Rationalität & Armageddon

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten, haben wir als Bevölkerung Mitteleuropas mal wieder mit existentiellen Bedrohungen zu tun, die von Krieg, über Blackout bis zur Existenzangst reichen, die Wohnung im Winter nicht mehr heizen zu können. Gesellschaftlich wird das ein paar Wohlstands-Verirrungen wieder vom Kopf auf die Füße stellen und dabei helfen, die wirklich wichtigen Dinge wieder in den politischen Vordergrund zu stellen, wie wir ja aktuell auch schon zur Haltung in Sachen Verteidigung erleben, irgendwie scheint das mit den Waffen doch seinen Sinn zu haben. 😛

Das ist doch ein guter Grund mal zu beleuchten, wie wir als Anleger mit solchen abstrakten Risiken umgehen sollten.

Schon immer hat es eine ganze Industrie gegeben, die mit dem wohligen Schauder vor dem großen Weltuntergang ihr Geld verdient und gerade in der Finanzindustrie ist das Verspechen von "Sicherheit" dabei besonders erfolgreich, die perfekte Vertriebsmasche sozusagen.

Denn das will doch jeder, maximale Rendite und absolute Sicherheit, hach - das Weggle und den Fuzzger gleichzeitig halt. Dass das nur der unrealistische Traum naiver Menschen ist, verhindert aber nicht, dass mit der Masche jede Menge Kunden angelockt und Verträge geschlossen werden können.

Dabei ist die Realität, dass jede Krise anders ist und es deswegen auch in der Geldanlage keine Patent-Rezepte gibt, zumal das Asset, das in der einen Krise tatsächlich das Depot stabilisiert, in der nächsten Krise die Ursache des Problems oder vielleicht auch verboten sein kann.

Wenn wir uns klarmachen, dass es absolute Sicherheit gar nicht geben kann, werden wir zwangsläufig auch unser Haltung möglichen Krisen gegenüber überdenken und das ist gut so!

Natürlich macht eine gedankliche und sachliche Vorbereitung auf Krisensituationen absolut Sinn, aber eben mit Fingerspitzengefühl, dem richtigen Maß und innerem Abstand, damit wir nicht in einen negativen Strudel gezogen werden, der uns das Leben selber vergessen lässt. Denn wir leben eben im "Hier und Jetzt" und nicht in der Zukunft, über die wir uns sorgen.

Ein bischen ist das wie das die Sache mit dem Tod ganz generell, am Ende landen wir alle in der "Kiste" und es gilt Asche zu Asche und Staub zu Staub. Was bringt es uns also, andauernd über diesen Moment nachzudenken, wenn wir darüber dann vergessen, im Hier und Jetzt zu leben und keine Freude mehr empfinden können? Denn jede Sekunde die wir nicht positiv leben ist verloren, vergangen und kommt nie wieder!

Wer sich heute also sozusagen schon "in den Bunker" zurück zieht, die Schrotflinte neben sich und den Wassertank bis zum Rand gefüllt, der gehört eher in psychiatrische Betreuung. Denn erneut, wir haben nur dieses eine Leben und welchen Sinn - auch welchen finanziellen Sinn - macht es, jetzt das Leben zu vergessen, weil am Ende sowieso der grosse Gleichmacher kommt?

Und es gibt ja genügend Anleger, die hautnah erlebt haben, wie sie in den letzten 14 Jahren einen riesigen Bullenmarkt verpasst haben, weil sie auf die Katastrophenklänge der Klick-Vampire herein gefallen sind.

Was hat es Ihnen gebracht, seit Jahren auf den Crash zu wetten? Nichts! Oder genauer gesagt: Verluste. Trotz aktuellem Bärenmarkt steht der S&P500 derzeit um die 4.000, im März 2009 stand er bei 660 und in dieser *Versechsfachung* um rund 3.300 Punkte sind nicht einmal rund 2% Dividenden pro Jahr enthalten, weil der S&P500 ein Kursindex ist.

Trotzdem. Trotzdem macht es Sinn, eine schwere Krise im Vorfeld zu durchdenken und im Sinne des -> Pareto-Prinzips <- die 20% an Vorbereitungen zu treffen, die dann 80% der Risiken abdecken können.

