entscheidende in dieser sich sehr selektiv auswirkenden Krise ist! Festgemacht hatte ich das damals am Vergleich der starken Charts von ABT und AMZN gegenüber den schwer getroffenen BA und CCL.

In dem Artikel hatte ich mit Bezug auf das andauernde Weltuntergangsgerede der Crashpropheten auch geschrieben:

Aber dieser Moment ist Spekulation und nicht zwingend heute, weswegen auch die Perma-Bären und Crash-Propheten wohl wieder Unrecht haben werden, die seit 10 Jahren einen Crash vorhersagen aus Gründen, die auch jetzt wieder nicht maßgeblich sind. Das hindert sie natürlich nicht, den aktuellen Crash für sich zu deklamieren, auch wenn Ende 2019 natürlich niemand dieses Szenario auf dem Radar für 2020 hatte. Aber Haupsache irgendein Crash, damit man "Recht gehabt" rufen kann und die gläubigen Jünger werden auch dem folgen - passt doch. 😉

Und genau das haben wir erlebt, medial bekannte "Talking Heads" haben sich nicht entblödet, sich mit der Vorhersage des Crash zu brüsten. Und allgemeine Vorhersagen zu einem Crash irgendwann - aus ganz anderen Gründen und typischerweise mit der Geldpolitik der EZB und der Eurozone verknüpft - taugen nur für schlichte Gemüter als Testimonial.

Besonders witzig ist in dem Zusammenhang, dass wenn man mal die absehbaren Kollateralschäden in der Zukunft ignoriert, der massive Stimulus von Notenbanken und Staaten ja tatsächlich einen schweren Crash verhindert hat. Wäre hier ein nicht-expansiver Ansatz wie in den 30er Jahren gefahren worden, als der Goldstandard in abgewandelter Form nach der Konferenz von Genua 1922 noch galt, würden wir gerade in die große Weltwirtschaftskrise schliddern, die vor 100 Jahren dann unter anderem den Braunauer Gröfaz hervorgebracht hat. Theoretisch kann die auch noch kommen wenn einiges schlecht läuft, aber zunächst wurde sie verhindert.

Man sieht daran wieder, wie das Geschäftsmodell dieser Leute funktioniert und ich kann ihnen nur raten: Halten Sie ihr Depot davon fern!

Ich selber habe 2019 wie der Rest der Welt von einem Corona-Vírus nicht die leiseste Ahnung gehabt, war aber im Januar schon durch die Nachrichten aus China aktiviert und mir der Gefahr bewusst, war im Februar extrem vorsichtig und irritiert, dass die Märkte das Virus noch ignorieren - siehe meine Dissonanz - und bin dann mit dem Blog am 21./24.02.20 sofort in die Defensive gegangen und kaufe seit Ende März scheibchenweise Qualität zu, wie ich ihnen das ja auch hier im freien Bereich nahegelegt habe.

Ich habe also keine sowieso nicht existente Glaskugel bemüht, sondern einfach konsequent *reagiert*.

Und das Ergebnis ist, dass das Depot schon wieder deulich im Grünen ist und den Einbruch mehr als voll aufgeholt hat und 2019 war trotzdem ein ausgezeichnetes Jahr mit hohen zweistelligen Prozent-Gewinnen - im Gegensatz zu den Permabaeren, zu denen ich jetzt kein weiteres Wort mehr verlieren will.

Aber genau darüber wie das möglich war, will ich nun mit ihnen sprechen, denn in dem Artikel stand am 20.04.20 sehr deutlich:

Und deshalb sollten wir erkennen, dass die Indizes oder breiten ETFs in dieser Krise sekundär sind, denn die bilden den grauen Schnitt ab. Stockpicking zählt in dieser Krise, denn das Virus ist in seinen Auswirkungen extrem selektiv!

Mit Aktien wie ABT oder AMZN mussten wir auch gar nicht darüber grübeln, ob die Ansteckungszahlen wieder steigen und die Märkte nun doch erneut nach unten abknicken, ober ob die Märkte das nun erreichte Niveau stabilisieren können.

Es spielt schlicht keine Rolle, wenn wir die richtigen Aktien haben!

Das war Mitte April und wir haben nun viele Topwerte, die mittlerweile auf oder nahe der Allzeithochs stehen und das war absehbar, weil es klare Profiteure der Krise sind.

Besonders die mittelgroßen Software-Aktien schiessen dabei neben dem Healthcare & Biotech-Sektor den Vogel ab. Hier sind mit Docusign (DOCU) und Everbridge (EVBG) zwei schöne Beispiele, beide wurden bei uns im Blog intensiv begleitet, bei beiden gibt es sehr gute Gründe *warum* diese so erfolgreich sind. Von einem Covid-Crash ist da schlicht nichts zu sehen:

Aber auch bei ganzen Sektoren kann ich ihnen diese Spreizung eindrucksvoll zeigen, vergleichen Sie mal den US ETF XBI der den Biotech-Sektor abbildet zum US ETF XLI, der die Industriewerte abbildet:

Ein beeindruckender Unterschied oder? Runter ist im allgemeinen Ausverkauf der ETFs alles gegangen, dann hat der Markt das Stock- und Sektorpicking begonnen und differenziert.

Das war, was zu tun war, der Job kluger Anleger war zu differenzieren, was vom Virus profitiert und was nicht.

Und damit komme ich zu dem, was nun zu tun ist.

Wir wissen nicht, ob wir beim Virus im Herbst/Winter eine zweite Welle erleben werden. Wir kennen die Zukunft nicht und es nützt auch nichts diese erraten zu wollen. Jeder der uns nun mit der Bugwelle der Pseudosicherheit erzählen will, dass das Virus dieses oder jenes sei und eine zweite Welle nicht mehr kommen oder alternativ ganz schlimm werden wird, ist für mich eher ein Scharlatan mit Agenda, der nur selektiv Informationen aufnimmt und weitergibt. Solche "Prognosen" helfen uns nicht weiter, sie befriedigen nur das Bedürfnis nach vermeintlich einfachen Antworten, die aber von der Realität schnell enttarnt werden.

Denn objektiv besteht weiter erhebliche Unsicherheit, auch in der Wissenschaftsgemeinde und viele Auswirkungen werden nun erst langsam öffentlich bekannt, so zum Beispiel auch dass das Virus zu guten Teilen eine -> schwere Gefäßerkrankung <- ist.

Wir müssen das aber auch gar nicht wissen, denn wir wissen jetzt schon genug um sinnvolle Anlage-Entscheidungen zu treffen:

Erstens wissen wir, dass das Virus im Verlauf von 1-2 Jahren wahrscheinlich endgültig beherrscht werden wird, sei es mit Impfungen oder sei es mit Medikamenten. Es ist *nicht* der große Weltkiller, wenn auch keineswegs nur eine normale Influenza sondern weit tödlicher.

Zweitens wissen wir, dass wir den größten Stimulus der Weltgeschichte erleben, der koordiniert von Notenbanken und Staaten über uns ausgegossen wird und wenn sie den Artikel -> Warum steigen (und fallen) Kurse eigentlich <- aufmerksam gelesen haben, dann wissen sie, dass Kurse wegen eines Nachfrageüberhangs steigen und der kann auch von schierer Liquidität ausgelöst werden.

Drittens wissen wir, dass das Virus viele Umbrüche massiv beschleunigt, innerhalb eines Jahres wird verändert, was sonst 3 oder 5 Jahre gedauert hätte. Und das Virus bereinigt auch, es verdrängt alte Geschäftsmodelle und verschafft neuen Modellen den Durchbruch, die oben geannnte DOCU ist so ein Beispiel mit ihrer elektronischen Signatur.

Und das sind die einfachen, aber entscheidenden drei Punkte.

Wegen Erstens und Zweitens dürfen wir bei aller berechtigten Vorsicht vor einer zweiten Welle keinesfalls zu bärisch sei, die Welt steht eher vor einem Wachstumsschub, denn einer schweren Depression!

Stellen sie sich doch mal das zur 2. Welle umgedrehte Extremszenario vor, stellen sie sich vor das Virus verschwindet nun, die Wirtschaft läuft wieder an und das mit der historisch unvergleichlichen Geldschwemme im Rücken. Ich sage ihnen was dann passiert: S&P500 4.000! Und auch das ist ein Risiko und zwar für alle, die nun zu zögerlich sind!

Es wäre deswegen auch völlig falsch gewesen mit dem Wiedereinstieg zu warten, weil vielleicht eine zweite Welle kommt, denn genau das war ja sinnloses Raten, man legt sich so auf ein Szenario fest und wenn das nicht eintritt, hat man die anlagetechnische A****karte gezogen. So geht intelligente Geldanlage *nicht*!

Richtig war mit dem Markt mit hoch zu gehen und selektiv und Stück für Stück Qualität wieder aufzubauen, von unten aber langsam Absicherungen nachzuschieben, für den Fall dass die zweite Welle doch kommen sollte.

Richtig ist also weiterhin ein abgesicherter Optimismus und nicht das Warten auf eine zweite Welle, die vielleicht kommt, vielleicht aber eben auch nicht!

Und wegen Drittens muss uns das Virus auch gar nicht mehr interessieren, wenn wir auf die richtigen Aktien und Sektoren setzen, die mit ihren Geschäftsmodellen Zukunft atmen. Denn mit Covid gewinnt alles was:

  • Online abgewickelt werden kann
  • Die IT herstellt, die für Online benötigt wird (Cloud etc)
  • Reisen individuell ohne Aufenthalt in Massenverkehrsmitteln oder Massen-Hotels organisiert
  • An modernsten Wirkstoffen und Verfahren forscht
  • Die Medizintechnik und das Laborequipment für diese Forschung herstellt
  • Von den absehbaren, riesigen Stimulusprogrammen der Staaten profitiert
  • usw und so fort

Diese Gedanken müssen sie jetzt weiter denken. Das ist nun zu tun! Diese Gedanken waren seit Ende März richtig und sind bestimmt auch noch über den Sommer richtig!

Machen Sie sich klar, dass das Virus die Wirtschaft in einem Sprung einige Jahre in die Zukunft katapultiert, weil es schon bestehende Entwicklungen kurzschliesst und beschleunigt. Das Virus ist für die Welt letztlich ein Innovationsprogramm, weil die Umstände Innovation erzwingen, das war schon in allen Krisen so.

Und Anleger die in der Lage sind diesen Wandel zu erkennen und darauf zu setzen, statt tote Anlagepferde weiter zu reiten, nur weil diese eine lange Historie besitzen, haben durch das Virus auch jetzt immer noch immense Chancen vor sich!

Und jetzt denken Sie mal nach und identifizieren die Marktführer dieser Sektoren, dann haben sie gute Kandidaten für ihr Depot. Oder stossen sie zu unserer Community dazu, denn wir tun genau das und haben auch viele Firmen im Fokus mit positiven Sekundäreffekten von Covid. So verbergen sich zum Beispiel hinter dem "individuellen Reisen ohne Massenverkehrsmittel" auch ganz konkrete Überlegungen, die der Markt auch schon hat, weil die Kurse dort schon deutlich anspringen.

Also, die Gefahr einer zweiten Welle ist keineswegs gebannt, aber es macht keinen Sinn auf sie zu warten, weder im April noch jetzt. Stattdessen sind kluge Anleger selektiv optimistisch und sichern sich für den Fall des Falles nach unten ab.

Wenn man so agiert, braucht man kein Herumraten und muss auch nicht hinterher deklamieren, was man vorher alles gewusst haben will. Kluges Beobachten und Reagieren mit ruhiger Hand genügt dagegen, man muss es nur tun und da stehen wir Menschen uns oft selber im Weg.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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11 Wahrheiten der Krise

Eine Krise bringt die Wahrheit an den Tag, das ist eine alte Weisheit, die wir auch in diesen Monaten wieder erleben dürfen.

Vielen von uns wird es in den letzten Wochen so gegangen sein, dass wir manch öffentliche Person plötzlich aus einem ganz anderen Blickwinkel erlebt haben, als wir ihn bisher kannten.

Auch politische Frontlinien wurden viele Wochen lang durcheinander gewirbelt und individuelle ethische Grundüberzeugungen wurden viel wichtiger als Maßgabe für das eigene Handeln, erst in den letzten Wochen haben sich die politischen Lager dann wieder die Diskussionshoheit erkämpft.

