Brösel, Brösel, Brösel ….. Boom!



Heute versuche ich mal eine wichtige Wahrheit kompakt zu vermitteln und bediene mich dabei eines längeren Artikels, den ich vor einem Jahr im Premium-Berech geschrieben habe - dort dann ausführlicher mit mehr Beispielen und Herleitungen.

Die Frage die dieser Artikel beantwortet ist recht einfach. Sie lautet:
Wann wird es bei einer Aktie, einem ETF oder einem Index gefährlich?

Und das ist immens wichtig zu verstehen, weil wir es in unseren Denkstrukturen nämlich instinktiv falsch machen. Unser "Affenhirn" lässt uns bei Höchstständen Angst haben, weil die vermeintliche Fallhöhe ja so hoch sei. Und lässt uns nach vielen, bröselnden Abgabetagen - dann wenn das Gummiband schon gespannt ist - eher die Chancen sehen, weil das Asset ja schon "so billig geworden" sei.

Diese Chancen sind auch theoretisch da, es besteht aber eben das Risiko, dass das Gummiband reisst und das ist dann das *Boom* am Ende des Bröseln. Weswegen wir solche Rebounds auch erst dann spielen sollten, wenn die Kurse scbon wieder steigen und nicht im Vorfeld blind darauf wetten.

Schon oft aber habe ich den Mitgliedern erklärt und immer wieder gezeigt, dass ein Markt oder eine Aktie die langsam und schwach abwärts bröselt, erhebliche Risiken eines großen Einbruches generiert, Risiken die dagegen bei Höchstständen schlicht nicht vorhanden sind.

Dabei garantiert ein Bröseln keineswegs den folgenden Absturz. Es schafft aber die Voraussetzung dafür, dass die Gefahr eines solchen Absturzes real und relevant wird!

Ich will Ihnen das kurz anhand des Charts des "Black Monday" von 1987 zeigen, das das Gesagte eindrucksvoll unterstreicht. Mit diesem "Black Monday" bin ich damals mit ca. 25 Jahren an die Börse gekommen, nun sind es bald 35 Jahre, die ich mich an der Börse tummele.

Denn auch vor dem Black Monday ging ein markantes Bröseln voraus und wenn im Nachhinein der Black Monday so dargestellt wird, also ob der zweistellige Einbruch aus "heiterem Himmel" und unvorhersehbar kam, dann ist das einfach kompletter Quatsch.

Für Techniker war der wichtige Bruch der Unterstützung am 14. und 15.10.1987 - vor nun 33 Jahren - leicht zu sehen, der ein massives Warnsignal generierte. Und das abstrakte Risiko des Bröselns in dieser Phase, hat das Risiko auch schon indiziert und das ist dann halt so ein Fall, in dem das Gummiband dann mal gerissen ist:

Ich könnte nun hierzu viele weitere Beispiele bringen, schauen sie zum Beispiel mal auf das Chart von General Electric (GE) von 2017 bis 2019 und beantworten sich die Frage, wann das Bröseln klar sichtbar wurde und was dann folgte.

Hier im freien Bereich will ich es bei der Kernaussage belassen. Nehmen sie meine Worte ernst oder lassen sie es bleiben, ihre Wahl und ihre Konsequenzen, die daraus erwachsen.

Merken wir uns:

Ein Asset auf frischem Allzeithoch ist eher nicht bzw kaum gefährlich. Nichts bricht auf Index-Ebene einfach aus dem Nichts über Nacht markant ein, ohne dass irgend jemand etwas ahnt oder weiss. Es mag diese Fälle geben, das ist dann aber der Fall wo uns ala Majestix der "Himmel auf den Kopf fällt" und der ist so selten, dass er als Restrisiko einfach akzeptiert werden muss. Bei Einzelaktien gibt es so etwas eher, ist aber auch eine seltene Ausnahme.

Gerade in den starken Fällen, hat der gemeine Anleger aber aufgrund des psychologischen Ankereffektes Höhenangst und verbaut sich damit die Chance, wirklich starke Aktien im Depot zu haben.

Eine Aktie, die aber schon Schwäche zeigt und beständig abwärts bröselt, die *ist* gefährlich. Natürlich kann das trotzdem einfach eine normale Korrektur sein und irgendwann in eine Bodenbildung übergehen, die dann dreht. Das wird auch in der Mehrzahl der Fälle so ablaufen.

Gerade in den schwachen Fällen, bekommt der gemeine Anleger aber aufgrund des psychologischen Ankereffektes Gier, weil die Aktie vermeintlich "so billig" aussieht und riskiert damit, in einen echten Absturz zu geraten.

Denn wenn etwas so beständig bröselt wie 1987, dann ist das abstrakte Risiko deutlich, dass der Aktie oder dem Index ein markanter Einbruch noch bevorsteht - der Beispiele gibt es tausendfach. Erneut, das garantiert nicht *dass* es passiert, es erhöht aber massiv das Risiko. Wenn sie alkoholisiert Auto fahren, garantiert das auch keinen Unfall, es erhöht aber das Risiko erheblich.

Auch das ist übrigens ein Grund, warum wir nicht in fallende Messer greifen sollten, egal wie "billig" sich etwa anfühlt. Erst wenn die Kurse schon steigen oder eine belastbare Bodenbildung existiert, das Bröseln also aufgehört hat, erst dann wird eine Aktie für kluge Anleger wieder für eine Rebound-Spekulation interessant. Erst dann!

Man könnte diese Weisheit auch anders formulieren:

Stärke gebiert Stärke und Schwäche gebiert Schwäche.

Wer starke Aktien kauft, die beständig nach oben klettern, hat eine weit höhere Chance die kommenden Monate ins Plus zu laufen, als jemand der eine "Gurke" kauft, die beständig abwärts bröselt.

Sie können das auch in der aktuellen Rally seit dem Covid-Tief im März sehen. Schon im April war Tech stark und ist losgelaufen, die Charts waren schnell wieder auf Allzeithochs. Öl und Fluggesellschaften dagegen waren schwach und sind es immer noch. Wer ist also besser gefahren? Natürlich wer Stärke gekauft hat!

Sicher gibt es auch die Ausnahmen, aber die bestätigen die Regel. Trends dauern eben länger als wir oft glauben und sollten daher unser Freund sein. Ignore at your own risk!

Haben sie also keine Angst vor starken Aktien, die korrigieren auch mal, kommen dann aber in der Regel wieder.
Fürchten sie sich dagegen vor schwachen Aktien, die beständig bröseln! Die sind wirklich gefährlich!

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Was ist eine Wall of Worry?

Ich weiss nicht ob sie den folgenden Witz kennen:

Sohn fragt aus der Schule kommend: "Papa, Papa, was ist ein Vakuum?"
Papa sagt: "Moment mal Sohn, ich habs im Kopf, aber ich komm nicht drauf!"

😀

In diesem Sinne könnte ich sie nun fragen: "Was ist eine Wall of Worry?"
Und die Antwort wäre konkret vor ihrer Nase, nicht im Vakuum der üblichen Ratereien und Spekulationen. 😛

Hier ist das vor ihrer Nase:

Denn eine "Wall of Worry", ist im Deutschen die "Wand der Angst" oder auch eine "Mauer der Sorgen".

Und wissen sie was, wenn so eine Wall of Worry im Markt exitiert, dann steigen die Kurse gerade weil so viele Sorgen da sind.