Der richtige Umgang mit dem Tod, wie mit dem potentiellen finanziellen Armageddon, ist eben keinesfalls die totale Verdrängung. Es macht absolut Sinn, sich diese Dinge bewusst zu machen und sich den Gedanken daran zu stellen. Danach sollten wir uns aber wieder dem Leben und dem "Anlegen" im Hier und Jetzt zuwenden.

Schauen wir uns doch mal beispielshaft ein paar vermeintliche "Sicherheiten" im Anlagebereich an und stellen diese einer schweren Krise vom Schlage "Armageddon" gegenüber, in der vielleicht der Strom weg ist und im schlimmsten Fall die öffentliche Ordnung nicht mehr gewährleistet werden kann.

Da wird von ETF Anlegern argumentiert, dass diese ja "sicher" seien, weil die ja "Sondervermögen" seien. Im Falle Armageddon ist das schlichter Quatsch. Um zum Beispiel an Sondervermögen in Irland zu kommen, braucht man ein funktionierendes Rechtssystem über Ländergrenzen hinweg. Es braucht noch nicht einmal ein "Armageddon" um das in Frage zu stellen, schon der Zerfall der EU dürfte genügen, dass man an Sondervermögen in Irland nicht mehr so einfach kommt.

Und wenn eine Blackrock kippen sollte, kippen Regierungen und es herrscht Chaos. Datenbanken schalten ab, Zugänge existieren nicht mehr und so weiter und so fort. Selbst Börsen können dicht machen und für Wochen und Monate stillgelegt werden.

Da wird von Immobilien-Besitzern argumentiert, dass diese ja "sicher" seien, weil es ein Grundbuch gäbe, in dem der Besitz dokumentiert ist. Die eigene Immobilie ist als Krisenvorsorge auch fraglos sinnvoll, ideal mit einem Grundstück darum herum, schon alleine damit man ein "Rübenbeet" beackern kann. Aber darüber hinaus Mietimmobilien? Wenn es richtig scheppert, haben wir wieder Zwangsbewirtschaftung, Zwangseinweisungen und Teilenteignungen. Alles schon da gewesen und bei einem totalen Zusammenbruch des Finanzsystems, kommt das garantiert wieder - die Unverkäuflichkeit ist dann noch das kleinste Problem.

Im Falle "Armageddon", wenn die gesellschaftliche Ordnung nicht mehr funktioniert, funktionieren übrigens auch bei einer Immobilie Gerichte nicht mehr, die selbst heute erst nach 3 Jahren Recht sprechen. Dann gilt das Faustrecht, dem man nur mit Schrotflinte und scharfem Schäferhund begegnen kann. Und solches Faustrecht in Sachen Immobilien gibt es doch heute schon, was sind denn Hausbesetzungen der linken Szene anderes? Und bekommt man diese Hausbesetzer mit dem heutigem Rechtssystem schnell heraus? So viel zur Sicherheit von Immobilienbesitz im Falle "Armageddon". 😉

Da wird von Rentenempfängern argumentiert, dass die Rente ja sicher sei. Ja stimmt, solange wir eine staatliche Ordnung und Demokratie haben. Danach nicht mehr. Und ansonsten ist sie auch nur nominell sicher, weil was nützt die schön stabile Rentenzahlung, wenn die Inflation jedes Jahr zweistellig ist?

Und Ansprüche aus Lebensversicherungen? Ich bitte Sie, die sind auch nur elektronisch in Computern und im Falle von Armageddon zusammen mit den Versicherungs-Unternehmen schlicht weg. Und selbst wenn sie elektronisch noch da sind, ist die Versicherungsgesellschaft und der dahinter stehende Absicherungsfonds vielleicht nicht mehr da.

Da wird von Gold-Besitzern gerne argumentiert, dass das ja "sicher" sei, weil man das physikalisch habe. Naja, wenn das Faustrecht gilt, ist es vor allem die Frage wie lange man es hat. Ein Revolver am Kopf verändert da schnell die Vermögensverhältnisse, schneller als bei Konten bei Banken. Und staatliche Verbote und Konfiszierung gibt es auch als Risiko.