Auch im privaten Umfeld hat bei vielen die Krise die Wahrheit ans Licht gebracht. Wir wissen nun viel eher, wer zuverlässig ist und wer nur an sich denkt. Wir wissen nun wer hilfsbereit und wer rücksichtslos ist. Wir wissen wer emphatisch und wer nur eine selbstverliebte Egobombe ist. Und wir wissen wer rational und wissenschaftlich denkt, die Komplexität und das teilweise Nichtwissen akzeptierend und wer lieber den Aluhut aufsetzt, weil er dringend einfache Antworten in einer zu komplexen Welt braucht.

Aber gerade auch bei der Geldanlage hat die Krise ein paar Wahrheiten wieder ans Tageslicht gebracht und Fehlentwicklungen sowie Lebenslügen enttarnt, was auch kein Wunder ist, viele Anleger sind nun im Markt, die erst nach 2009 dazu gekommen sind und ergo nie eine echte Krise erlebt haben.

Lassen Sie mich daher mal zusammenfassen, welche 11 Wahrheiten diese Krise bisher wieder besonders herausgearbeitet hat:

Erstens, es gibt kein absolute Sicherheit am Markt, jede Aktie, egal wie stabil in der Vergangenheit, kann bei der für sie "richtigen" Krise in existenzielle Nöte geraten.

Zweitens, zu erstens passend, stures Buy&Hold ist eine Lüge. Ruhiges Investieren ist richtig, es braucht aber immer den "Check", das Risikomanagement bei extremen Veränderungen. Auch Buffett hat das nun vollzogen und alle Fluglinien mit Verlust rausgehauen und den Kauf als Fehler bezeichnet. Ruhiges Buy&Hold&Check ist in Ordnung, blindes Buy&Hold ohne Check eine Lüge. Das gilt auch für Sektoren und damit Sektoren-ETFs, siehe Buffetts Entscheidung zu Airlines generell.

Drittens, eine Aktie die massiv gefallen ist und keine Lebenszeichen sendet, ist nicht "billig", sondern ein Pleitekandidat, mit dem man *alles* verlieren kann. Das kann man mit Sektoren-ETFs abmildern, aber auch nicht ganz ausschliessen, wenn ein ganzer Sektor ins Trudeln kommt.

Viertens, es ist gar nicht so schwierig einem schweren Einschlag wie Ende Februar aus dem Weg zu gehen, man muss es nur tun und die Technik dafür beherrschen. Wenn eine Vase von der Tischkante kippt, erkennen wir das Risiko auch sofort und sind in der Lage schnell zu handeln, dieser Absturz war nicht viel anders.

Fünftens, Risikomanagement ist in schweren Krisen Pflicht, wer nichts getan hat und jetzt wo die Kurse schon wieder ein gutes Stück hochgekommen sind denkt, dass doch alles nicht so schlimm gewesen sei, hat überhaupt nicht begriffen, dass ihn nicht die eigenen Fahigkeiten, sondern nur das pure Glück des historisch einmaligen Stimulus von Notenbanken und Staaten gerettet haben. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen, ohne die einmalige Geldschwemme von Staaten und Notenbanken, wären wir nun in einer schweren Depression, es gäbe reihenweise Pleiten, Firmen würden wie Dominosteine kippen und die Kurse wären 60-70% von den Hochs gefallen!

Sechtens, nach dem Absturz wieder in den Markt zu kommen ist schwieriger als rauszukommen, weil man ohne Glaskugel nie den perfekten Boden erwischt. Man sollte es auch gar nicht versuchen, sondern den Vorteil des vermiedenen Absturzes mitnehmen und in Scheibchen schön stufenweise wieder aufbauen. Denn unser Job als Investoren ist vor allem investiert zu sein, den schweren Krisen aber zumindest teilweise aus dem Weg zu gehen.

Siebtens, es ist Liquidität und der daraus entstehende Anlagedruck der Märkte bewegt, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt müssen Märkte steigen, egal wie die fundamentalen Daten aussehen. Denn der Markt ist *nicht* die Ökonomie, er war es nie und wird es nie sein.

Achtens, Dividenden waren nie, sind nicht und werden nie der neue Zins sein. Dividenden sind nichts weiter als der Sekundäreffekt von hohem Cashflow und guten Gewinnen. Nur gute, dauerhaft wachsende Firmen, können auch dauerhaft wachsende Dividenden ausschütten. Konzentrieren Sie sich also nicht auf die Dividendenhöhe, sondern darauf beständig wachsende Unternehmen zu finden! Ob diese dann eine Dividende zahlen ist nett und lobenswert, aber am Ende sekundär, siehe Amazon und viele Topaktien ohne relevante Dividende.

Neuntens, Kurse entstehen aus Erwartung, beim Markt im Zeithorizont von Monaten bis zu ca. einem Jahr. Es ist also Zukunft die an den Börsen gehandelt wird und nur Aktien mit guter Zukunft werden in Krisen auch relative Stärke und Stabilität zeigen. Alte Kennzahlen, Dividenden, Meriten der letzten Jahrzehnte, das hat in einer neuen Krise alles keine Relevanz, wenn es an Zukunft fehlt. Eine aussichtsreiche Zukunft und absehbares Wachstum stabilisiert Kurse, keine Lorbeeren der Vergangenheit!

Zehntens, Krisen sind wunderbare Zeiträume um zu lernen, Fehler zu erkennen und sich als Anleger weiterzuentwickeln. In Krisen können wir wachsen, aber nicht jeder schafft es das Wachstum zuzulassen. Denn Beharren, Sturheit, das Ego und irrationale Ängste sind unsere Feinde dabei, der Wahrheit ins Auge zu schauen, das Problem im Spiegel zu identifizieren und für uns Schlüsse zu ziehen. So ist jeder Anleger in dieser Krise seines eigenen Glückes Schmied und nicht die Umstände, denn auch diesen Crash von März hätte man so oder so durchleben können, der Unterschied liegt in uns und nicht in bösen Mächten.

Elftens, das Auf und Ab gehört zu den Märkten wie der Morgen zum Abend und das Yin zum Yang. Ohne den Abend würde es keinen Morgen geben und ohne den Crash keine Jahre der steigenden Kurse. Rein aus Anlegersicht, die mit unserer Sicht als Bürger nicht deckungsgleich sein muss, sollten wir diesen Crash des März also begrüssen und ihn für unsere Depots umarmen. Er ist wie ein frischer Gewitterguss nach einem drückend-schwülen Sommertag und der historisch einmalige Stimulus lässt "befürchten", dass uns wieder lange Hitzeperioden an den Börsen bevorstehen werden.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Warum steigen (und fallen) Kurse eigentlich?



Auch unter Anlegern die sich mit der Börse beschäftigen, gibt es oft eine erstaunliche Wissenlücke, die deshalb so erstaunlich ist, weil sie mit dem grundlegenden Verständnis zu tun hat, wie Kurse am Markt überhaupt entstehen.

Gehört hat jeder schon mal davon, dass "Angebot und Nachfrage" die Kurse bewegen und man spricht umgangssprachlich von "Zuflüssen" oder "Abflüssen" im Markt und von "Kaufdruck" oder "Abgabedruck", ohne darüber nachzudenken.

Wenn die Anleger dann aber anfangen darüber nachzudenken, stocken Sie oft und stellen fest, dass da irgendwo noch ein großes Wissens-Loch sein muss. Und dann kommen Fragen wie die, wie denn dem Markt überhaupt Geld zufliessen kann, weil jedem Verkäufer doch ein Käufer gegenüber steht? Das Geld im Markt muss doch also gleichgeblieben sein? Oder?

Denken Sie mal darüber nach. 😉

Zunächst einmal ist völlig richtig: Wenn man nur eine Transaktion betrachtet und ein Verkäufer eine Aktie einem Käufer für exakt den derzeitigen Marktpreis verkauft, fliesst dadurch dem Markt weder "Geld zu", noch bewegen sich dadurch die Kurse. Durch den Verkauf einer Aktie wird dem Markt also weder Geld hinzugefügt, noch abgezogen, die Aktie wechselt den Besitzer und fertig.

Ist das Gerede von "Liquiditätsdruck" und "Zuflüssen" also Unfug?

Nein, weil diese Sicht oben viel zu statisch ist. In Wirklichkeit stehen sich an einem geregelten Handelsplatz - auch Börse genannt - Tausende von Käufern und Verkäufern in einer Aktie gegenüber und jeder will irgendetwas.

Wenn sich die gleiche Zahl an Verkäufern und Käufern mit gleichem Volumen gegenübersteht - von nun an "Angebot" und "Nachfrage" genannt - bewegt das den Kurs auch nicht. Die ganzen Transaktionen laufen, die Aktien wechseln den Besitzer und dem Markt fliesst weder etwas zu, noch fliesst etwas ab.

Jetzt stellen wir uns aber ein Ungleichgewicht vor, da ist vielleicht zur Aktie gerade eine sensationelle Nachricht hereingekommen und ganz viele wollen so schnell wie möglich nun die Aktie im Depot haben. Dummerweise haben aber auch die potentiellen Verkäufer diese Nachricht mitbekommen und wollen plötzlich nicht mehr verkaufen, oder nur zu weit höheren Preisen.

Nun stehen an der Börse also Massen an potentiellen Käufern nur wenigen Verkäufern gegenüber. Und jetzt passiert letztlich etwas Ähnliches, wie das was Sie ähnlich auch von einer Auktion von EBay kennen - viele Käufer treiben den Preis.

Der Druck in dem großen Überhang an Käufern ist also immens "zum Schuss" zu kommen und dafür werden von der Nachfrage höhere Preise geboten, um die anderen aus dem Feld zu schlagen.

Am Ende bekommt ein Käufer nach dem Algorithmus der Börse den Zuschlag, die Transaktion findet statt und die Aktie wechselt den Besitzer, aber eben zu einem *höheren Preis* als noch vor einer Minute.

Dieser Preis-Mechanismus läuft aber in den elektronischen Systemen in Sekundenschnelle tausendfach automatisiert ab, weswegen die Kurse sich zu bewegen scheinen, obwohl es nur tausende solcher kleinen Einzeltransaktionen sind, die den Kurs als einzelne Transaktion nur mininal bewegt haben.

Und damit ist dem Markt auch Geld "zugeflossen", denn die Aktie, die vorher vielleicht 50 Milliarden Marktkapitalisierung hatte, ist durch einen Anstieg um 2% nun auf 51 Milliarden gewachsen. Diese eine Milliarde Differenz ist jetzt *zusätzlich* im Markt gebunden, man könnte also sagen, diese sei "dem Markt zugeflossen".

Der Gedankenfehler der bei der obigen Frage gemacht wird, ist aber zu glauben, dass das Geld real in den Markt "injiziert" würde. Insofern ist das Wort vom "Zufluss" eigentlich missverständlich und im engen Sinne falsch!

Denn injiziert wurde hier gar nichts, der höhere Preis durch den gestiegenden Kurs wurde vom Verkäufer vereinnahmt. Denn der Druck von Anlagegeld, das sich in erhöhter Nachfrage zeigt, hat zu höheren Preisen geführt, womit der *Buchwert* der vorhandenen Aktien höher bewertet wird. "Geflossen" ist also im engen Sinne nichts, aber der Druck der Nachfrage treibt den Buchwert der Bestände nach oben - so ist es sprachlich präzise richtig.

Die Bilder von "Liquiditätsdruck" und "Zufluss" der zu höheren Preisen führt, sind also im engen Sinne falsch bzw missverständlich, beschreiben aber den wirtschaftlichen Effekt bezogen auf das Gesamtsystem völlig richtig und werden daher zurecht verwendet. Nachfrage-Druck lässt die Preise steigen und macht alle Besitzer dieser Güter damit "reicher" in den Büchern. Ob aus dem Buchgewinn ein echter Gewinn wird, weiss jeder aber erst, wenn er die Aktie wirklich verkauft.

Dieser letzte Hinweis ist wichtig, denn alles ist erst einmal "Buchwert", bis jemand bereit ist dafür wirklich etwas zu zahlen.

Briefmarkenbesitzer sollten das gut kennen, denn wer sammelt heute noch Briefmarken? Weil das so ist, ist die Nachfrage eingebrochen und damit sitzen viele auf theoretischen Buchwerten, die aber keine realen Werte sind, weil ihnen niemand das real zu den Katalogpreisen abkaufen wird.

Auch für Immobilien gilt das und auch für Gold, die vermeintlichen "wahren Werte" sind auch erst einmal nur Buchwerte, denn wenn heute über Nacht jemand eine Atomumformung erfinden würde, mit der man Gold nahezu kostenlos konstruieren kann, würde niemand mehr Gold kaufen, die Nachfrage also kollabieren und der realer Wert sich daher schnell der Null annähern.