Für Anfänger, oder Anleger die immer welche bleiben, hört sich das merkwürdig an, wenn große Risiken existieren, dann muss man doch von fallenden Kursen ausgehen. Oder etwa nicht?

Eben *nicht*. Wenn sie zum Beispiel meinen Artikel -> Der Markt und die Erwartungen <- gelesen haben, dann ist ihnen klar, dass immer das Delta der Erwartungen entscheidend ist.

Wenn also im Markt schon große Sorgen sind und alle die diese Sorgen haben schon verkauft oder abgesichert haben, dann müssen gar nicht die Sorgen verschwinden damit die Kurse steigen, dann reicht es dass die Sorgen ein klein wenig geringer werden und der Markt steigt.

Und genau das passiert gerade im US-Markt, der Sorgen sind viele, das Virus, die Präsidenten-Wahl, die Sorgen vor Unruhen danach und so weiter und so fort.

Diese Sorgen wurden aber in der Korrektur des September verarbeitet und nur wenn diese Sorgen nun neue Aspekte bekommen, die diese verschärfen, wäre das wieder kursrelevant.

Tja und dann haben wir da noch den zweiten entscheidenden Faktor eines Marktes, den ich ihnen im April in -> Warum steigen (und fallen) Kurse eigentlich? <- nahegebracht habe.

Und das ist der Liquiditäts- und damit Anlage-Druck, der in hohem Maße von der Geldpolitik der Notenbanken und den diversen Stimuluspaketen befeuert wird. Und wo die Nachfrage groß und das Angebot knapp ist, da steigen die Preise, etwas was man auch im Immobilienmarkt schon lange sehen kann.

Weswegen es immer so lustig ist, wenn über den Warenkorb gesagt wird, er würde keine Inflation anzeigen. Doch die ist da, aber nicht im Warenkorb, sondern in den Assetmärkten und das hat mit den Notenbanken zu tun. Wenn also ein junger Familienvater keine bezahlbaren Häuser für seine kleine Familie mehr findet, darf er sich neben anderen Faktoren wie Regulierung (Dämmung, fehlende Grundstücke etc) und Bevölkerungswachstum durch Migration vor allem bei den Notenbanken bedanken.

Statt dessen glaubt dieser Familienvater aber wahrscheinlich das kenntnisfreie -> Enteignungs-Gebrabbel <- linker Ideologen. Für die Notenbanken und die Unterstützer dieser Geldpolitik ist das aber ein Segen, die freut der ablenkende "Haltet den Dieb Effekt" natürlich.

Aber zurück zur Börse, denn Immobilien sind ein anderes Thema. Der Punkt ist, zwei Faktoren treiben aktuell die Märkte, die Liquidität und die "Wall of Worry".

Und deshalb hat die September-Korrektur nur den erwarteten flachen Verlauf genommen und wir im Premium-Bereich haben den Umschwung Ende September auch erkannt.

Und nun läuft der Markt die "Wall of Worry" hoch, frei nach dem ewigen Motto des Marktes:

Zwei Schritte vor, einer zurück.

Was morgen passiert wissen wir immer noch nicht. Auch nicht was nach der US Wahl passiert. Wir wissen aber dass die Geldpolitik so aggressiv bleibt und eine faktische MMT (Modern Monetary Theory) etabliert wird und wir wissen, dass es immer genügend Grund gibt sich Sorgen zu machen - von Euphorie keine Spur.

Und das ist doch schon mal was. Wer ein Investor sein will und in einem "2x vor 1x zurück" Markt immer permanent zögert, wird eben nie auf einen grünen Zweig kommen.

Sorgen gibt es immer, die Märkte können trotzdem die "Wall of Worry" steigen. Das wollte ich heute noch einmal wiederholen.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Free Reloaded!

Seit 2011 schreibe ich in diesem Blog und auch wenn 9von10 Artikeln seit 2013 nur im Premium-Bereich erscheinen, haben sich auch im freien Bereich mittlerweile "Massen" angesammelt, von denen viele Grundlagen behandeln und daher nur langsam oder gar nicht altern.

In der Zeit der Klickeritis und des "Schnell, Schnell" nehmen sich aber zu wenige mal die Zeit Texte zu beachten, die älter als 3 Tage sind. Das ist bedauerlich und will ich mit dem kurzen Beitrag mal wieder verbessern.

Mal ganz konkret gefragt, haben Sie schon einmal oben im Menü die Maus über "Freier Bereich" geführt und geschaut wie das folgende Menü aufklappt? Und dann vielleicht mal geschaut was so in einem Jahrgang im freien Bereich alleine alles geschrieben wurde?

Und haben sie insbesondere mal auf die Kategorie "Wissenswerte und Grundlagen" geklickt und -> diese Liste gefunden? <-. Ich zähle alleine in diese Unterkategorie 250 Artikel im freien Bereich, die überwiegend noch aktuell sind.

Fünf davon will ich nun wieder in ihr Bewusstsein holen und vielleicht findet sich für sie da ja noch viel mehr:

(1) Finanztransaktionsteuer

Schon 2013 und 2014 habe ich erklärt, warum eine "Fianztransaktionssteuer" nur auf Aktien grober Unfug ist.
6-7 Jahre später im Jahr 2020 will unser glorreicher Finanzminister diese nach seinem unermesslichen Ratschluß immer noch einführen. Aber macht gleichzeitig keine Zuckung, um endlich mal Kapitalbildung in Arbeitnehmerhand zu unterstützen:

-> Finanztransaktionssteuer nur auf Aktien ist grober Unfug! <-

(2) Konzentration auf starke Sektoren

2015 habe ich beschrieben wie wichtig es ist, uns als Investoren auf Sektoren zu konzentrieren, denen "der Wind in die Segel bläst". Der typische Anfänger dagegen bildet sich ein klüger als der Markt zu sein, setzt auf die gefallenen Engel und glaubt ernsthaft deren "Qualität" als Einziger erkennen zu können.

"Contrarian" nennt sich diese Abart der naiven Hybris dann gerne, echte Contrarians wissen aber, dass zu früh auch nur ein anderes Wort für falsch ist. Eine Wette gegen den Markt macht eben nur dann Sinn, wenn ihre Zeit gekommen ist und erfordert exaktes Timing, das nicht gerade zu den Fähigkeiten von Anfängern gehört.

Dieses Frühjahr im Lehman-Absturz waren diese Reflexe auch bei den hohen Dividenden-Renditen der Ölwerte zu beobachten. Die "müssen" doch wieder steigen. Leider muss der Markt gar nichts. Und was ist nun daraus geworden? Und was aus den "teuren" Techwerten? Aber ab morgen wird alles anders, natürlich. 😛
Eine beliebte Rechtfertigung ist dann auch gerne: "Ich bin ein langfristiger Anleger". Stimmt, habe ich auch oft von Telekom-Anlegern ab 2000 gehört. 😛

Spaß beiseite, schauen Sie nun mal, welche Sektoren ich seit 2015 bevorzugt habe und welche ich links liegen gelassen habe. Und dann schauen sie mal, wie die sich in den letzten 5 Jahren entwickelt haben. Im Saldo war das eine gute Wahl und eine einfache Wahl, man muss nur erkennen, wo der transformatorische Wind des Wandels in die Segel bläst. Und das kann man auch heute.