Wer früher mal Western gesehen hat, weiss was ich meine. Das war eine Zeit in der die Sicherheit nicht staatlich garantiert wurde, etwas wofür uns nun eher die Phantasie fehlt. Nun stelle man sich mal eine einsam gelegene Farm vor, deren Farmer dann mitten in einer Hungersnot in die Kleinstadt mit Goldpulver kommt und damit Nahrung bezahlt. Was glauben Sie wohl, was innerhalb des nächsten Monats auf der Farm passiert wäre, wenn durch den Kauf mit Gold jeder weiss, dass da was zu holen ist? Wie viel hat dann also phyischer Besitz genützt?

Und es ist extrem fraglich, ob in so einer Situation wirklich jemand Gold haben will. Denn wenn es darum geht genügend Essen zu finden und seine Familie zu schützen, hat Gold nur dann Wert, wenn man daran glaubt, dass die Situation temporär ist - wie 1945-1947 nach dem Krieg. Wenn dieser Glaube aber nicht da ist, ist Gold nur totes, nutzloses Metall und die "Währung" sind dann eher Steckrüben, Zigaretten und alles was man Essen und im kalten Winter verheizen kann.

Ich könnte weiter machen, ich denke Sie wissen worauf ich hinaus will. Wenn der Strom weg ist, gibt es auch keine Anlagesicherheit mehr, selbst elektronische Aktionärsverzeichnisse sind dann nichts mehr wert und können auch juristisch nicht mehr durchgesetzt werden. In so einer Krise haben wir sowieso schlimmere Probleme und unser Aktienbesitz wird uns eher peripher berühren, weil wir Hunger und Angst um unser Leben haben.

Das ist der Fall Armageddon. Es gibt keine absolute Sicherheit im Falle Armageddon, schon gar nicht bei Geldanlagen. Punkt, kein Aber!

Aber müssen wir deswegen jetzt permanent in Sorgen vergehen und nur noch das Schlechteste für die Welt annehmen? So ein Quatsch, ein (Rest-)Risiko ist ein (Rest-)Risiko und in der Regel nicht die Realität!

Nachdem wir das endlich akzeptiert haben und nicht mehr dem naiven Gedanken an eine absolute Sicherheit nachjagen, können wir endlich das angehen, was nach dem Pareto-Prinzip absolut sinnvoll ist und man mit begrenztem Aufwand machen kann. Und uns danach von den Ängsten lösen, weil wir sind ja (als Anleger) sinnvoll vorbereitet.

Erstens, wir diversifizieren die Risiken, weil wir eben nicht wissen, von wo genau der Einschlag kommen wird.

Zweitens, wir wählen Anlagen, die relativ gesehen "sicherer" als gleichwertige Alternativen sind. Relativ sicherer, nicht absolut sicher, ein wichtiger Unterschied.

Wir suchen also keine absolute Sicherheit mehr, wir optimieren im Sinne des Pareto-Prinzips mit geringem Aufwand die relative Resilienz des Depots.

Und das kann man durchaus auch auf private Vorbereitungen auf einen Blackout übertragen. Die übertrieben komplexe Notstromlösung droht nutzlos zu sein, wenn die Gefahr oder der Einschlag dann doch von unerwarteter Seite kommen sollte. Auch bei der privaten Vorbereitung gilt das Pareto-Prinzip, man sollte nicht versuchen jedes Risiko auszuschliessen, sondern die Vorbereitungen treffen, die mit vergleichsweise geringem Aufwand den höchsten Nutzen stiften.

Natürlich sind "Sachwerte" dann in Sachen Geldanlage besser als Schuldverschreibungen, weil Sachwerte eher die Zeit überdauern. Um alles, was direkt mit Geld und Schuldverschreibungen zu tun hat, also Sichteinlagen, Anleihen und Co., sollte man in der Krise einen grossen Bogen machen. Im Armageddon werden Währungen kippen, Konten unerreichbar sein und Schulden nicht bezahlt werden.

Natürlich sind direkte Namensaktien von Weltkonzernen dann besser, als irgend ein Wisch eines Derivats, das nur in mathematischen Modellen von Bankcomputern existiert.

Alle diese Konstrukte wie Fonds, Zertifikate und Derivate, aber auch ETFs, sind letztlich ein Blatt Papier und hängen davon ab, dass diese Intermediäre weiter existieren und auch die Dinge tatsächlich besitzen, die sie behaupten für den Anleger beiseite gelegt zu haben. Und hängen davon ab, dass es ein Rechtssystem gibt, das unsere Ansprüche gegen die Intermediäre durchsetzen kann.