Alles ist also Buchwert, bis jemand real dafür kauft und es gibt daher auch keine andere objektive Wahrheit als diesen Preis, der real gezahlt wird. Diese Kurs-Differenzen an Märkten, machen an einem aktiven Handelstag mit 1 oder 2% Index-Bewegung Milliarden an Buch-Effekt in den Depots aus. Milliarden!

Die Aussagen von "Kaufdruck", oder "Liquiditätsdruck" sind also im Ergebnis zutreffend. Zutreffend ist auch, dass dem Markt umgangssprachlich dadurch Kapital "zufliesst", weil sich der Wert der Bestände in den Büchern (Depots) erhöht.

Ich versuche das mal mit einem absurden Beispiel zu erklären.

Wie stellen uns eine Aktie mit 50 Milliarden € Marktkapitalisierung vor. Am Tag werden an der Börse aber nur 100 Millionen € Volumen gehandelt.

Da wir in dem Beispiel eine Diktatur sind, hat der große Zampano beschlossen, dass Verkäufe von Aktien "un" sind - wahlweise "un-deutsch", "un-sozial", "un-progressiv" oder was auch immer. Wer verkauft, wird also an die Wand gestellt, weswegen es nur eine minimale Zahl ganz mutiger Verkäufer gibt.

Gleichzeitig kann aber nur der in dem Land etwas werden, der sich mit Aktien eindeckt. Weswegen nun ein massiver Überhang an Nachfrage existiert und dieser die Kurse stark steigen lässt.

Nehmen wir nun an, dass an diesem Tag wieder 100 Millonen € gehandelt werden und die Kurse mangels Verkäufern um 10% steigen. In Summe wurden dann also ca. 110 Millionen € gehandelt.

Objektiv additiv "zugeflossen" ist dem Markt dabei gar nichts, die 110 Millonen und darunter die 10 Millonen Anstieg, wurden unter glücklichen Verkäufern verteilt, die damit von dann ziehen.

Durch diese Kurssteigerung, hat sich die Marktkapitalisierung der Aktie aber um 5 Milliarden € nach oben geschoben! Jeder der die Aktie im Depot hat, wurde also massiv "reicher", reiner Buchgewinn natürlich, denn erst beim Verkauf wird sich zeigen, ob da wirklich jemand real das Geld für diesen Preis auf den Tisch legt.

10 Millionen zusätzliches Kapital, das über das normale Maß hinaus in Käufe injiziert wurde - die 10% Anstieg bezogen auf das tägliche Handelsvolumen - haben also einen Buchgewinn von 5 Milliarden bei den Anlegern erzeugt. Cooles Ding oder? Aber genau das ist Börse. 😀

Der Transmissionsriemen der das ermöglicht, sind die tausenden "Kurs-Matches" die von den Ordersystemen der Börse in jeder Sekunde durchgeführt werden und die bei Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage zu sich bewegenden Kursen und damit einer Veränderung der Marktkapitalisierung führen.

Ich wiederhole also, es ist durchaus "Liquiditätsdruck", der zu einem Überhang von Nachfrage führen kann und dann steigen die Preise und damit auch die Buchbewertung der Aktien, die schon irgendwo im Besitz sind.

Das Bild von "Kaufdruck" und "zufliessender Liquidität" ist also zutreffend, auch wenn es oft fehlinterpretiert wird und mit dem Handelsvolumen als Ganzes verwechselt wird oder geglaubt wird, dass die Gelder der Käufer an die Unternehmen oder in den Markt "fliessen" würden. Nein, die "fliessen" nur an die Verkäufer, entscheidend ist der Kurseffekt!

Klar ist damit aber auch:

Nur Angebot und Nachfrage bewegen *direkt* die Kurse an einem freien Markt. Punkt!

Und Angebot und Nachfrage entsteht typischerweise, weil sich Erwartungen an die Zukunft verändern, die zu einer Handlung verleiten. Insofern kann man auch ganz legitim sagen, dass primär Erwartungen die Kurse bewegen und der Markt damit gedanklich permanent in der Zukunft schwebt.

Denn all die anderen Dinge, die für Kursbewegungen angeführt werden, bewegen die Kurse nur *indirekt*, über den Transmissionsriemen der Erwartungen, die Angebot und Nachfrage erzeugen.

Gute Quartalszahlen erhöhen eben beispielsweise die Nachfrage und eine Schreckensmeldung erhöht das Angebot, weil sich die Erwartungen verändern. Machen Sie sich bitte klar, dass Sie selber auch genau so funktionieren. Sie sehen eine Meldung, diese macht sie auf etwas aufmerksam, verändert also ihre Erwartungen und Sie beschliessen zu kaufen oder verkaufen. Und in Folge steigen oder fallen die Kurse und die Marktkapitalisierung ändert sich.

So funktioniert Börse, womit auch klar ist, welchen grundlegenden Fehler ganz viele Perma-Bären machen, die sich von fundamentalen Ängsten vor schlimmen Krisen zum Kampf gegen den Markt verleiten lassen.

Etwas vereinfach gesagt, stellen wir uns die schlimmste Krise vor, die es gibt, die Welt geht unter! Stellen wir uns weiter vor, in diese Krise beginnen die Notenbanken jeden Tag Billionen zu "schöpfen" und damit massiv am Aktienmarkt auf Kauftour zu gehen. Aktuell sind wir da ja schon fast.

Die Kurse werden dann steigen, weil die Nachfrage das vorhandene Angebot überwältigt. Die Kurse werden mitten in der schlimmsten Krise der Menschheit steigen, denn der Markt ist *nicht* die Wirtschaft!

Welche Nebeneffekte das hat und ob außer den Notenbanken dann irgend jemand etwas davon hat, ist eine ganz andere Frage, aber die Kurse werden steigen!

Machen Sie sich das unbedingt klar, der entscheidende Treiber der Märkte ist Angebot und Nachfrage! Und die Nachfrage hängt wiederum mit der freien Liquidität zusammen, die Anlagenotstand hat.

Solange also freie Liquidität dringend eine Anlagemöglichkeit braucht, entsteht ein Nachfrage-Überhang und die Kurse werden weiter steigen, egal was irgendwelche Fundamentaldaten sagen. Und Politik und Notenbanken tun derzeit alles dafür, dass das so bleibt.

Fundamentaldaten sind also nicht unwichtig, aber für die täglichen Marktbewegungen sekundär.

Primär ist der Kauf- oder Verkaufsdruck, also die Menge an Kapital, die sich in Bewegung setzen will - Angebot und Nachfrage eben. Fundamentaldaten haben darauf einen Einfluss, weil sie Erwartungen verändern, sind aber nicht der einzige wichtige Faktor der auf die Erwartungen wirkt.

Ich hoffe, ich konnte den Zusammenhang deutlich machen. Alles leitet sich aus Angebot und Nachfrage ab.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Vom ewigen V und vom Stockpicking


Es gibt mittlierweile eine halbe Anlegergeneration, nämlich alle die seit 2009 in den Markt gekommen sind, die Börsenkrisen nur noch so kennen, dass jedweder Einbruch sofort in Form eines "V" wieder aufgeholt wird.

Kein Wunder dass es bei denen viele Stimmen gibt, die Risikomanagement für völlig nutzlos halten, weil sie kennen halt nichts anderes und haben nie erlebt wie es ist, sich wie 2000-2003 drei Jahre lang durch einen langen Bärenmarkt zu quälen, einen langen, langen Tunnel bei dem jedes Licht immer nur die Scheinwerfer des entgegenkommenden Güterzuges sind.

Dass sich das so geändert hat, hat natürlich einen offensichtlichen Grund und das sind die immer aggressiveren Stimulus-Maßnahmen von Staaten und Notenbanken, die nun ein historisch absolut einmaliges Ausmaß erreicht haben - es wird eigentlich nur noch über Billionen und nicht mal mehr von Milliarden gesprochen.

Irgendwann wird dieser Mechanismus sich überdehnt haben und alle die auf das "Rettungs-V" warten, werden ihr ganz grausames, anlagetechnisches Armageddon erleben. Ein Hauch dieses Gefühls war ja im März schon in der Luft, aber nach 30-40% Verlust drehte der Markt dann doch wieder nach oben - noch einmal gutgegangen. 😉

Aber dieser Moment ist Spekulation und nicht zwingend heute, weswegen auch die Perma-Bären und Crash-Propheten wohl wieder Unrecht haben werden, die seit 10 Jahren einen Crash vorhersagen aus Gründen, die auch jetzt wieder nicht maßgeblich sind. Das hindert sie natürlich nicht, den aktuellen Crash für sich zu deklamieren, auch wenn Ende 2019 natürlich niemand dieses Szenario auf dem Radar für 2020 hatte. Aber Haupsache irgendein Crash, damit man "Recht gehabt" rufen kann und die gläubigen Jünger werden auch dem folgen - passt doch. 😉

Noch haben Notenbanken und Staaten aber ein paar Drehungen in ihren Schrauben drin und können nachlegen, ein Umstand von dem ich wie Sie wissen für die nächste Krise sowieso fest ausgegangen war.

Und bevor diese permanente Steigerung der "Rettungsversuche" gegen die Decke prallt, wird es sicher noch Helikoptergeld und massenweise Aktienkäufe der Notenbanken auf breiter Front geben. Solange wir das noch nicht gesehen haben und auch noch keine breiten Schuldenschnitte, sind die "Powers that be" eher nicht am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen.

Wir haben also auf der einen Seite eine Krise die so gewaltig und einmalig ist, dass diese ohne diesen massiven Stimulus locker für eine längere, schwere Depression gut wäre.

Wir haben auf der anderen Seite aber den nach historischen Maßstäben gewaltigsten Stimulus von Staaten und Notenbanken, den dieser Planet in der Neuzeit je gesehen hat.

Das ist wie die zwei Sumo-Ringer *Depression* gegen *Mega-Stimulus* im Clinch und es gibt keine historischen Vergleichsmaßstäbe, wer da den Sieg davontragen wird.

Faktum ist, dass der Markt mit dem Rebound nun der positiven Verlaufs-Erwartung folgt und nur dieser. Der Markt geht also davon aus, dass uns nun ein "New-Normal" bevorsteht, in dem das Wirtschafts-Leben weitergeht, zwar gedämpft aber doch in vielen Bereich nahezu normal - bis es dann eine Impfung gibt.

Das ist optimistisch, aber ist aktuell das dominierende Mantra, ähnlich wie Anfang Februar das Mantra war, dass das Virus eine rein chinesische Angelegenheit sei. So ein Mantra kann sich eben später durchaus als falsch herausstellen, Ray Dalio wird beispielsweise nun sicher peinlich sein, wie er Anfang Februar das Virus kleingeredet hat.

Hier der SPY als Abbild des Leitindex S&P500:

Es kann aber auch sein, dass sich das aktuelle Mantra als richtig herausstellt und sich von hier die Infektions- und Todeszahlen trotz Erleichterungen stabilisieren. Wenn das so sein sollte, ist der Markt auch dem aktuellen Niveau sinnvoll bewertet, weil man ja den Stimulus nicht vergessen darf. Wenn das so ist, werden wir die Tiefs vom 23.03. also nicht mehr wiedersehen.

Sollte diese Annahme sich aber als falsch herausstellen, wird es noch einmal brutal nach unten gehen und es ist alleine der Verlauf der Infektionen, der dabei der wesentliche Katalysator ist, weil dann alle Erleichterungen zurückgedreht werden müssen und dann kommt die richtige wirtschaftliche Depression erst.

Nun könnte man ja sagen, das sei ja völlig unberechenbar und dann könne man ja gar nichts machen. Aber diese Aussage ist selbst auf Basis der Indizes falsch. Denn der Rebound war Ende März sehr wohl zu erkennen und man konnte ihn mitnehmen - gezielt, selektiv, scheibchenweise - und nun ein mittleres Exposure im Depot haben, das dem Risiko angemessen ist.

Es gibt aber noch einen ganz anderen Effekt und das ist die Tatsache, dass uns die Indizes hier sowieso nur begrenzt weiterhelfen. Denn der Markt selektiert sehr wohl und das ganz massiv. Und solange nicht die ganze Welt in eine Depression abrutscht, sind die Firmen auch höchst unterschiedlich getroffen.

Schauen Sie hier Boeing (BA) oder Carnival Corp (CCL), Flugzeuge und Schiffsreisen. Für beide ist die Lage ein Desaster und die Aktien sind weiter toxisch, bei beiden stehen theoretisch Staatshilfen zum Überleben im Raum, die die Alt-Aktionäre dann schwer treffen würden:

Kein "V" weit und breit, oder?