-> Mit dem Wind im Rücken zum Markterfolg segeln <-

(3) Du wirst Angst haben

Passend dazu habe ich 2017 beschrieben, wie jeder früher oder später in die Krise läuft, in der pure Angst um das groß gewordene Depot aufsteigt. Nur wer sich dessen schon vorher bewusst ist und Techniken entwickelt damit umzugehen, wird das ohne große Schrammen überstehen. Wer diese Angst dagegen leugnet im Sinne "ich doch nicht", wird zuverlässig scheitern. Die Straßen der Börsen sind gepflastert mit derart gescheiterten Anlegerkarrieren.

Yoda hat es schon Luke gesagt und der wollte es auch nicht glauben:

-> Doch, Du wirst Angst haben! <-

(4) Was ist ein gleitender Durchschnitt?

Aus 2018 ist hier eine sehr ausführliche Erklärung für alle die wissen wollen, was ein gleitender Durchschnitt ist und was das bedeutet:

-> Was ist ein gleitender Durchschnitt? <-

(5) Unsere Mustererkennung und ihre Auswirkungen

Aus 2019 hier ein Artikel zur menschlichen Musterkennung, mit Schnittmengen zum politischen Diskurs der Gegenwart:

-> Der Messerträger, die Glatze und das Gesicht des Chinesen <-

So.. falls sie noch mehr davon wollen und sie diese Artikel schon kennen, dann denken sie an die Änderungen zum 01.10.2020, die ich vor Wochen -> hier <- im zweiten Teil des Artikels erläutert habe.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Der Paradigma-Wechsel oder warum auch ein „Burggraben“ wertlos werden kann

Diesen Artikel habe ich im Premium-Bereich vor einem Jahr, im September 2019 geschrieben. Er ist aber unverändert gültig, nein noch viel mehr, die Covid-Krise hat die Wahrheit so richtig offenbar gemacht.

Damals vor einem Jahr, zum Jubiläum von Windows 1995, wurde ich daran erinnert, wie idiotisch - es gibt kein anderes Wort dafür - die IBM in den 90ern mit ihren riesigen Chancen umgegangen ist:

Erinnern wir uns, IBM beherrschte noch in den frühen 80er Jahren die Computerwelt mit seinen Großrechnern. Ich erinnere mich an Wirtschaftsmagazine mit Covern, die fragten, ob IBM bald die ganze Welt beherrschen würde.

Gleichzeitig gab ein "kleines Würstchen" namens Steve Jobs damals zum Besten, dass IBM "arrogant und kurzsichtig" sei und bald "gedemütigt" würde. Wahre, prophetische Worte, die aber 10 Jahre brauchten, bis das Ergebnis so richtig durchschlagend zu sehen war.

Wir alle kennen die Geschichte, wie IBM Anfang der 80er Jahre eben genau "arrogant und kurzsichtig" das "Bröselgeschäft" mit den kleinen Computern so unbekannten Firmen wie Intel und Microsoft überlassen hat, ja sogar denen geholfen, auf die Beine zu kommen.

Aber große, zu erfolgreiche Organisationen machen eben solche Fehler, das ist aber kein Grund für das, was dann 10 Jahre später wieder in Sachen Windows passiert ist und das soll hier Thema sein. Und auch, was das generell für uns bedeutet.

Denn zu dieser Zeit war IBM 1994 in seiner schwersten Krise und nicht weit vom Exitus entfernt, den Lou Gerstner mit einer radikalen Kehrtwendung abwenden konnte. Gleichzeitig war der Stern von Microsoft schon steigend und mit Windows 3.0 bzw 3.1 gab es eine Klick-Oberfläche für DOS, die sich zunehmender Beliebtheit erfreute, technisch gesehen aber ein ziemliches Stückwerk war.

IBM sollte seinen Fehler von Anfang der 80er also nun grundlegend verstanden haben und hatte eine gewaltige Chance vor sich. Denn DOS und damit auch Windows 3.x waren noch antiquierte 16-Bit Betriebssysteme, die mit ihrem mickerigen Adressraum zukünftig nur noch "Mickey-Maus-Computer" unterstützen konnten.

Wer sich nun also mit einem 32-Bit Betriebssystem für die neue Gattung der x86 Personal Computer durchsetzen konnte und die Marktführerschaft erringen, dem war diese Dominanz nicht mehr zu nehmen. Und IBM hatte alle Voraussetzungen und die riesige Chance, damit die Scharte von Anfang der 80er Jahre wieder auszuwetzen.

Denn innerhalb IBMs gab es viele gute 32-Bit Betriebssysteme und so viel Knowhow zur Betriebssystem-Entwicklung, wie mit Abstand in keiner anderen Firma des Planeten. Ich selber war damals als Abteilungsleiter an der Entwicklung des Großrechner-Betriebsystems MVS beteiligt und hatte einige Kontakte zur OS/2 Fraktion.

Genau, OS/2 - denn damit hatte IBM schon das perfekte 32-Bit PC-Betriebssystem, das spätestens mit OS/2 3.0 genannt "Warp" ein rundum gelungenes Produkt und technisch um Welten besser, als das erst später erscheinende, noch voller technischer Krücken steckende Windows 95 war.

Schon 1996 war es aber mit OS/2 faktisch zu Ende, Windows 1995 dominierte alles und IBM stellte seine Versuche ein, damit Marktanteile zu gewinnen. Sie können an andere Stelle die vielen Fehler nachlesen, die da gemacht wurden und die sich im Nachgang teilweise als absurd darstellen.

So konnte sich IBM zum Beispiel nie dafür entscheiden, das Betriebssystem wirklich für die Massen, also auch für Spieler und Kids anzubieten, weil die "Blauhemden-Manager" dazu schlicht keinen Zugang hatten. Die Folge war, dass wichtige Unterstützung für populäre Anwendungen der Zeit fehlte, die teilweise noch auf 16-Bit fussten.

Sie können diese vielen Details des Durcheinanders und der teilweise lächerlichen Fehlentscheidungen woanders nachlesen, die -> Wikipedia hat hier <- eine ganz brauchbare Zusammenfassung dafür:

... Eines der größten Probleme war, dass IBM nun versuchen musste, das Betriebssystem selber zu vermarkten. Als ein typisches Großunternehmen vermarktete IBM seine Produkte zu einem großen Teil an andere Unternehmen und wusste so im B2B-Bereich zu bestehen. IBM hatte jedoch keinerlei Erfahrung damit, Produkte an Endanwender zu verkaufen, und beging dadurch zahlreiche große Fehler ....

... Mit OS/2 Warp versuchte sich IBM an einer neuen Marketingkampagne. Schon zuvor nutzte das Unternehmen intern Begriffe aus dem Star-Trek-Universum als Codenamen und so wollte IBM das Betriebssystem mithilfe von Darstellern aus der Serie offiziell veröffentlichen. Jedoch vergaß das Unternehmen dabei, sich die notwendigen Rechte von Paramount Pictures zu sichern. Paramount drohte mit einer Klage und so musste IBM die geplante Werbekampagne fallen lassen....

... Als IBM bemerkte, dass erste Entwickler Spiele für das Betriebssystem entwickelten und diese eine große Resonanz entwickelten, fasste das Unternehmen den Beschluss, Warp für jugendliche Computerfreaks zu bewerben. Damit stand IBM jedoch im Konflikt zu den bisherigen Kunden des Betriebssystems, die größtenteils Unternehmen waren und ganz andere Anforderungen an das Betriebssystem stellten. Dazu kamen die vor allem in den USA ausgestrahlten und von allen Seiten stark kritisierten Werbevideos, die die Stärken des Betriebssystems überhaupt nicht darstellten, dazu zählte etwa ein Werbevideo, das Nonnen in einem tschechischen Kloster zeigt ...