Was aber noch stehen wird, auch zu einem Zeitpunkt wo einzelne Staaten und Währungen schon die "Grätsche" machen und Börsen abschalten, sind die internationalen Konzerne die weder von einzelnen Währungen, noch einzelnen Ländern abhängig sind. Die Nestles und Johnson & Johnson dieser Welt also.

Natürlich werden im Armageddon deren Kurse auch ins Bodenlose fallen, wir haben ja in 2008 schon einen Vorgeschmack davon erhalten. Und zeitweilig sind die Aktien auch vom Handel ausgesetzt, weil es keinen geregelten Handel mehr gibt - im Armageddon alles möglich. Aber die Konzerne kommen wieder und werden weiter ihre Seifen und Müsliriegel verkaufen.

Und vor allem, Aktionär sind wir dann direkt beim Weltkonzern in deren Aktionärsverzeichnis. Und das auch, wenn die Hausbank kippt und ihre Datenbanken "geschrottet" wurden. Aktionär zu sein, ist eben eine direkte Beziehung zum Unternehmen, bei Namensaktien ideal ohne Blackrock und Co. dazwischen.

Auch direktes Investment in die Aktien von Weltkonzernen ist nie absolut sicher und auch Aktienbücher können untergehen. Aber es ist eben *sicherer* als ein Derivat, das ist der Punkt den wir in der Krise beachten müssen!

In dieser angenommenen schlimmen Krise, vor der alle die besonders Angst haben, die in Massen Gold horten und sich das von Goldverkäufern einreden lassen, ist physischer Besitz gerade *nicht* sicher, sondern ein Risiko, das man permanent mit Gewalt verteidigen muss. Hinterlegte Besitzansprüche an Welt-Konzernen, die es nur dann nicht mehr geben wird, wenn die Steinzeit dauerhaft zurück kommt, erscheinen mir da relativ gesehen noch "am Sichersten", auch wenn es absolute Sicherheit natürlich auch da nicht gibt.

So .... und wenn wir all das einmal an einem regnerischen Sonntag durchdacht haben und unsere Altersvorsorge sinnvoll diversifiziert und auf Resilienz überprüft haben, dann haben wir auch genug getan.

So ist es auch im Herbst 2022. Die absolut berechtigte Aufregung, die nun um wichtige "Winterthemen" existiert wie Strom, Gas und Versorgungssicherheit, verringert *reflexiv* die objektiven Risiken, weil sich die Gesellschaft jetzt schon vorbereitet und anpasst. Und das ist gut so.

Die schlimmsten Katastrophen passieren eben überraschend, wenn man völlig unvorbereitet ist, insofern hat Vorsorge jede Menge Sinn. Nur das Leben dürfen wir darüber nicht vergessen, wir leben im Hier und Jetzt und Armageddon ist nur eine entfernte Möglichkeit und wir sollten das Leben so gut geniessen, wie wir können.

Übrigens, noch eine wichtige Weisheit. Jeder Bärenmarkt generiert massive Chancen, denn die Märkte laufen langfristig zwei Schritte vor und nur einen Schritt zurück. Das wird auch in diesem aktuellen Bärenmarkt so sein und dabei ist es ganz egal, ob der im Oktober 2022 bei 3.800 oder im Februar 2023 bei 3.300 im S&P500 seinen finalen Boden findet. Wir sind schon mitten in einem Prozeß, aus dem die großen Gewinne der Zukunft erwachsen werden.

Wer es nicht glaubt, für den habe ich hier das langfristige Chart des Dow Jones Index seit 1896, ich habe mal ein paar weltgeschichtliche Geschehnisse, Katastrophen und Weissagungen eingezeichnet:

Vorsorge und Vorbereitung auf Krisen ist sehr wichtig, aber wir dürfen darüber nicht vergessen, dass es im Mittel aufwärts geht und Grenzen dabei vor allem in unseren Köpfen existieren. Denn in der Wahrnehmung und Akzeptanz der Krise, liegt in selbstreferentiellen, dynamischen Systemen auch schon ihre Lösung begründet. Manchmal dauert das nur länger, als uns lieb ist.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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