Und nun schauen Sie hier Abbott Labs (ABT) und Amazon (AMZN), zwei Aktien die bei uns zum Investment-Universum gehören:

Das ist kein "V" mehr, das ist ein Raketenstart!

Man kann fast nicht glauben, dass alle 4 Aktien Bluechips des gleichen Index sind, aber so ist es!

Das sind zwei Seiten der gleiche Medaille des Marktes, die in den Indizes dann zu dem aktuellen Rebound führt.

Und deshalb sollten wir erkennen, dass die Indizes oder breiten ETFs in dieser Krise sekundär sind, denn die bilden den grauen Schnitt ab. Stockpicking zählt in dieser Krise, denn das Virus ist in seinen Auswirkungen extrem selektiv!

Mit Aktien wie ABT oder AMZN mussten wir auch gar nicht darüber grübeln, ob die Ansteckungszahlen wieder steigen und die Märkte nun doch erneut nach unten abknicken, ober ob die Märkte das nun erreichte Niveau stabilisieren können.

Es spielt schlicht keine Rolle, wenn wir die richtigen Aktien haben!

Und die immense Chance die dieser Crash mit seiner Unsicherheit generiert hat, ist in den Charts von Aktien wie ABT und AMZN auch perfekt zu sehen.

In der Panikphase Anfang März hat der Markt alles rausgehauen, weil breite ETFs und Fonds einfach alles abgestossen haben. Damit wurde aber auch Top-Qualität grundlos rausgeworfen und wer Ende Februar die Reissleine gezogen hat und dann scheibchenweise diese Qualität eingesammelt hat, kann sich nun nicht beklagen und hat ein großes Alpha zum Markt generiert!

Konzentrieren Sie sich also auf die richtigen Aktien und Sektoren, achten Sie auf die Charts, die haben diese Botschaften durchaus wie oben.

Kaufen Sie Stärke und glauben Sie nicht das "billige" Gurken schnell wieder steigen. Denken Sie mal ernsthaft darüber nach, wie lange es dauern wird, bis beispielsweise Touristik und Luftfahrt wieder in den Normalbetrieb können. Denn das wird erst nach einer Impfung, also wohl erst 2021 sein.

Aber andere Aktien und Sektoren sind kaum betroffen und es ist unser Job als Anleger uns darauf zu konzentrieren. Ob eine Aktie ein "Aristokrat" war oder irgend eine andere schöne, Sicherheit vorgaukelnde Vergangenheits-Schablone besass, spielt dabei keine Rolle, das ist alles Marketing.

Eine Aktie ohne Zukunft ist nicht investierbar, egal wie ihre Vergangenheit war. Und dieses Virus wird in der Welt einiges verändern.

So einfach ist das. Börse bewertet Zukunft, nur darum geht es an den Märkten und Vergangenheit ist kalter Kaffee. Und "past performance is not indicative of future results", wie auch diese Krise wieder eindrucksvoll bei vielen Aktien beweist.

Zum Abschluß will ich den 96-jährigen -> -> Charlie Munger <-<- in einem aktuellen Interview zitieren:

“Nobody in America’s ever seen anything else like this,” said Mr. Munger. “This thing is different. Everybody talks as if they know what’s going to happen, and nobody knows what’s going to happen.”

Halten Sie sich also von allen fern, die Ihnen nun eine "Sicherheit" verkaufen wollen, die gar nicht existiert.

Ihr Michael Schulte (Hari)

*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***

Von Maß und Mitte

Heute will ich mal abseits von konkreten Kursen ein grundsätzliches Problem beleuchten, das wir uns gerade mit den diversen Notmaßnahmen, insbesondere der Notenbanken und Staaten einhandeln.

Frau Merkel hat ja im Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Krise von "Maß und Mitte" gesprochen, die wir in der Krise finden sollten. Eine Aussage die konkret für die epidemiologischen Fragen eher deplatziert erscheint, denn wenn man eine Pandemie eindämmen will, ist "Maß und Mitte" am Thema vorbei, dann geht es eher um "be fast and have no regrets" wie es WHO Director Michael Ryan -> hier <- beschrieben hat.

Wenn es aber um staatliche Rettungs-Billionen geht, ist "Maß und Mitte" wirklich eine sinnvolle Grundhaltung, leider läuft es weltweit nun eher umgedreht.

Bei den epidemiologischen Maßnahmen wurde eher zu lange gezögert und nun gibt es - nach nicht mal einer Woche Lockdown - schon wieder wildes mediales Geschnatter vom Ende des Lockdowns, das derzeit verfrüht und deplatziert ist, da alle gemeldeten Neuinfektionen heute, sich in der Regel noch *vor* dem Lockdown angesteckt haben.

Bei den fiskalischen Maßnahmen aber, schmeisst man derzeit mit "Rettungsbillionen" um sich und wirft jegliche Form von fiskalischer Disziplin über den Haufen, weil die Krise die Gegner in der Argumentation schwächt. Eine Lage frischen Schnees an "Rettungsmaßnahmen" legt sich über die Länder und die Frage ist berechtigt, ob diese tatsächlich notwendig sind.

Es scheint dabei jedes Gefühl für "Maß und Mitte" abhanden gekommen zu sein und an vielen Stellen scheint die Notlage einfach nur als Einfallstor und Hebel zu dienen, um alte poltische Wunschvorstellungen nun durchzudrücken, so zum Beispiel bei der Transferunion und den Eurobonds.

Versuchen wir uns der Sache doch mal rational und nicht ideologisch zu nähern und betrachten die Frage, ob diese massiven Maßnahmen nun wirklich notwendig sind.

Wenn wir davon ausgehen, dass wir nun noch monatelang in einer Art Lockdown leben müssen, dann würde ich diese Maßnahmen im Kern auch unterstützen, auch wenn wir selbst dann viele unsinnige Mitnahme- und Kollateraleffekte erleben werden. Aber es macht Sinn, dann den totalen Zusammenbruch der vernetzten Wirtschaft zu verhindern und es macht keinen Sinn, gesunde Unternehmen nur wegen kurzfristiger Liquiditäts-Engpässe Pleite gehen zu lassen. Grunsätzlich hat dieser Ansatz also durchaus meine Unterstützung, solange eben "Maß und Mitte" gewahrt bleiben und die Gesellschaftsordnung nicht gleich mit der "Rettung" mit ausgekehrt wird.

Und es gibt sowieso viele kleine Unternehmer, Selbstständige, Künstler und so weiter, die bei längerem Lockdown ohne Verschulden in ein Liquiditätsloch fallen werden und dass man diesen ermöglicht unbürokratische Notkredite aufzunehmen, ist nicht zu kritisieren und völlig richtig. Ein Notkredit ist ja auch kein Geschenk, er hilft einfach über eine unverschuldete Krisenphase hinweg. Bis hierhin unterstütze ich den Rettungsansatz im Notfall ausdrücklich!

Nur beginnt die Politik ja aber schon ziemlich eindeutig von einer Teil-Auflösung des Lockdowns nach Ostern zu sprechen, insbesondere für die Jüngeren, weil "das Land das nicht aushalte".

Da ist durchaus etwas dran, ich kann die Logik nachvollziehen, weil irgendwann tatsächlich die negativen Folgen des Lockdowns größer sind, als die Folgen des Virus selber. Für eine Zeit von 3 Wochen wäre das falsch, diese Zeit kann eine gesunde Volkswirtschaft im Lockdown definitiv durchstehen, bei 3 Monaten hätte ich aber auch meine Zweifel.

Das Dumme und Ärgerliche ist aber, dass wenn man wirklich nach 3 Wochen wieder "aufmacht", viele der fiskalischen Nothilfen *nicht nötig sind* und sogar *kontraproduktiv* sind!

Denn sagen wir es mal deutlich, zeitlich begrenzte Krisen gehören zur Wirtschaft und sind gesund, weil sie wie eine Gesundheitspolizei die schwächsten Unternehmen aussortieren und daher danach wieder mehr Freiraum für die Gesunden schaffen. Die wirtschaftlichen "Zombies" werden dahin überführt, wo sie hingehören - in die Holzkiste, auch Insolvenz genannt und das ist volkswirtschaftlich genau richtig so!

Ein Unternehmen aber, das derzeit so schwach auf der Brust ist, dass es nicht einmal 3 Wochen aus den eigenen Reserven und Banklinien überleben kann, hat meiner Meinung nach *eine Rettung nicht verdient*.

Diese Aussage gilt auch ausdrücklich für die Gesellschafter und Manager, die zu dieser Schwäche des Unternehmens potentiell beigetragen haben, in dem Gewinne zu schnell privatisiert wurden und nicht als Notreserve im Unternehmen belassen wurden, weswegen eine Sozialisierung der Pleite auch nun höchst unfair für den Rest der Gesellschaft wäre.

Insofern habe ich nun doch ein Problem mit den Rettungsbillionen, die so freizügig gestreut werden. Entweder fahren wir nun einen konsequenten Lockdown, der sich primär nach epidemiologischen Vorgaben richtet und durchaus lange dauern kann, dann bin ich prinzipiell *für* einen selektiven Rettungsansatz. Oder wir stellen die Wirtschaft in den Vordergrund, gehen schon nach 3 Wochen wieder in Richtung Normalmodus und dann sehe ich keinen Grund Steuergelder für Firmen zu verbrauchen, die ein Überleben nicht verdient haben.

Ich habe ehrlich großen Zweifel, ob wir die Interventionisten und "Retter" wieder loswerden, die die Krise nun auf den Plan gerufen hat. Dass zu einer gesunden Wirtschaft auch ein gesunder Ausleseprozeß gehört, hat keine Lobby in Politik und Bevölkerung, der Reflex ist immer, schon längst überflüssig gewordene "Zombies" mit dem Argument der Arbeitsplatzsicherung noch durchzuschleppen, nicht verstehend, dass man damit viel mehr neue Arbeitsplätze an anderen Stellen torpediert und die Zombies am Ende doch Pleite gehen, nachdem man Steuermilliarden da versenkt hat.

Wie schnell solch unsinniger Mißbrauch aufkommt, können wir zum Beispiel bewundern, wenn beispielsweise ein hoch liquider Weltkonzern wie Adidas - ermöglicht durch das -> neue Covid-19-Abmilderungs-Gesetz <- - nun -> einfach für geschlossene Läden keine Miete mehr zahlt! <-

Adidas, die vergleichsweise in Liquidität schwimmen, bekommen also einen Hebel sich einen Vorteil zu ergattern und nutzen ihn sofort. Andere werden folgen, die es auch nicht nötig haben und sich unsolidarisch einfach einen Vorteil ergattern. Der Vermieter aber, der vielleicht wirtschaftlich viel schwächer als Adidas dasteht, hat dagegen den schwarzen Peter gezogen.

Adidas ist ein schönes Beispiel für die Negativeffekte von mit heisser Nadel gestrikten "Notfall-Gesetzen". Das kann keiner gut finden und zeigt, dass die Rettungsarie schon Schlagseite hat.

Abgesehen davon sollten wir uns keiner Illusion hingeben, jemand wird die Rechnung für diese "Rettungen" nach der Krise präsentiert bekommen und ich kann Ihnen auch heute schon sagen wer das ist: nicht Adidas, der Profiteur, sondern die sogenannten "Reichen", womit präzise gesagt über 80% der Leser dieses Blogs gemeint sein dürften, weil der absurde, vom Bild einer wohlig-warm-miefig-gleichgerichteten "Volksgemeinsschaft" geprägte Reichenbegriff bei uns ja jeden umfasst, der sich erdreistet schon ein überdurchschnittliches Gehalt zu beziehen oder - Gott bewahre - unternehmerisch erfolgreich zu sein. Die vielen kleinen Leistungsträger der Gesellschaft werden also dafür blechen, Weltkonzerne die sich einen schlanken Fuß machen dagegen garantiert nicht!

Wer also gut gewirtschaftet hat und als Unternehmen Reserven gebildet hat, wird durch die "Rettungen" doppelt gestraft. In der Krise wird ihm der Vorteil gegenüber den verantwortungslosen Gesellen genommen, weil diese dank Hilfe trotzdem überleben können und der Markt nicht bereinigt wird. Nach der Krise wird es höhere Sondersteuern auch für die geben die keine Hilfe brauchten, weil man ja vermeintlich so von der "Rettung" profitiert hat.

Dass am Ende genau dieser Mechanismus einer Volkswirtschaft schadet, weil er Moral Hazards generiert und Fehlverhalten fördert, ist völlig klar, wird aber weder verstanden noch will es jemand hören.

Erneut, damit es da keine Missverständnisse gibt, ich bin ja nicht gegen liquiditätssichernde Notmaßnahmen, man darf aber in der "Rettungswut" auch nicht über das Ziel hinaus schiessen.