Ich habe das frustrierende Chaos damals hautnah erlebt, weil ich damals Kontakt zum damaligen OS/2 Chef Richard Seibt hatte, an dem das Scheitern wirklich nicht gelegen hat, sondern an den übergeordneten Strukturen.

Warum ich Ihnen das hier aber erzähle ist, weil die ganzen Fehlentscheidungen in meinen Augen gar nicht ursächlich für das Scheitern waren. Diese Fehlentscheidungen waren nur Symptome des wahren Metaproblems und wenn es diese Fehlentscheidungen nicht gegeben hätte, wären andere gemacht worden.

Das Metaproblem war schlicht, dass IBM von seiner Organisation, seiner Kultur und seinen Menschen her, unfähig war, diese neue Welt zu verstehen, die sich da entwickelte.

Überall sassen ergraute Manager, fraglos immens fähig, wenn es darum ging, Firmen eine perfekte und "state-of-the-art" Infrastruktur hinzustellen, die aber völlig blind dafür waren, wie sie von der kleinen wuseligen Welt der PCs und ganz neuen Marketing-Methoden überrannt wurden.

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Die neualte Wahrheit über den Markt

Mit den Erregungszyklen der neuen (a)sozialen Medien und der zunehmenden Klicksucht der Etablierten, ist die mediale Landschaft noch kurzatmiger geworden, als sie sowieso schon immer war.

Das gilt insbesondere auch für Börsenmedien und viele Menschen haben sich wie Lemminge vom "Allerneuesten" abhängig gemacht, etwas was einen Tag alt ist, ist da schon fast prähistorisch und keinen Gedanken mehr wert.

Diese Entwicklung hat viele negative Auswirkungen in die Gesellschaft hinein, die hier nun aber nicht Thema sein sollen und über die ich teilweise schon an andere Stelle geschrieben habe.

Diese Sucht nach "neuen Aufregern" macht aber gerade im Finanzmarkt den Scharlatanen das Leben leicht, die die natürliche Angst und Gier der Anleger bedienen und sich so Klicks und Umsätze verschaffen.

Immer wieder will ich sie dagegen ein wenig "immunisieren", was mir hier im nur lose gelesenen freien Bereich aber höchstens ansatzweise gelingen kann.

Aber immerhin ansatzweise und dem Einen oder Anderen wird vielleicht doch klar, wie sehr er sich über die Jahre hat in falsche Denkstrukturen locken lassen. Und deswegen will ich ihnen nun mit einem 4 Jahre alten Artikel von 2016 zeigen, dass bestimmte Wahrheiten eben nicht altern und viele gut daran tun würden, sich diese in Erinnerung zu rufen, statt dem nächsten Marktschreier hinterher zu rennen.

Die Originalversion findet sich -> hier <-, war vom 05.07.2016 und seitdem ich diese Zeilen geschrieben habe, ist der S&P500 von damals rund 2.100 auf rund 3.400 gestiegen, oder 62% oder rund 15% pro Jahr - ohne Dividenden, die noch einmal ca. 2% jährlich hinzufügen.

Und jetzt lesen sie mal die folgende Liste aus 2016 und fragen sich, welchen Wert für ihre Geldanlage die aktuellen Aufreger und ihre lauten Verkünder haben. Aber heute ist alles anders, schon klar. 😛

Dabei will ich ausdrücklich betonen, was ich auch 2016 betont habe, dass ich mich über die Risiken ja nicht lustig mache. Nein, ich nehme jedes einzelne Risiko verflucht ernst und teilweise schlafe ich deswegen schlecht, sonst hätte ich es nicht hingeschrieben. Und einige der Punkte von 2016 sind sogar eingetreten, siehe Trump.

Heute könnte man ein paar der Risiken von 2016 streichen, dafür sind andere hinzugekommen, im Saldo könnte man auch heute so eine Liste erzeugen.

Entscheidend ist aber: Welche Relevanz hatte das für ihre Geldanlage? Haben sie davon profitiert sich davor zu fürchten? Eben. 😛

Der Markt ist eben weder die Ökonomie, noch die Politik und hat seine eigenen Gesetze. Und wir tun gut daran, diese zu kennen und uns nicht von all denen ins Bockshorn jagen zu lassen, die ihr mediales Geld mit unseren Emotionen verdienen.

Und vor allem, man könnte problemlos eine ebensolche positive Liste erstellen, die sich dann vor allem mit Innovation, Fortschritt und einer sich im Saldo verbessernden Welt befasst. Die verschafft aber nicht so leichte Klicks wie Crash-Weissagungen und deswegen gibt es sie medial auch kaum.

Nun aber zurück ins Jahr 2016:

Ich habe so einen ähnlichen Artikel schon einmal geschrieben, aber doppelt genäht hält besser. 😉

Betrachten wir doch mal "fundamental" und "objektiv" die Welt- und Marktlage: [Anmerkung: von Juli 2016]

  • Die Flüchtlingskrise wird wieder anschwellen und zu einer veritablen Staatskrise mit Unruhen führen. Check!
  • Früher oder später werden Atomwaffen in den Händen von Selbstmordattentätern sein. Check!
  • Wenn man der Hydra des Terrorismus einen Kopf abschlägt, wachsen sofort drei Neue nach. Check!
  • Der Westen hat seinen inneren Kompass verloren und verliert sich und die Werte der Freiheit, in kulturellem Relativismus. Check!
  • Der Euro ist eine Fehlkonstruktion und wird zwangsläufig scheitern. Check!
  • Das Brüsseler Europa der Beliebigkeit und des Konsens um jeden Preis, hat sich überdehnt und scheitert gerade. Check!
  • Der Brexit wird andere Länder dazu animieren auszutreten, wenn man sieht, dass die Briten vom Austritt profitieren. Check!
  • Der "Club Med" wird die EU zunehmend dominieren und sie zu einer Transferunion machen. Check!
  • Deutschland wird durch die weiche Währung langsam seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Check!
  • Amerika hat sich als unfähig heraus gestellt, mit seiner Dominanz die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Check!
  • Trump wird Präsident. Check!
  • Die Krise in der Ukraine ist kein bisschen gelöst. Check!
  • Der IS ist kein bisschen besiegt. Check!
  • Im chinesischen Meer kann jederzeit ein offener Konflikt auftreten. Check!
  • Deutschlands Wohlstand ist auf Sand gebaut, die Altersarmut weiter Bevölkerungsteile kommt. Check!
  • Die Notenbanken der Welt überheben sich gerade. Check!
  • Der "Race to the Bottom" der Währungen wird nicht gut ausgehen. Check!
  • Das Finanzsystem ist kein bisschen stabiler als 2008, die Beteiligten haben nichts oder zu wenig gelernt. Check!
  • Die aktuellen Verzerrungen der Preisfindung an den Märkten, basieren primär auf zu starken dirigistischen Eingriffen von Staaten und Notenbanken im Sinne "Planwirtschaft Light". Check!
  • Mit dem nächsten Finanzcrash, wird nicht nur von Radikalen das Gesellschaftssystem in Frage gestellt werden. Check!
  • Und an allem wird für die medialen Lautsprecher sowieso nur "der Kapitalismus" schuld sein - was immer das ist. Check! 😉
  • Die Märkte sind nach Jahren des Bullenmarktes für eine Korrektur überreif. Check!
  • Die Anleihenmärkte befinden sich in einer gigantischen, von den Notenbanken und Staaten aufgepumpten Blase. Check!
  • Wenn dieser Markt abwärts zu rollen beginnt, wird es sehr schnell, sehr übel werden, weil der Margin Call sich durch das System frisst. Check!
  • Die Dominanz der trendfolgenden Algorithmen, wird den nächsten Crash noch schneller, tiefer und brutaler machen, als alle vorher. Check!