Aber auch im Grösseren sehen wir diese Mechanismen, wenn wir -> von der Aggressivität des italienischen Premiers <- lesen, der nun vermutlich die große Chance sieht, eine Vergemeinschaftung der Schulden via Eurobonds durchzusetzen.

Die Krise ist dabei nach meiner Einschätzung nur ein Mittel, das mit großer moralischer Inbrunst für den eigenen Vorteil genutzt werden soll, denn Italien hat ja derzeit gar kein Problem Schulden für die Krise aufzunehmen, die EZB und die EU haben schon längst alle Schleusen und Begrenzungen geöffnet. Aber mit den Folgen höherer Zinsen sollte man dann auch leben, so wie es sich gehört, zumal diese durch die Aufkaufprogramme der EZB doch sowieso schon weit unter den realen Marktzins gedrückt werden.

Was hier versucht wird ist für mich verwerflich und hat mit der Krise nichts zu tun. Auch hier haben wir die Parallelität zum obigen Thema des Moral Hazards, wer als Staat bisher solide gewirtschaftet hat, hat am Ende den Nachteil davon und soll dem Schuldensünder sein bisheriges Verhalten finanzieren, weil der "gerettet" werden muss. In dem Zusammenhang erinnere ich wieder daran, dass das statistische Vermögen von Italienern höher als von Deutschen liegt, ein Umstand der gerne verschwiegen wird und auch der Umverteilung im Euro geschuldet ist - ich habe darüber in der Vergangenheit schon öfter geschrieben.

Jetzt höre ich gleich die Stimmen, die an die "Solidarität mit Italien" appellieren, was aber beim Thema Eurobonds völlig am Thema vorbei ist.

Mangelnde Solidarität haben wir in Europa tatsächlich und ich empfinde es als eine Schande. Das ist aber die konkrete Solidarität bei Masken, bei Schutzanzügen, bei Atemgeräten, bei übernommenen Patienten und auch bei Hilfsgeldern die direkt ins Gesundheitssystem gehen.

Hier fehlte es zuletzt deutlich an Solidarität, wo sind denn die Lastwagen-Kolonnen gewesen, die nach Norditalien Hilfsmaterial aus Österreich, Deutschland, Dänemark, Polen etc transportiert haben? Ich habe keine gesehen und das ist etwas, worüber der italienische Premier tatsächlich wütend sein darf, das wäre echte Solidarität gewesen. In der Krise ist sich scheinbar jeder selber der Nächste und kein Mensch braucht so ein Europa, das sobald es eng wird, gleich wieder nur an sich selber denkt.

Das darf man kritisieren, das muss man kritisieren, mit dem Wunsch individuell gemachte Schulden zu vergemeinschaften, hat das alles aber rein gar nichts zu tun und macht auch keinen Patienten gesund, der nun in der Intensivmedizin um jeden Atemzug ringt.

Das Virus nun als Hebel zu benutzen um Widerstände zu beseitigen, ist politisch geschickt, aber ebenso zerstörerisch für die europäische Solidarität, wie absurde Auslieferungsstops für Masken in befreundete Nachbarländer.

Machen wir es doch mal konkret und wischen diese ganzen Girlanden weg, die gerne zur Vernebelung des Kerns benutzt werden.

Stellen Sie sich vor, Sie haben in Ihrem Wohnhaus in der Krise einen Nachbarn, mit dem Sie solidarisch sein wollen. Der Nachbar ist selbstständig, hat weniger Geld als Sie und wird durch die Krise so schwer getroffen, dass er Probleme hat sich nun notwendige Medikamente, Desinfektionsmittel und so weiter zu kaufen.

Wenn Sie dem nun die Tür zuknallen, sind Sie ein unsolidarischer Holzklotz und sollten sich schämen! Die Solidarität gebietet es, dass Sie dem etwas von ihren gebunkerten Desinfektionsmittel abgeben und ihm auch an anderer Stelle unter die Arme greifen. Daran gibt es keinen Zweifel, wer das nicht tut, handelt egoistisch und unsozial.

Nun machen Sie das aber, der Nachbar erdreistet sich aber trotzdem an Ihre Tür zu bollern und Sie mit moralischem Unterton laut aufzufordern, nun mitzukommen und bei seiner Bank für seine Schulden zu bürgen, weil wir ja in der Krise alle im gleichen Boot sitzen würden. Hallo?

Was würden Sie tun? Ihm die Tür zuknallen und vielleicht die Polizei rufen und richtig so!

Wer Schulden für Ausgabenprogramme und Versprechungen an Wähler macht, muss auch später für die Konsequenzen gerade stehen und kann diese nicht an Dritte abladen. Es muss immer eine Einheit der Verantwortung geben.

Wer dieses Grundprinzip schleifen will, zerstört langfristig unser Wirtschaftssystem und unseren Wohlstand und ersetzt es durch eine Kleptokratie, in der der Stärkste, Lauteste und Skrupeloseste die Macht hat. Auch eine Pandemie kann dafür keine Ausrede sein!

Man kann also sehr wohl Eurobonds einführen, aber genau dann wenn man das italienische Staatswesen auflöst und einer Euro-Zentralregierung überantwortet. Dort ist dann die Entscheidung und die Verantwortung für die Folgen wieder in einer Hand, so wie es richtig ist. Dass aber italienische Politiker an Ihre Wahl-Klientel Versprechungen machen, deren Folgen deutsche Wähler dann mitzufinanzieren haben oder natürlich auch umgedreht, ist in jeder Hinsicht indiskutabel und verwerflich und hat mit der Corona-Krise absolut nichts zu tun!

Sie sehen, unerkannt von der Öffentlichkeit, die auf das Virus starrt, fehlt es der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Diskussion nun in meinen Augen zunehmend an "Maß und Mitte".

Davor bekomme ich zunehmend Sorge, die Geister die man rief, wird man dann nicht mehr los.

Ihr Michael Schulte (Hari)

Vom Boden



Es ist bei großen Krisen immer das Gleiche. Bei jeder kleinen Gegenbewegung sind sofort einige da, die einen Boden wittern und die Aktien nun für Schnäppchen halten. Bei 10% Minus, bei 20%, bei 30% und so weiter.

*Irgendwann* haben diese zu zappeligen und vorschnellen Käufer auch Recht, irgendwann entwickelt sich aus einem finalen Ausverkauf auch wirklich ein Boden, dumm ist nur, dass man das erst hinterher weiss und Kurse in schweren Krisen gerne tiefer fallen, als man sich zu Beginn vorstellen konnte.

Dabei ruhig zu bleiben und nicht zu schnell FOMO zu erliegen - der "Fear Of Missing Out" - hilft uns auch ein typischer Ablauf solcher Korrekturen, nennen wir es das "Standard-Modell". In dem Modell setzt nach einem massiven Ausverkauf eine starke Gegenbewegung ein, die typischerweise bis maximal zur Hälfte des Absturzes nach oben schiebt. Beim S&P500 würde das aktuell Potential bis etwa 2.800 begründen.

Danach entwickeln sich im Standardmodell neue Zweifel, lassen die Kurse erneut fallen, die Ausverkaufstiefs testen und im Idealfall drehen die Kurse dann vorher und dann ist der Boden da. Dann, nicht am Ende des ersten Ausverkaufs!

Weswegen es eben wenig Grund gibt, permant von FOMO getrieben in ein fallendes Messer hinein zu greifen, nur weil man meint, nun seien die Kurse weit genug gefallen.

Ja, erste Teilkäufe bei echten Qualitätsaktien können durchaus Rationalität haben, da man den exakten Boden sowieso nie trifft, macht ein scheibchenweiser Einstieg sowieso Sinn. Aber das wirkliche Einstiegssignal kommt eben nicht am Ende des ersten Absturzes, es kommt im Standard-Modell erst später danach.

Und auch klar ist, dass das Standardmodell nur in vielleicht 60-70% der Fälle richtig ist, Wert hat es trotzdem, sich daran zu erinnern.

Damit stellt sich vielen nun natürlich die Frage, wann dieser Zeitpunkt denn beim aktuellen Geschehen rund um Covid-19 gekommen ist?

Gerne werden dann eindimensionale Antworten gegeben oder man orientiert sich am eigenen Risikoempfinden, das aber sowieso nicht sychron mit dem Markt ist und daher ungeeignet.

Es wird nicht bis zum Ende der echten Krise dauern und auch nicht bis wir als Bürger aus dem Lockdown heraus dürfen, bis der Markt einen neuen Morgen riecht. Es genügt schon, dass ein Abflauen der Infektionen absehbar ist und der Markt wird mit neuem Zutrauen wieder steigen.

Und dabei kann uns nun der Lockdown immens helfen, der nun auch bei uns in Europa in Gang ist. Man kann nur hoffen, dass auch die US bald durchgreifende Maßnahmen beschliessen, denn erst ab dann besteht eine Chance, dass drei Wochen später die Fallzahlen zu fallen beginnen.

Gerne wird dann eindimensional argumentiert, dass ja diese Maßnahmen in der Wirtschaft viel mehr Schaden anrichten würden als das Virus. Das ist aber grundfalsch, denn die Wirtschaft kann mit planbaren Auszeiten gut umgehen, nicht aber mit monatelanger Unsicherheit. Eine 2-monatige Auszeit werden die meisten Firmen mit ihren Reserven überleben, ein unplanbares Chaos den Rest des Jahres dagegen nicht.

Ein Lockdown zieht auch den Moment der maximalen Unsicherheit nach vorne, genau das was wir gerade erleben. Wir sind dann persönlich betroffen und die Börsen rauchen ab, mehr gefühlte Krise geht gar nicht. Das Maximum der Angst ist aber auch gerne der Moment, an dem der Markt seine Tiefs auslotet.

Natürlich ist das Virus nach dem Lockdown nicht weg, das ist doch völlig klar und natürlich geht die Durchseuchung weiter, die entscheidende Frage ist aber ob chaotisch oder geordnet und der Umgang der Gesellschaft mit dem Problem ist nach dem Lockdown ein ganz anderer.

Es hat sich dann ein neuer "Modus Operandi" gefunden, wie das Leben mit verringerten Sozialkontakten weiter geht. Auch die Diskussionen um die Notwendigkeit der Maßnahmen sind weg. Kliniken und Firmen haben dann auch einen neuen Operationsmodus gefunden, der zwar wirtschaftlich gedämpft ist, aber das Leben weitergehen lässt.

Letztlich geht es darum, *jetzt* dem Monster der exponentiellen Entwicklung den Kopf abzuschlagen und damit ein handelbares Plateau zu erreichen, mit dem wir dann eben 1-2 Jahre leben müssen, bis Impfungen da sind.

Und genau das kann dieser Lockdown nun schaffen, je schneller er auch in den US kommt, desto besser.

Dass man dafür 2 unnötige Wochen noch gewartet hat und den Karneval noch hat laufen lassen, obwohl der Verlauf absehbar war, ist eigentlich unverzeihlich aber aus Sicht der Politik verständlich, wenn man sich selbst jetzt noch die Ignoranz von Teilen der Bevölkerung anschaut, was "Social Distancing" angeht.

In dem Zusammenhang empfehle ich uns allen mal -> dieses kurze Video von WHO Direktor Michael Ryan <- anzuschauen.

Was er mit "Be fast, have no regrets" als richtige Haltung in Krisensituationen beschreibt, entspricht dem was wir an der Börse "If panic, panic first" nennen und dessen Wahrheit im Absturz ja wieder bewiesen wurde.

Genau so ist es mit dem Containment dieses Virus, das genau dann perfekt gelingt und die ökonomischen Folgen minimiert, wenn man sofort konsequent agiert, wie es Taiwan beispielhaft getan hat und trotz der Nähe zu China nun kaum betroffen ist. Wer dagegen aus Angst vor wirtschaftlichen Folgen zu lange zögert, wird diese Folgen erst richtig schmerzhaft bekommen.

Wir werden nun also in Europa 2-3 Wochen stark steigende Fallzahlen erleben, die 2 wöchige Inkubationszeit plus die ca. 1 Woche die es braucht, bis der Zustand der schwer getroffenen Patienten sich dramatisch verschlechtert, werden ihre unerbittliche, mathematische Wirkung entfalten. Da ist schon Realität und unvermeidbar, das ist die Folge der Fehler die schon gemacht wurden.

Danach aber im April, besteht die Chance dass sich die Fallzahlen wie in China und Südkorea stabilisieren. Das alleine wird dem Markt schon immens gut tun und genau das ist der Punkt. Sobald dieser neue Modus Operandi gefunden ist, den China gerade im Begriff ist herauszufinden, wird der Markt vielleicht einen Boden finden können, denn das ist durchaus eine belastbare Grundlage.

Jeder weiss ja, dass das Problem sowieso vorbei ist, sobald Impfungen da sind und/oder die Durchseuchung der Bevölkerung hoch genug ist und damit ein Herdenschutz existiert. Wenn die Welt auf dem Weg dahin ein Plateau findet, geordnet mit immer wieder aufflammenden Neuansteckungen umzugehen, ist auch das eine belastbare Grundlage und der Markt wird schon steigen, weil er das Ende und die Impfungen schon vorweg nimmt.

Dann werden auch die massiven Liquiditätschübe der Notenbanken und die staatlichen Ausgabenprogramme ihre Wirkung entfalten. Die können zwar niemanden gesund machen und auch den Lockdown nicht verkürzen, aber den wirtschaftlichen Wiederaufstieg extrem beschleunigen und verstärken, weswegen Vergleiche mit dem langsamen Rebound nach der spanischen Grippe wohl falsch sind.

Heute, Montag früh, scheinen die massiven Maßnahmen der Notenbanken noch das Narrative der allgemeinen Panik zu bestätigen, ihre Wirkung werden sie trotzdem haben, nur verzögert, weil es erst Hoffnung an der Front der Infizierten braucht.

Heisst konkret für eine Bodenbildung:

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Covid-19 und der Zeithorizont

Krisen wirken an der Börse wie ein reinigendes Gewitter. Sie decken Schieflagen auf, bestrafen Fehleinschätzungen und bringen die Erwartungen wieder auf ein angemessens Maß, von dem aus sich wieder ein belastbarer Aufwärtstrend in Gang setzen kann.

So wird das auch mit der aktuell begonnenen Corona-Krise sein, Firmen mit zu geringer Kapitaldecke in den betroffenen Sektoren werden in die Pleite kippen und Anleger denen der Sinn fehlt exponentielle Entwicklungen zu begreifen, werden immensen Druck spüren.

Im Umgang mit so Situationen ist dabei extrem wichtig, sich über den -> Zeithorizont <- der eigenen Absichten im Klaren zu sein und alles was man zum Thema liest darauf zu überprüfen, ob die Aussagen sich überhaupt darauf beziehen.

Nehmen wir an, ich würde jetzt von fallenden Kursen sprechen, dabei aber unausgesprochen die kommende Woche meinen. Welche Bedeutung hätte diese Aussage für jemanden, der langfristig anlegen will? Ich sage es Ihnen: Keine!

Genau dieses Hinterfragen passiert aber in der Regel *nicht*. Die große Mehrheit der Anleger ist sich des Problems noch nicht einmal bewusst, sondern interpretiert mediale Aussagen ohne Nachdenken im eigenen Kontext, auch wenn diese sich gar nicht darauf beziehen.

In Folge lässt sich der Investor dann von kurzfristigen Korrekturen aus der Bahn werfen und der Trader lässt sich von einem profitablen Trade abhalten, weil das Unternehmen langfristig wenig Zukunft hat.

Das ist aber falsch und ein zentrales Problem, gerade in so emotional schwierigen Krisenphasen wie aktuell!

Denn die Realität ist, dass der Markt kurzfristig steigen kann, mittelfristig fallen und langfristig weiter steigen! Und alle drei Aussagen können gleichzeitig *wahr* sein und wer das aber miteinander vermengt, wird nur Fehler machen und Verluste ernten.

Sie werden jetzt vielleicht denken "aber ich doch nicht". Das kann sein, dann gratuliere ich Ihnen, das Risiko ist aber hoch, dass Sie sich dabei etwas vormachen. Und das will ich Ihnen jetzt beweisen.

Denn ich habe nun am gestrigen Freitag zum dritten Mal -> hier bei Twitter <- meine Version des klassischen Sentiment-Zyklus eingestellt, der in Krisen von vielen Anlegern durchlaufen wird.

Der hat übrigens nichts direkt mit einem Kursverlauf zu tun, wie das vielfach hinein interpretiert wird, er stellt dagegen unsere emotionalen Schwankungen dar, mit denen wir Menschen bei dynamischen Entwicklungen eher hinterher laufen und ist auch für zyklische Krisen abseits der Börsen oft zutreffend.

Aber lassen wir das mal beiseite, der von mir implizierte - aber bewusst nicht explizit gesagte - Zeithorizont ist natürlich mittelfristig und bezieht sich auf die Krise rund um Covid-19, die im besten Fall in wenigen Wochen vorbei ist, im schlechtesten Fall aber viele Monate bis ein Jahr und über den nächsten Winter hinweg andauern wird - bis Impfungen am Horizont auftauchen.

Wenn Sie auf die Antworten in allen Tweets schauen - für die ich mich ausdrücklich bedanke - finden Sie eine erstaunliche Breite der Einschätzung, es scheint keinerlei Konsens zu geben.

Wenn man aber genauer hinschaut erkennt man, dass viele ohne nachzufragen den *Zeithorizont* subjektiv einordnen und zwar alleine basierend auf ihrer eigenen Wahrnehmung.

So gab es bei den ersten beiden Frage-Runden Stimmen, die schon "Panik" sahen, während zB die aktuellen -> AAII Daten der US Privatanleger <- noch viel zu viel Optimismus und Beschwichtigung zeigen.

Trotzdem können diese "Panik-Wertungen" absolut zutreffend sein, wenn man sich nur auf der kurzfristigen Zeitebene bewegt und die Frage nur für die erste Abwärtsphase beantwortet, die vorletzte Woche durchgelaufen ist. Da waren wirklich Panik-Effekte am Markt sichtbar, aber eben nur bezogen auf einen kurzfristigen Zyklus, der aber in weit längere Zyklen eingebettet ist.

Andere sagten, dass wir mangels Euphorie noch im Anstieg sind und gar nicht in der emotionalen Abwärtsbewegung.

Auch das kann durchaus wahr sein, wenn man sich den langfristigen Hut aufsetzt, denn dieser Bulle hat noch gar keine Euphorie gesehen. Und ich persönlich gehe hier auch von einem temporären, zyklischen Bärenmarkt aus, der aber in einen übergeordneten sekularen Bullenmarkt eingebettet ist. Auf gut Deutsch: Auch das geht vorbei!

Ja und dann haben wir natürlich auch die mit dem inneren Drang, der Welt mitzuteilen wie "cool" sie aktuell noch sind. Die gehören auch ganz typisch zu diesen Zyklen, auch wenn sie glauben nicht Teil davon zu sein, denn die Motivation das mitzuteilen kommt natürlich auch aus unserem Emotionshaushalt. Alles was wir tun hat eine Motivation, auch Kommentare in sozialen Medien.

Ich persönlich erwarte auf aktuellem Wissensstand nicht, dass wir hier mit Covid-19 ein Lehman-Szenario vor uns haben, denke aber schon, dass diese Korrektur und ihr Auslöser das Potential haben zu etwas Größerem als nur einer 08/15 Korrektur zu werden - wie sie im typischen Börsen-Jahr regelmässig 1-3 mal auftreten. Das Potential, nicht die Gewissheit, die Zukunft ist unbestimmt - weswegen man aber die aktuelle Krise ernst nehmen sollte.

Übrigens ist es ja völlig richtig Ruhe zu bewahren, wenn man eine langfristige Anlage-Strategie fährt, auch diese Krise wird vorbeigehen. Und es ist auch wichtig und völlig richtig nach vorne zu schauen und zu erkennen, dass diese Krise *immense Anlage-Chancen* schafft, wie wir sie teilweise seit 2009 nicht gesehen haben! Wer jetzt also Liquidität erzeugt hat, die er später wieder investieren kann, hat allen Grund für Vorfreude und nicht für Angst!

Auch dabei spielt aber der Zeithorizont eine entscheidende Rolle, denn wenn Sie sich ein Lehman-Szenario mit 70% Minus vorstellen, braucht man einen sehr langen Zeithorizont von mindestens 10 Jahren um voll investiert noch zuverlässig gelassen sein zu können.

Der 65-Jährige, der bald mit dem Depot seine Rente beginnen wollte, hat dann ein erhebliches Problem - zumindest ein emotionales Problem, selbst wenn die Ausschüttungen nicht gesenkt würden. Und der Familienvater in den 40ern, der in 6 Monaten das Haus der Familie damit finanzieren wollte, hat auch ein Problem und zwar ein massives, bei dem "Coolness" keine Option ist.

Aber in so extremen Krisen werden dann bei einigen Unternehmen auch Ausschüttungen gesenkt oder fallen ganz aus und dass ein Unternehmen bei der letzten Krise stabil war beweist dann wenig, weil bei einer langen Pandemie andere Unternehmen in existenzielle Nöte geraten werden, als bei einer Finanzkrise. Jede Krise ist eben anders. Oder mit anderen Worten, Schlangen vor Banken gibt es in der Pandemie weniger, weil die Leute Schlangen gerade vermeiden wollen. 😛

Schlimm wäre übrigens, wenn eine Pandemie zur Kreditkrise führt, dann wird es in Kombination richtig übel, aber da sind wir noch nicht, das sind noch abstrakte Risiken.

Auch bei den Betonungen der Coolness ist also eigentlich klar, dass diese ohne Aussage zum persönlichen Zeithorizont wertlos sind, denn auch völlig berechtigte Coolness braucht einen zeitlichen Kontext.

Sie sehen daran, wie unterschiedlich man diese Grafik werten kann, je nachdem auf welcher Zeitebene sich die Gedanken bewegen. Und Sie sehen, wie wir fast alle auf mediale Aussagen reagieren, ohne uns ernsthaft zu fragen, ob das medial Gesagte überhaupt zu unserem eigenen Zeithorizont passt und darauf überhaupt bezogen war.

Die mediale Schlagzeile "Der Crash steht bevor" schreckt uns also auf und viele denken dann nicht darüber nach, wie weit dieser Crash denn in der Zukunft liegt und was bis dahin alles passieren kann und ob dieses Risiko derzeit überhaupt Relevanz hat. Wäre es anders, würden nicht Heerscharen an Anlegern seit 10 Jahren den diversen Crash-Propheten hinterherlaufen, während der Markt weit überwiegend gestiegen ist und man die aufkommende Corona-Krise problemlos jetzt erkennen und darauf reagieren konnte.

Fazit:

Das fehlende Bewusstsein über den eigenen Zeithorizont und die fehlende Differenzierung, auf welche Zeitebene sich Aussagen Dritter beziehen, ist ein zentraler und in der Regel teurer Fehler, den sehr viele Anleger machen.

Gerade in Krisen wie aktuell, ist es absolut essentiell, dass Sie sich über *Ihren* Zeithorizont bewusst werden, der mit *Ihren* Plänen und Absichten im Einklang stehen muss.

Und dann sollten Sie sich nicht von jeder Schlagzeile aufschrecken lassen, sondern nur von denen, die sich wirklich auf Ihre Zeitebene beziehen!

Ach ja - wenn ich nächsten Freitag die Frage zum Sentiment-Cycle wieder stelle, dann wissen Sie, dass diese sich eindeutig auf den Krisenverlauf rund um Covid-19 und die damit verbundenen Auswirkungen an den Märkten bezieht.

Die Frage hat also einen mittleren Zeithorizont im Sinne Wochen bis Monate, aber weder Tage noch Jahre.

Ihr Michael Schulte (Hari)

*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***

Wie ist das möglich?

Kann sich der Markt wirklich so "irren"? Wie ist das möglich? Soll der nicht immer Recht haben?

Das ist die Frage, der ich mich heute im Angesicht der Entwicklung der letzten Woche nähern will:

Denn die Mr-Market-Mitglieder in der Community wissen genau, dass ich seit Ende Januar darüber irritiert war, dass der Markt die offensichtlichen, aus dem Virus erwachsenden Risiken nicht einpreisen wollte.

Und auch Sie hier im freien Bereich haben das von mir in -> Die große Disssonz <- deutlich vor dem Absturz gehört.

Wie kann sich der Markt also so "irren"?

Das Problem ist, dass das Wort "Irren" dabei falsch benutzt wird, denn bei den meisten Dingen im Leben weiss man erst hinterher, ob eine Einschätzung ein Irrtum war oder nicht. Hinterher ist man immer klüger.

Der Markt war - wie heute auch noch viele Bürger bei uns - fest in der SARS/MERS Analogie gefangen, nach der so eine Pandemie schnell vorbei ist und kaum Folgen für die Wirtschaft hat. Das war ja auch eine naheliegende Annahme, wenn man im Leben bisher keine anderen Erfahrungen als diese schnell begrenzten Ausbrüche hat.