Habe ich etwas vergessen? Bestimmt! Da fällt Ihnen doch mit Sicherheit noch ein wichtiger Punkt ein. Oder?

Ach ja, ich habe noch Einen mit einem Augenzwinkern: 😉

Weiterlesen ...

Wo Rauch ist, da ist auch Feuer!



Vor knapp zwei Wochen habe ich ihnen in -> Wirecard und wir im Spiegel <- ein paar wichtige Worte zur Thematik geschrieben.

Diese Problematik, dass viele Anleger völlig naiv gerade die "gefallenen Engel" attraktiv finden, ist aber nicht auf einzelne Aktien begrenzt, sondern ganz generell ein Thema. Und das ist bei uns in der Community auch immer wieder Thema, zum dem ich auch Artikel schreibe, wie der nun folgende Artikel vom 02.07.2019, also vor genau einem Jahr.

Ich stelle ihnen diesen Artikel nun bewusst unverändert zur Verfügung, es ist ja besonders spannend zu sehen, was aus den genannten Aktien dann geworden ist. 😉

Es mag manche Leser geben, die gewöhnt an "Klickeritis" denken: "Gähn, alte Artikel". Dann sollen die so denken, viel Erfolg am Markt wünsche ich und winke hinterher.

Allen anderen sei gesagt, dass es gerade bei medialen Artikeln zum Markt doch interessant ist zu sehen, wie sich die Dinge dann danach entwickelt haben.

Der folgende Artikel ist in meinen Augen wichtig, auch und gerade wenn er ein Jahr alt ist. Wer die folgende Wahrheit nicht sehen kann oder will, ist dazu verdammt solche Fehler immer wieder zu machen und am Ende wird er aufhören und "Aktien sind nur für Zocker" rufen, nicht begreifend, dass ihn das Problem selbstgefällig im Spiegel anschaut.

Viel Spaß und gute Erkenntnisse wünscht der Hari 2020 und nun zurück in den Sommer 2019:

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Ich habe solche Artikel immer mal wieder geschrieben, weil ich Sie vor dem Reflex bewahren will, in "gefallenen Engeln" automatisch "Schnäppchen" zu sehen. Das heisst ja nicht, dass da nicht auch Schnäppchen sein können, in Mehrheit sind es aber keine und die Ausnahmen extrem schwer zu erkennen.

Unter der Überschrift -> Tiefer geht immer und erst bei Null ist Schluß <-, habe ich beispielsweise diesen Umstand schon 2015 in Sachen Kohle thematisiert und Peabody Energy ist dann tatsächlich auch in die Pleite marschiert.

Weil es so wichtig ist, zitiere ich daraus:

Und trotzdem .... wird dieser Fehler immer wieder und immer wieder begangen - einfach weil sich Menschen für klüger als der Markt halten. Und weil etwas, das sehr tief gefallen ist, auf den ersten Blick "billig" erscheint und bei unbedarften Anlegern laut "kauf mich" schreit.

Dahinter steht eine ebenso menschlich instinktive, wie grottenfalsche Interpretation von dem, was Kurse sind. Bei breiten Indizes kann man sehr wohl davon ausgehen, dass diese im Sinne "Mean Reversion" irgendwann von einem Extrem wieder auf einen Mittelwert zurück schwingen. Zumindest solange die Welt nicht untergeht. Aber auch bei Indizes kann das Jahre und manchmal ein Jahrzehnt dauern und insofern ist es auch da riskant, darauf blind zu wetten.

Bei einzelnen Aktien und selbst ganzen Sektoren, kann man aber selbst davon nicht ausgehen und es verschwinden weit mehr Unternehmen und auch Sektoren im Vergessen und fallen ins Bodenlose, als wir in der oberflächlichen Wahrnehmung glauben.

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Dieses Verhalten beruht auf dem schon oben im genannten Artikel besprochenen "Referenzeffekt" (Ankereffekt) in unseren Hirnen. Wir empfinden einen Kurs mit einer weit höheren Referenz in der Vergangenheit, instinktiv als "sicherer" und "chancenreicher", als einen Kurs, der auf Höchstständen notiert, weil er Teil eines starken Aufwärtstrends ist. Dabei ist das eine völlige Fehlinterpretation von dem was Kurse sind und es ist zu oft in der Realität genau anders herum!

Heute ist so ein Beitrag mal wieder fällig, damit die Prinzipien nicht in Vergessenheit geraten.

Immer wieder habe ich wiederholt und bewiesen, dass Fundamentaldaten kein Mittel zum Timing sind und wegen ihres prinzipiellen Nachlaufs, bei abstürzenden Unternehmen oft dann die "besten" Zahlenwerte liefern, wenn diese gerade massiv zu fallen beginnen. Wer attraktive Aktien primär danach auswählt, ob sie ein "attraktives" KGV oder KUV haben, wird damit also zuverlässig keinen Erfolg haben - im besten Fall schadet es nicht, nützt aber auch nichts.

Trotzdem ist genau das bei Laien eminent beliebt und kaum auszurotten, weil es von den Medien der "Börsenpornographie" immer wieder in die Welt gesetzt und als "Value-Anlage" verkauft wird - was für ein Blödsinn!

Ich bin sicher, immer wieder kommt mit neuen Mitgliedern diese Überzeugung in den Blog und muss erst mühsam korrigiert werden. Und genau diese Menschen sind dann besonders gefährdet, wenn eine ehedem erfolgreiche Aktie zu fallen beginnt, weil dann viele Kennzahlen plötzlich "billig" schreien, dummerweise aber sehr oft eine reine Honigfalle für kleine Bienchen sind. Erinnert sich noch jemand an die 2013er -> Honigfalle Commerzbank <-, die damals auch von ganz vielen Bienchen umschwirrt wurde, weil ja so "billig"?

Eigentlich sollte man sich aber die Absurdität schnell klar machen können. Denn wenn einfache Indikatoren mit ihren leicht vergleichbaren Zahlen ausreichen würden, eine "unterbewertete" Aktie zu identifizieren, was sagt das über die tausend anderen Marktteilnehmer aus - ich gehöre da dazu - die auch nach attraktiven Gelegenheiten schauen?

Das müssen also alles Idioten sein, die zu doof sind zweistellige Zahlen abzulesen - mich eingeschlossen - und man selber ist der einzige kluge Schatzsucher im Markt. 😛 Lächerlich, aber so wird gedacht, weil es das Ego pampert - eigentlich kaum zu glauben.

Im umgedrehten Fall habe ich das ja hier immer wieder zum -> Fall Amazon <- thematisiert, die nach diesen Kennziffern ja immer viel zu "teuer" waren. Schon 2013 habe ich das geschrieben und natürlich von einigen die gleiche Skepsis geerntet, wie in den Folgejahren auch. "zu teuer" - LOL!

Das Missverständnis liegt daran, dass einer Bewertung etwas "objektives" anhaftet, was diese aber nicht ist. Jede Bewertung ist Ausdruck des Konsens der Erwartungen des Marktes. Und sonst nichts. Der Erwartungen!

*Jede* Bewertung des Marktes ist erst einmal "richtig" und ernst zu nehmen, solange wir nicht wirklich belastbares und tiefgehendes Wissen besitzen, das diese Bewertung als fehlgeleitet identifiziert.

Und solches "Herrschaftswissen", kann entweder mit Insiderkenntnissen, oder eben sehr viel Fleiß und Beschäftigung mit der Aktie kommen. Umsonst kommt es nicht, sonst hätte es jeder und wenn alle wissen, dass die Aktie mehr wert ist, ist sie auch schon im Kurs höher, weil der genau die Erwartungen einpreist.

Märkte irren sich also sehr wohl, sie können Aktien über- und unterbewerten. Die wenigen Fällen echter Unterbewertung heraus zu selektieren, ist aber eine Aufgabe, bei der nur die Besten und Fleissigsten eine Chance haben - echte Value-Investoren die tief in die Unternehmen einsteigen und keine Indikator-Ableser mit zu viel Ego.

Für uns sind Bewertungen des Marktes also erst einmal richtig und wenn zwei Aktien eine Bewertungsdifferenz haben, gibt es dafür einen sinnvollen Grund, den wir nur noch nicht kennen.

Es kommt aber noch schlimmer für die "Kennzahlen-Ableser", denn das ist noch der einfache Fall eines Unternehmens mit einer stabilen Bewertung, die man hinterfragen kann.

Gefallene Engel aber, haben wegen der prinzipiell zeitlich nachlaufenden Fundamentaldaten noch ein zusätzliches Problem. Die Kennzahlen können noch einen Zustand vorgaukeln, der gar nicht mehr real ist.

Denn Kurse werden durch die Zukunft bewegt, durch Erwartungen um genauer zu sein und *nur* die Erwartungen können eine abstürzende Aktie auch wieder zum Rebound bringen. Frische Fundamentaldaten der nahen Vergangenheit, können zwar sehr wohl die Erwartungen verändern, weil der Markt sieht, dass er die Aktie vielleicht zu negativ betrachtet hat. Es sind dann aber immer noch Zukunftserwartungen, die die Kurse bewegen - in dem Fall bessere als vorher, weswegen der Kurs steigt.

Kommen wir zum ersten Beispiel:

Steinhoff (SNH), was wurde nach dem ersten Absturz nicht alles geraten, ob das nun eine "Gelegenheit" sei!

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Wirecard und wir im Spiegel



Puh. Jetzt hat doch wirklich jeder, sozusagen auch mein Opa seelig, seinen Senf zu Wirecard abgeliefert. Endlich beruhigt sich diese mediale Welle langsam, da kommt dieser blöde Hari daher und fängt nochmal damit an. 😛

Ganz genau, das mache ich mit Absicht so, auch der zeitliche Abstand ist gewollt. Sie sollen ruhig vom ganzen Meinungs-Schwall schon überrollt worden sein, dann können wir jetzt mal zu den Dingen kommen, die man daraus wirklich lernen kann. Denn - ich greife vor - zu viel "Meinung" ist hier genau das Problem und wenn sie das Problem nicht erkennen, wird es ihnen früher oder später wieder passieren.

Dieser Meinungs-Schwall hat natürlich mit allen möglichen Motivationen zu tun, Selbstrechtfertigung ist dabei, Schuldigensuche auch und grundsätzlich alles was die Seele beruhigt. Viel zu selten ist aber leider der ehrliche Blick in den Spiegel beteiligt, denn nur der kann verhindern, dass man die gleiche Dummheit noch einmal macht. Die derzeit oft zu beobachtende Selbstrechtfertigung und Delegation der Eigenverantwortung auf Schuldige behindert diesen Erkenntnisprozess dagegen nur.

Und da hinterher jeder gut Schwätzen und kluge Sprüche klopfen kann - hinterher gibt es dann plötzlich Millionen an "Warnern" und "schon immer gewusst Habern" - schreibe ich ihnen heute nur, was ich belegbar den Mitgliedern der Community zum Thema schon lange vorher gesagt habe. Und leite daraus wichtige Lehrsätze ab.

Los gehts:

Am 07. Februar 2019 habe ich den Mitgliedern im Hari Live Stream um 16:50 MEZ wie folgt geschrieben:

Sie haben vielleicht bemerkt, dass ich seit dem letzten Einschlag 2016 nichts mehr zu Wirecard (WDI) schreibe und ich auch jetzt das Geschehen nicht kommentiere.

Dahinter ist eine Philosophie und das will ich nun kurz erläutern.

Man kann es auf den kurzen Nenner bringen: Wirecard ist mir seit 2016 suspekt und das ist *keine* Wertung des Unternehmens, sondern Folge der damit verbundenen Unsicherheit, die ich mir im Depot nicht antun will.

Ich sage ausdrücklich, ich habe keine Ahnung ob an den Vorwürfen was dran ist oder nicht. Ich würde diese weder pauschal abtun, noch einfach so ernst nehmen.

Der Punkt ist ganz simpel, eine Aktie die ein derart undurchsichtiges Geschäftsmodell hat, das solche Einbrüche nach Attacken von Short Sellern überhaupt möglich macht, gehört nicht in mein Investmentdepot. Und auch als Trade ist sie ungeeignet, wenn man mit 20% Overnight-Gaps rechnen muss.

Der Punkt ist doch - und den Schuh muss sich Wirecard anziehen - wäre das Geschäftsmodell durchsichtiger und nicht so verschachtelt, würde der Markt so Attacken doch gähnend abtun, weil er sich seiner Sache sicher ist. Und verschachtelte Firmenkonstrukte habe ich noch nie gemocht, diese haben meistens ein Grund, der selten mit Transparenz zu tun hat.

Wirecard ist so angreifbar, weil sie so verschachtelt und undurchsichtig sind. Und das Management hat seit 2016 nichts daran geändert. Das sagt nichts über die Wahrheit der Vorwürfe aus, aber muss ich mir das im Depot antun? Meine Antwort ist klar: Nein.

Und sich an der Spekulation zu beteiligen und Position zu beziehen, ist da sowieso Unsinn, wir sind alle nur kleine Goldfische im Haifischbecken.

"Wo Rauch ist, da ist auch Feuer" heisst es als Bauernregel. Vielleicht ist Wirecard die Ausnahme wo der Rauch ohne Feuer ist. Kann gut sein. Ich habe aber keine Lust es mit meinem Geld heraus zu finden und das Aktienuniversum ist groß genug - auch ohne Wirecard.

Das ist meine Denkstruktur.

Damit haben wir einen ersten und wichtigen Lehrsatz.

Denn die Frage, ob man da wissen konnte was man nun weiss, ist völlig irrelevant! Nein, konnte man da 2019 natürlich nicht wissen, konnte man bei Enron vorher auch nicht. Aber man wusste da schon genug, dass es keinerlei Grund gab ein Unternehmen mit derartigen Fragezeichen im Depot zu haben. Das ist der Punkt!