Ähnlich ist die Analogie zur Influenza einzuordnen, die immer noch fröhlich durch die sozialen Medien läuft, wenn man nichts anderes kennt, ordnet man es da halt ein. Aussagen der Virologen, dass das Virus um Faktoren tödlicher zu sein scheint, werden dann verdrängt.

Ich habe in den letzten Wochen unzählige Charts mit Vergleichen zu SARS, MERS und Ebola gesehen und auch namhafte Investoren wie Ray Dalio haben die Auswirkungen lautstark als -> übertrieben <- bezeichnet und das noch zu einem Zeitpunkt, wo der Markt eigentlich noch gar nicht darauf reagiert hatte. All das hat dieses Narrative gefestigt und so ist die Anlagewelt mit der Logik unterwegs gewesen, dass das Virus begrenzt und temporär bleibt. Nur war die falsch, wie wir heute wissen.

War das also ein "Irrtum"? Im Nachhinein vielleicht ja, aber es hätte ja auch stimmen können. Europäer hätten weniger empfänglich sein können, das Virus hätte in China bleiben können, die Chinesen bekommen es in den Griff und fertig. Erst *jetzt* wissen wir, dass das ein falsches Narrative war. Vorher haben nur vereinzelte Marktteilnehmer wie ich damit gehadert.

Das ist alles völlig normal, denn Kurse werden aus Erwartungen gemacht und die beruhen eben auf Erklärungsmodellen. Und wenn ein Erklärungsmodell sich überraschend als falsch herausstellt, muss der Markt eine ganz schnelle und ganz harte Risikoanpassung vollziehen.

Und genau das hat er vorletztes Wochenende getan, nachdem die Nachrichten aus Korea, Iran und Italien das alte Narrative völlig zerstört haben. So etwas kommt vor, nicht oft, aber es kommt vor. Und dann ist es auch normal, dass so eine Anpassung der Erwartungen schnell und hart vollzogen wird.

Der Spruch vom "Markt der immer Recht hat" wird also missverstanden. Recht haben ist nichts Absolutes und auch die Wissenschaft kennt keine absoluten Wahrheiten. Zumal die Zukunft immer offen ist. Vielleicht wäre das Virus ja auch auf China begrenzt geblieben und wir hätten gemerkt, dass das westliche Genom viel weniger ansteckungsanfällig ist. Auch das hätte eben sein können, ist aber nicht so gekommen.

Der Satz will eigentlich etwas anderes sagen, dass es nämlich keinen anderen Maßstab als den gezahlten Preis gibt, weil wenn ein Gut zu einem Preis den Besitzer wechselt, war genau das der aktuelle Wert aus Sicht des Käufers.

Wenn ich nicht die Erfahrung gehabt hätte, trotz meiner großen Dissonanz dabei zu bleiben und wegen der sichtbar beginnenden Korrektur schon am Freitag vor 10 Tagen für die Mitglieder einen "Gelben Alarm" auszurufen und massiv abzubauen, was hätte mir es denn genützt, die Risiken des Virus besser eingeschätzt zu haben als der Marktkonsens?

Ich sage es Ihnen: Nichts! Ich hätte die Rally verpasst und es wäre keineswegs ausgemacht gewesen, dass ich dann den Einbruch besser behandelt hätte als jetzt. Erst jetzt, hinterher, kann man von "Recht haben" sprechen.

Nehmen wir doch mal die Permabären, die seit 2009 davon schwafeln, dass dieser Bullenmarkt ja "falsch" sei und in einem unvermeidlichen Crash enden wird. Nun stellen wir uns mal theoretisch vor, das würde auch real in 2021 passieren.

Haben die dann "Recht" gehabt? Blödsinn, kompletter Quatsch, dazwischen lagen 200, 300% Gewinn an denen man teilhaben konnte. Nein, die haben 12 Jahre lang *Unrecht* gehabt und am Ende als blindes Huhn auch mal ein Korn gefunden!

"Zu früh ist eben nur ein anderes Wort für falsch!"

Der Markt hatte also "Recht", als er das Virus als temporär und begrenzt eingeordnet hat. Nun hat er wieder "Recht", als er erkennt, dass die Folgen doch weit gravierender sind.

Der Satz "Der Markt hat immer Recht" drückt also nicht aus, dass der Markt immer die Zukunft kennt und immer die Erwartungen hat, die dann auch wirklich eintreffen.

Er sagt nur, dass wir keinen besseren Preis haben, als den der vom Markt durch Angebot und Nachfrage ausgehandelt wird, denn genau zu dem Preis, hat etwas seinen Besitzer gewechselt. Offensichtlich war das zu dem Zeitpunkt für zwei Seiten also genau der richtige Wert.

Also .....

Wie haben in der letzten Woche im Markt einen scharfen Wechsel des Narratives erlebt, der eine scharfe Korrektur erzeugt hat, die so hart war wie zuletzt 2008! Je nachdem wie der weitere Verlauf der Pandemie sich darstellt, besteht nun durchaus das Risiko wirtschaftlicher Kollateralschäden durch (mangels Kunden) Pleite gehende Firmen - zunächst vor allem in der Touristik, später vielleicht auch in anderen Sektoren.

Daraus kann - wenn wir Pech haben - sogar eine neue Kreditkrise und in Folge eine Eurokrise erwachsen. Auch das wird aber erst die Zukunft zeigen und ist nur eine Möglichkeit.

Und der Markt wird auch das mit einem Narrative bewerten und dadurch Kurse machen, die solange "richtig" sind, bis sie durch eine veränderte Erwartung verändert werden.

Der Markt hat also weiter "immer Recht". Einen besseren Maßstab zur Wertermittlung von Gütern haben wir eben nicht und bei den Preisen von Masken und Desinfektionsmitteln sehen wir ja auch, dass diese Wertermittlung hervorragend funktioniert.

Oder ist Ihnen ein Desinfektionsmittel jetzt etwa nicht mehr wert als vor 2 Monaten? Ich denke wenn Sie sich nichts vormachen, werden Sie sagen: Ja!

Was ist also der "Wert" einer Sache? Genau das, was gerade *jetzt* jemand dafür bereit zu Zahlen ist. Und genau das misst der Markt als ultimativer Richter. Morgen ist das aber vielleicht nicht mehr der Wert, sondern ein anderer.

Es gibt keinen "objektiven" und "absoluten" Wert einer Sache, das ist eine reine Illusion. Was glauben Sie zum Beispiel, was Ihre teure für 10.000€ den Quadratmeter gekaufte Immobilie in München noch wert wäre, wenn hier theoretisch die Arbeitslosenzahl über ein ganzes Jahrzehnt auf 20-30% klettert und sich die Menschen wie in der Weltwirtschaftskrise an offenem Feuer auf der Straße wärmen - nicht viel!

"Wert" ist also immer relativ und niemand nimmt diese Bewertung besser vor, als das freie Spiel von Angebot und Nachfrage. Im Nachhinein kann sich diese Wertermittlung aber als unzutreffend herausstellen, weil sich Rahmenparameter ändern und das erkannt wird. Dann ist der "Wert" ein anderer, "ríchtig" ist er aber immer noch, weil "richtig" sich immer nur auf das Hier und Jetzt bezieht!

Noch kurz zur Lage:

Sie entnehmen dem Artikel ja, dass wir bei Mr-Market diesen Einbruch hervorragend umgangen haben. Wir waren schon im Vorfeld skeptisch, am Freitag vor 10 Tagen kam dann die Warnung und viele konnten ihr Exposure da anpassen und haben in der Korrektur so ein Alpha von 10-20% generiert.

Nun geht es um die Frage, ob und wann dieser Einbruch einen Boden findet, das wird das uns begleitende Thema der kommenden Wochen sein.

Diese Korrektur ist insofern anders als vorherige Kredit- oder Konjunkturkrisen, als die Macht der Notenbanken hier begrenzt ist. Denn mit Liquidität kann man weder Kranke heilen, noch stehende Produktionsstraßen wieder ins Rollen bringen. Die Notenbanken werden mit Sicherheit aggressiv reagieren und der Markt darauf positiv reagieren, aber ob das reicht, ist die große Frage!

Denn man kann mit Liquidität die Folgen einer Pandemie mindern, aber sie nicht beenden. Dieser Unterschied ist nun wichtig, ich warne daher vor zu einfachen Analogien, wie vorher schon bei SARS/MERS. Diese Diskussion führen wir aber in der Community und nicht hier.

Ihr Michael Schulte (Hari)

*** Bitte beachten Sie bei der Nutzung der Inhalte dieses Beitrages die -> Rechtlichen Hinweise <- ! ***

Die große Dissonanz

Sie wissen aus vielen Artikel hier auf Mr-Market, wie wichtig es ist, sich nicht dem Markt entgegenzustellen und diesen zu bekämpfen, sondern ihm zu folgen. Viele, viele Jahre haben wir in der Community so profitiert und das Depot vervielfacht, während die, die glaubten klüger als der Markt zu sein und Crash-Gurus hinterher gelaufen sind, dabei ihre Depots ins Minus gedrückt haben.

Trotzdem gibt es Momente, in denen auch ich eine Dissonanz spüre, ein großes Loch zwischen dem was der Markt macht und dem, was ich glaube er normalerweise tun *würde* bzw *sollte*. Das kommt selten vor, aber es kommt vor und dann ist es fast immer eine Sondersituation, die für alle schwer einzuschätzen ist.

Und so einen Moment haben wir gerade im Zuge des Corona-Virus, der außerhalb Chinas zwar bisher noch im Griff zu sein scheint, aber innerhalb Chinas noch keineswegs beherrscht wird, sondern sich weiter ausbreitet.

Wer das visualisiert dargestellt sehen will, kann das -> hier bei John Hopkins <- jederzeit tun.

Dabei muss man nun zwei Dinge auseinander halten. Unsere eigenen Ängste, dass wir wie die Mitarbeiter bei Webasto angesteckt werden, sind die eine Sache. Darum geht es hier nicht und die Börse interessiert sich auch nicht für Individuen, außer sie sind Präsidenten mit Millionen an Followern bei Twitter.

Was die Börsen aber interessiert sind leerstehende Fabriken, stillgelegte Bänder, Zwangsferien und eine Störung der Lieferketten.

Und genau das haben wir zunehmend in China, der Werkbank der Welt und werden wir bei Fortschreiten des Virus in China schon bald auch hier mit Lieferschwierigkeiten bemerken, weil Vorprodukte fehlen. Auch das Gesundheitswesen steht unter diesem Risiko, weil in China auch Fabriken für Grundstoffe stehen, die zur Medikamentenproduktion benötigt werden und nur schwer zu ersetzen sind.

Vergleiche zu SARS sind dabei schief und leiten auf einen falschen Pfad, SARS hatte nicht so hohe Fallzahlen und hat sich nicht so ausgebreitet, wie der neue Corona-Virus.

Eine Reihe von Firmen haben schon vor Problemen wegen zusammenbrechender Lieferketten und fehlender Vorprodukte gewarnt oder ihre Fabriken in die Zwangsferien geschickt, Tesla, Apple, Nintendo und viele andere sind schon dabei. Und weitere werden folgen, mit jedem Tag mehr.

Alles hängt nun von der weiteren Entwicklung der Ansteckungszahlen ab, die an einem kritischen Punkt sind, denn langsam müssten sich nun Chinas Abschotttungsmaßnahmen bemerkbar machen, wenn sie tatsächlich eine positive Wirkung haben, es sind jetzt bald 3 Wochen seit dem Beginn vergangen.

Nun sind die Börsen ja aber dafür bekannt, dass sie als Seismographen schon kleine Risiken im Vorfeld erahnen und abstrakt in die Kurse einbacken. Börsen sind die besten Frühindikatoren die wir haben, die hören sozusagen schon das Gras wachsen.

Warum passiert das dann beim Virus nicht? Warum wurde die startende Korrektur, die vom Virus getriggert wurde schon aggressiv gekauft, obwohl es keinerlei Entwarnung und auch keine sich abflachenden Fallzahlen gibt?

Zum Einen spielt sicher eine Rolle, dass die Ausbreitung bisher weitgehend auf China beschränkt werden konnte. Wenn in Europa oder China die Fallzahlen hoch gehen sollten, wird das aber zu einer anderen Börsen-Reaktion führen.

Und wenn man die neuen Erkenntnisse ernst nimmt, nach denen das Virus bis 9 Tage auf Klinken und Handgriffen überleben kann und die Infizierten auch mit nur minimalen Symptomen ansteckend sind, erscheint es unwahrscheinlich, dass das Virus wirklich auf China begrenzt bleiben kann.