Kein Mensch braucht so ein Unternehmen im Depot. Man verpasst auch nichts, weil es gibt 100 andere Unternehmen ohne so einen Rucksack an Problemen, die auch voller Zukunftschancen sind. Selbst wenn eine Wirecard vor der Aufnahme in den DAX stark steigt verpasst man nichts, denn andere Unternehmen steigen auch stark.

Weiter habe ich am gleichen Tag dazu um 17:05 MEZ geschrieben:

Übrigens, passend zu obigen Worten hier die meistgelesenen Nachrichten bei Finanznachrichten.de.

Fast überall nur Wirecard, jeder sabbelt was dazu. Praktisch jeder Kleinanleger ist nun also gerade hoch aktiviert und hofft auf ein "Schnäppchen".

Ich frage Sie, macht es wirklich Sinn sich daran zu beteiligen? Warum sollten wir einen Edge haben? Schauen wir doch besser dahin, wo diese Massen gerade *nicht* hinschauen.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Alle reden über etwas, zu dem sie keinen EInblick haben, dafür aber ganz fest gefügte "Meinungen".

Daraus folgt ein weiterer Lehrsatz. Wir wollen doch alle so gerne "Querdenker" und "Durchblicker" sein, dann müssen wir uns vom Denken der Herde aber lösen.

Wenn praktisch jedes Medium eine Nachricht nach der anderen zu einer Aktie ausspuckt und alle mehr oder weniger das Gleiche denken, dann denkt eben niemand mehr!

Dann kam die Bafin mit dem Leerverkaufsverbot in den Markt und während ganz viele das im Frankfurter Umfeld begrüsst haben, habe ich das damals am 18.02.19. in einem eigenen Artikel sofort kritisch kommentiert - nur ein kurzer Auszug, der Artikel war lang und detailliert:

Zweitens macht sich die Bafin mit dieser Maßnahme in meinen Augen ungewollt selber zur Partei. Sie beklagt brutale, spekulative Swings und erzeugt mit ihrem Verbot genau so einen Swing, weil nun ein Short-Squeeze einsetzt.

Und Partei wird sie indirekt, weil sie damit faktisch das Management von Wirecard stützt, das selber Aktionär ist. Und wer trägt die Verantwortung für diese Aktion, wenn an den Vorwürfen doch was dran ist? Ist sich die Bafin so sicher, dass das alles nur Schall und Rauch bei den Vorwürfen ist?

Daraus folgt ein weiterer Lehsatz: Überall sitzen nur fehlbare Menschen. Sie können ihre eigene Anlageentscheidung nirgendwo hin delegieren, nicht an die Deutsche Börse, nicht an Anlegerschützer, nicht an Fondsmanager großer Banken und auch nicht an die Bafin! Und schon gar nicht an wichtigtuerische Foristen, die viel Meinung verbreiten und sich als "Bilanzspezialisten" gerieren.

Weswegen wir wieder zur ersten Lehre kommen und dass man den Rauch als Anleger scheuen sollte, weil da zu oft auch Feuer ist.

Dann habe ich wieder zu Wirecard geschwiegen, weil interessiert hat mich die Aktie gar nicht. Es gab in 2019 so viel internationale Topwerte und so viel zu verdienen, wer brauchte da Wirecard? Niemand.

Aber am Morgen des 29.04.20 als dieser "KPMG Prüfbericht" kam, da hat es mich zerrissen, da konnte ich nicht mehr an mich halten, da musste ich mein Schweigen brechen und habe deutlichste Worte gefunden, unter anderem diese:

Das ist das absurde Ergebnis, das Wirecard reinwaschen sollte. Es tut mir leid, da bleibt nach all den Jahren wohl nur festzuhalten, dass das Wirecard Management eine Laienspieler-Truppe sein muss, oder die Vorwürfe wohl berechtigt sind. Dazwischen fällt mir persönlich nichts mehr ein.

Oder mit anderen, drastischeren Worten: Verarschen kann ich mich alleine, da brauche ich den Braun nicht dafür..

Vorher war ich an der Aktie nicht interessiert, hatte aber keine Meinung zu den Vorwürfen. Jetzt hat das Management bei mir seine Glaubwürdigkeit *restlos* verloren.

Es ist bei uns weiter vor allem der klassische, kleine Retail-Anleger, der an Wirecard interessiert ist und sich in Foren die Finger wund schreibt, obwohl seine "Meinung" was bei Wirecard los ist, völlig irrelevant und substanzlos ist.

Deutlicher geht es wohl nicht, oder? Und ich frage sie nun, was genau "konnte man nicht wissen"?

Man konnte mehr als genug wissen, um sich von so Aktien generell fernzuhalten und seine Zeit *nicht* mit viel irrelevanter Meinung zu vergeuden!

Das ist die entscheidende Lehre. Es geht nicht darum was man wissen konnte, es geht auch nicht um Schuldige und Klagen. Und wer jetzt immer noch mit viel Meinung unterwegs ist, nur die Themen verlagert hat, hat rein gar nichts gelernt und ist dazu verdammt, so etwas wieder zu durchleben.

Bedenken sie auch, dass ich selber Vorstandschef einer AG war, das Zusammenspiel mit Wirtschaftsprüfern also kenne und weiss, wie so etwas abläuft. Und ich kann Bilanzen tatsächlich lesen und kenne auch ihre Schwächen und schwammigen Stellen sehr gut. Und ich bin trotzdem nie der Meinung gewesen zu wissen, was bei Wirecard wahr oder falsch ist, denn ich weiss eben, was ich *nicht* weiss und kann Risiken einschätzen. Aber jede Menge Anleger ohne jede Erfahrung in diesen Dingen haben sich eine Meinung zu Wirecard eingebildet und akzeptieren selbst heute das Problem nicht, das sie im Spiegel anstarrt.

Wer wirklich etwas aus dem Vorgang lernen will, für den geht es primär um die Frage, warum man sich *trotz aller Warnsignale* hat in diesen Meinungssog ziehen lassen. Und das obwohl das Ding schon einen mehr als deutlichen Geruch ausgeströmt hat, ich habe ihn ja auch riechen können.

Das ist die Frage, die man mit dem eigenen Spiegel ausmachen muss, wenn man so etwas nicht noch einmal erleben will. Schuldigensuche lenkt nur von diesem Kern ab, pflegt kurzfristig das wackelige Ego, verhindert aber den Lerneffekt.

Die Kunst ist also nicht die "richtige Meinung" zu haben, die Kunst ist *keine* Meinung zu haben, wo man keinerlei Einblick hat! Und die Kunst ist, das zu erkennen!

Es geht also um die Kunst zu wissen was man nicht weiss und Risiken zu respektieren. Das ist die Kunst die Depots schützt!

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Vom Fischen und dem Zeitpunkt der Jagd



Es gibt Investoren und es gibt Trader. Die Grenze verläuft fliessend und viele wollen gerne Investoren sein, verhalten sich dann aber in der ersten Krise wie schlechte Trader, man könnte auch sagen wie aufgescheuchte Hühner. Aber das soll heute nicht Thema sein.

Die gängige Logik für Investoren ist bekannt, man muss primär *im* Markt sein und nicht draussen, um an seinen langjährigen Gewinnen teilhaben zu können. Für viele unerfahrene Anleger ohne echtes Marktverständnis, ist sowieso Kaufen und Liegenlassen im Zweifel die bessere Strategie, als etwas timen zu wollen, obwohl Erfahrung und Mittel dafür völlig fehlen und die Psyche mit diesen Anlegern Rodeo tanzt.