Aber selbst wenn man vom positiven Fall einer Begrenzung auf China ausgeht, bleibt doch die immense Gefahr für die Lieferketten, die der Markt aktuell einfach zu ignorieren scheint. Täglich kommen nun neue Nachrichten von Unternehmen herein, die in ihren Liefer- und Produktionsketten Probleme haben oder diese befürchten. Noch ignoriert der Markt das weitgehend.

Und genau dabei dürfte zum Anderen das frische Geld der Notenbanken eine Rolle spielen. FED, PBOC (People Bank of China) und wie sie alle heissen, fluten die Märkte mit Liquidität und Liquidität treibt.

Ich habe an anderer Stelle schon erklärt, dass selbst im Armageddon, im Weltuntergang, Kurse theoretisch steigen könnten, wenn die Notenbanken nur genug "drucken" und alles an Assets aufkaufen, was bei Drei nicht auf dem Baum ist.

Es ist diese Liquidität, die die Kurse wieder treibt und die Ängste vor ausfallenden Lieferketten in einer vernetzten Weltwirtschaft überlagert.

Und genau da liegt nun meine persönliche Dissonanz.

Denn ich bin nicht sicher, ob Liquiditätsspritzen noch helfen, wenn echte Waren einfach fehlen, wenn Medikamente nicht mehr lieferbar sind. Die Notenbanken haben hohe Macht, sie sind aber nicht allmächtig, weil man Geld nicht essen kann.

Eine Notenbank kann weder eine Pandemie mit einem erneuten Quantitative Easing (QE) bekämpfen, noch kann sie kranke Arbeiter wieder gesund machen, sie kann bestenfalls die wirtschaftlichen Folgen mindern, das wars dann aber schon.

In nun 30 Jahren, in denen ich an der Börse unterwegs bin, habe ich Demut gelernt dem Markt zuzuhören und ihn nicht zu bekämpfen. Diese Haltung hat seit 2009 zu hohen Gewinnen geführt, die andere verpasst und bekämpft haben.

Deshalb stellen wir uns bei Mr-Market auch nicht gegen die aktuelle Stärke und sind dabei. Allerdings haben wir ein wenig Luft heraus genommen, Teil-Gewinne mitgenommen und stehen sozusagen "Gewehr bei Fuss", um die eigenen Positionen abzusichern.

Denn ich traue dem Geschehen nicht, ich sehe die Lieferketten nun in Gefahr, wenn der Anstieg der Fallzahlen jetzt nicht ganz schnell endet und danach sieht es nicht aus. Und ich frage mich, wann der Markt durch die herabrieselnde Liquidität anfängt hindurch zu schauen und beginnt die zumindest große Konjunktur-Delle zu sehen, die da nun aus China kommen könnte - wenn nicht mehr.

Und über die Lieferketten hinaus, stellt sich ja vielleicht bald auch die Frage nach der Stabilität des chinesischen Systems, denn Repression kann man nur so lange aufrecht erhalten, solange die Vertreter der Repression selber nicht betroffen sind. Es gibt nicht viele Szenarien, die so ein ausgefeiltes System zum Einsturz bringen können, eine landesweite Gesundheitskrise gehört aber dazu.

Manchmal hat man eben eine Dissonanz zum Markt, daran ist nicht Anormales, das gehört dazu. Es ist wichtig diese zu erkennen und dabei eine rationale Schlußfolgerung zu ziehen. Man darf sehr wohl höhere Vorsicht walten lassen, das ist rational.

Nur *gegen* den Markt stellen sollte man sich nicht, denn der hat immer Recht - bis er die Richtung wechselt und dann wieder Recht hat. 😉

Ich halte höhere Wachsamkeit - nicht Panik, Wachsamkeit - in den kommenden Wochen nun für geboten, die Risiken sind nun deutlich erhöht, während sie das im ganzen 4. Quartal 2019 nicht waren.

It doesn´t matter until it matters.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Die Lust am großen Untergang

Der Weltuntergang hat wieder Konjunktur. Im Finanzmarkt kennen wir das ja zu Genüge, jedes Jahr hat seine "Propheten", die mit dem Wort vom "Crash" zuverlässig Aufmerksamkeit und Klicks bekommen. Meistens sind damit wirtschaftliche Interessen verbunden, denn "Crash sells" und zwar so gut wie kaum etwas anderes. Das hat mit unseren evolutionären Prägungen zu tun, die uns zwingen bestimmte Risiken überzubewerten, aber das ist eine andere Geschichte für andere Artikel. Aber klar ist, dass sich Anleger von diesen Stories sozusagen am evolutionären Nasenring durch die Manege ziehen lassen.

Aber auch in anderen Bereichen des Lebens, fährt die Apokalypse-Industrie ja gerade Vollgas, ich muss das nicht ausführen, wir erleben das ja medial täglich und auch als wohlmeinender, rationaler Mensch, der fossile Energieträger aus vielen sinnvollen Gründen einfach nur schnell abschaffen und ersetzen will, kann man nur den Kopf über diese völlig überdrehten Übertreibungen schütteln. Die Apokalypse-Industrie ist derzeit im Schnappatmungs-Modus und wenn man historische Vorlagen nimmt, kommt danach wahrscheinlich Erschöpfung und Abstumpfung bei den Einen und Radikalisierung mit selbstermächtigter Gewalt bei den anderen.

Aber das soll hier jetzt nicht weiter Thema sein, es passt nur ins Bild unserer Gesellschaft. Hier reicht uns schon der Blick auf die börsenorientierte Apokalypse-Industrie und da war vor einigen Jahren im Manager Magazin Online ein sehr schöner Artikel zu den Denkstrukturen von "Untergangspropheten", die unser Finanzsystem und die westliche Welt im allgemeinen vor einer historischen Zäsur sehen. Bitte lesen Sie hier über eine -> Expedition in die Welt der Untergangspropheten <-.

Das Verrückte daran ist, ich gebe einigen der Ansichten ja im Kern Recht bzw. ich halte diese für durchaus denkbar und keineswegs für unmöglich - einige Ansichten sogar für wahrscheinlich. Und viele dieser Leute sind intelligent, seriös und voller Erfahrung in wirtschaftlichen und finanziellen Dingen. Auf jeden Fall mit weit mehr Erfahrung, als der durchschnittliche Wähler, der sich lieber über Orchideenthemen ereifert, sich von der Politik einlullen lässt und am Nasenring durch die Gegend geführt wird, statt die historischen Zeiten zu erkennen, in denen wir leben. Wir konnten das ja viele Jahre beobachten, wie über Deutschland bewusst ein Schleier der Ruhe und Normalität gelegt wurde, weil man halt im Schlafwagen am besten die Macht erhält.

Trotzdem machen die im Artikel dargestellten Menschen in meinen Augen einen massiven und grundlegenden Fehler. Und es ist der gleiche Fehler, den auch viele Aktienanleger machen, wenn sie sich in eine Aktie verlieben und sich auf bestimmte Prognosen versteifen. Und deshalb schreibe ich in diesem Artikel ausführlich zu dieser Geisteshaltung.

Denn wenn man beispielsweise die Entscheidung schon heute "in die Pampa" zu ziehen und einen "Bunker" zu bauen als eine Investitionsentscheidung in eine Aktie betrachtet, dann verhält diese Entscheidung sich so, wie der Anleger, der einen festen Glauben in den Turnaround einer Aktie entwickelt und diese hält und hält und hält, während sie fällt und fällt und fällt. Einfach weil sein Glaube unerschütterlich ist.

Das man so an der Börse nicht erfolgreich sein kann und Glauben hier nichts verloren hat, dürfte Lesern dieses Blogs mittlerweile völlig klar sein. Und selbst wenn der Anleger dann irgendwann Recht bekommt, muss man ihn fragen warum er sein Kapital vorher jahrelang in einem "loosing Trade" gebunden hat und damit nichts Besseres gemacht hat. Denn es wäre ja immer noch früh genug gewesen in diese Aktie zu springen, wenn sie denn tatsächlich dreht. Den Vorteil gegenüber den anderen Marktteilnehmern hat man schon alleine dadurch, dass man sich der Möglichkeit des Drehens wohl bewusst ist. Alleine dadurch wird man zu den Ersten gehören, die die Chance erkennen, wenn sie denn da ist. Das jahrelange Warten vorher, hat dagegen nur Verluste produziert und zwar monetärer wie emotionaler Art.

Und es gibt einen weiteren wichtigen Aspekt. Unser Leben ist begrenzt und 10 Jahre im mittleren Lebensabschnitt - in dem man gereift und voller Wissen, aber noch ohne Krankheiten und Maleschen - sein Leben gestalten kann, sind eine Menge unwiederbringliche Zeit. Selbst also wenn in 10 Jahren das Armageddon kommt, die öffentliche Ordnung zusammen bricht und wir alle nur noch Rüben essen - macht es dann Sinn, die 10 Jahre davor in Angst zu verschenken ? Macht das die Jahre danach irgendwie besser ? Im Endeffekt begeht man so frühzeitig Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Die folgende Gedankenhaltung ist deshalb nach meiner Erfahrung auch für die Geldanlage ganz entscheidend:

(1) Versteifen wir uns nicht auf eine einzelne mögliche Zukunft, auch wenn sie noch so überzeugend daher kommt. Behalten wir einen offenen Geist, der Möglichkeiten und Opportunitäten erkennt. Die Welt ist weit komplexer und die Interdependenzen zu mannigfaltig, als das man mit 2 oder 3 Variablen eine zuverlässige Sicht auf die Zukunft erstellen könnte.

(2) Vergessen wir bei allem berechtigten Nachdenken über die Zukunft nicht im "Hier und Jetzt" zu leben, denn diese Zeit kommt nicht wieder. Was haben wir davon, wenn wir zwar kurz vor unserem Lebensende "Recht" bekommen, aber vorher nie gelebt haben und für unsere Lieben keine Zeit hatten ? Auf die Börse übertragen heisst das, wir nehmen die Chancen des "Hier und Jetzt" wahr und vergeuden unser Portfolio nicht im Warten auf prognostizierte Ereignisse der Zukunft.

(3) Den Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Menschen erzeugen wir nicht, in dem wir zu früh auf eine Prognose aufspringen. Zu früh ist nur eine andere Form von Falsch! Den Wettbewerbsvorteil haben wir, wenn wir uns der Möglichkeiten bewusst sind und so einen Wechsel erkennen, wenn er kommt. Und in dem wir uns so schneller anpassen können als die anderen. Wenn der Umbruch kommt, denn das ist vorher keineswegs sicher. Unser Vorteil ist also die wache Beobachtung und nicht die vorschnelle Handlung!

Wenn wir diese Denkstrukturen haben, haben wir die Grundvoraussetzung, um an den Finanzmärkten erfolgreich sein zu können. Denn dort müssen wir opportunistisch die Chancen ergreifen, die sich uns bieten. Und um diese zu erkennen, müssen wir vorher in Möglichkeiten denken - eben nicht in Weissagungen und vermeintlichen Sicherheiten.

Wenn wir aber an der Börse so agieren wie die, die sich schon heute in den Bunker zurück ziehen, wird Erfolg unmöglich sein. Und wir werden in einem "Loosing Trade" bis zum bitteren Ende sitzen. Und dann, wenn wir dann emotional am Boden sind und endlich verkauft haben - dann tritt der Fall doch ein, auf den wir so lange gewartet haben. Wer hat je gesagt, dass das Schicksal auf uns Rücksicht nimmt?

Lassen Sie uns heute also den möglichen Untergangs-Realitäten mit Überzeugung und Selbstbewusstsein ins Gesicht lachen. Lassen Sie uns heute die Vorbereitungen auf die verschiedenen Zukunftsalternativen treffen, die wir mit sinnvollem, begrenzten Aufwand heute durchführen können. Aber lassen Sie uns erst dann beherzt und gezielt zupacken und uns festlegen, wenn es wirklich nötig wird und der Mantel des Schicksals vorbei kommt! Mehr als ein paar wenige, gezielte Notfall-Vorbereitungen, sind bei einer prinzipiell offenen Zukunft eher sinnlos. Wichtiger ist, die Möglichkeiten der Zukunft zu durchdenken und sich so in gedanklicher Offenheit vorzubereiten.

Der Gewinn wird hier und heute gemacht. Und das Glück kann auch im hier und heute gefunden werden !

So......

Und nach diesen Worten muss ich Ihnen nun gestehen, dass ich Sie bewusst hinters Licht geführt habe. 😉

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