Allerdings auch nur, wenn man eine belastbare Strategie für das Risikomanagement, den "Check" besitzt, denn wer will schon bei General Electric oder noch schlimmer Enron einfach liegenlassen? Dieser Tage könnte man dann noch Wirecard zur Liste hinzufügen. 😉

Aber selbst wenn sie statt Einzelaktien einen ganz breiten ETF zB auf den MSCI World gewählt haben, habe ich schon dargestellt, dass Anleger bei schweren Krisen mit 70% Minus das dann mit großen Depots auch nicht durchhalten können. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis eben, egal ob mit Einzelaktie oder ETF. Weswegen völlig unbedarfte Anleger ihr Geld lieber in kompetente, dritte Hände geben sollten, auch wenn diese Hände natürlich auch nur mit Wasser kochen und selber Fehler machen.

Das soll heute aber alles nicht Thema sein, heute geht es um den aktiven Anleger, umgangssprachlich auch Trader genannt, denn auch jemand der eine Aktie oder einen ETF ein Jahr hält und dabei langfristige Trendbewegungen spielt ist letztlich ein Trader, wenn auch mit langfristigem Zeithorizont.

Ein Grundproblem das viele unerfahrene Trader und allgemein Anleger dabei haben, ist das sogenannte "Overtrading", der Versuch aus dem Markt etwas oder mehr herauszupressen, als da in Realität vorhanden ist. Und das soll heute Thema sein.

Es ist ja auch so verlockend, wir kennen es doch von "normaler" Arbeit, dass wenn wir mehr Energie hereinstecken, da in der Regel auch bessere Ergebnisse herauskommen. Wenn man sich also im normalen Leben um 19 Uhr Abends hinsetzt um etwas zu arbeiten, dann kann man da auch produktiv sein, weil man nun Zeit investiert.

Was den Markt angeht, ist das aber grundfalsch!

Der Markt muss gar nichts und wir können nur dann etwas aus dem Markt holen, wenn er bereit ist uns etwas zu geben! Dem Markt gegenüber ist Demut gefragt und die Erkenntnis dass wir kleine Nußschalen sind, die nur aufheben können, was der Markt für uns fallen lässt.

Das ist nicht unähnlich der echten Jagd, der echte Jäger kann auch nicht erzwingen, dass Wild genau dann aus dem Gebüsch kommt wenn er auf Lauer liegt, er braucht die Demut den richtigen Moment abzuwarten.

Aus den Märkten kann mal also nichts herausholen, nur weil man beschliesst sich jetzt hinzusetzen und traden zu wollen und diese Weisheit kannte schon der berühmte Jesse Livermoore:

Play the market only when all factors are in your favor. No person can play the market all the time and win. There are times when you should be completely out of the market, for emotional as well as economic reasons.

Denn Faktum ist, dass im Markt oft lange Zeit nicht viel zu holen ist, es sind wenige Phasen im Jahr von maximal wenigen Monaten, in denen man bei starken direktionalen Bewegungen dabei sein muss. Im Rest könnte man mit den Gewinnen sozusagen am Strand liegen und Cohiba rauchen - wir wollen doch den Klischees der Anleger zum Thema Börsianer entsprechen, oder? 😉

Diese Aussage gilt durchaus auch für echte Investoren, nur agieren die nicht in einem Zeithorizont, der mehrfaches, taktisches Rein- und Raus innerhalb eines Jahres wirklich sinnvoll macht. Die halten in so volatilen Seitwärtsphasen ihr Positionen einfach, hedgen sie vielleicht. Der Trader aber spielt mit dem Markt.

Wir haben doch zwei so potentiell profitable Phasen gerade erlebt. Ènde Februar ging es an den Märkten massiv herunter und kluge Investoren haben diesen Absturz mit diversen Methoden des Risikomanagements gedämpft, während Trader davon sogar profitiert haben.

Dann drehte der Markt Ende März und nun konnte die Jagd nach oben bald losgehen. Kluge Investoren haben in den folgenden Wochen selektiv akkumuliert und Trader haben Aktien geritten, die sich seitdem teilweise verdreifacht haben. Mit -> Thor (THO) <- habe ich ihnen erst vor Kurzem einen derartigen Fall gezeigt.

Klar war aber bald eindeutig, das war eine kritische Phase des Jahres, eine Phase in der massiv zu gewinnen und zu verlieren war, eine Phase in der man als Anleger hellwach sein musste.

Es wird aber auch wieder Phasen geben, in denen die Märkte weitgehend seitwärts eiern und wenig zu holen ist und in diesen Phasen macht es keinen Sinn durch "Overtrading" etwas erzwingen zu wollen, was gar nicht da ist.

Dann sollte man im übertragenen Sinne einfach "Fischen" gehen, etwas was auch Jesse Livermore mit diesem berühmten Satz schon wusste:

Dann präsent sein, wenn etwas zu holen ist und gelassen das Leben geniessen, wenn nicht. Das wäre doch kein schlechtes Leben für einen Trader, der diese Phasen brauchbar erkennen kann, oder? 😉

Das Problem dabei ist natürlich, woran erkennt man, dass man in der einen oder anderen Phase ist?

Ich sage aus Überzeugung, das kann man! Ich mache es den Mitglieder doch seit Jahren vor! Das ist aber keine Frage eines einzelnen Indikators, sondern das Ergebnis eines gewachsenen Marktverständnis und um den Mitgliedern das zu vermitteln, bin ich im Premium-Bereich da.

Man kann den Markt aber *nicht* vorher erraten, woher genau wollten sie denn im Vorfeld wissen, dass der Markt genau am 21./24.02. massiv zu fallen beginnt? Darin, in diesem Hang die Zukunft erraten zu wollen, líegt ein weiterer, grundsätzlicher Fehler der meisten Anleger. Aber auch das ist ein anderes Thema, das ich schon mehrfach adressiert habe.

Lösen sie sich vom Raten und konzentrieren sie sich auf das Beobachten des Spiels auf dem Platz!

Dann erkennen sie kurz *nach* dem Beginn, nicht vorher, dass nun eine kritische, volatile Phase begonnen hat. Danach, nicht davor und das genügt völlig! Man konnte das schon kurz nach dem 21./24.02 sehen, es war recht eindeutig.

Dann erkennen sie einen starken Trend wenn sie mittendrin sind und sich eine Folge von höheren Tiefs und Hochs ergibt, so wie das aktuell noch der Fall ist. Wenn man statt zu raten einfach nur auf das Chart schaut, ist das Signal of deutlich.

Und sie erkennen auch eine Phase der Richtungslosigkeit, wie sie oft mal über den Sommer eintritt und dann gehen sie eben Fischen.

Sie gehen aber nicht für einen festen Zeitraum Fischen, den sie schon vorher festgelegt haben - das wäre wieder Raten und morgen kann ja theoretisch eine Bombe platzen - sie gehen fischen so lange wie es ruhig bleibt Und wenn sich das ändert, werden sie wieder aktiv.

Auch bei ihren Pausen und beim "Fischen" machen sie sich also demütig vom Markt abhängig, der meldet sich schon lautstark durch stark steigende Volatilität wenn er in Bewegung gerät und ihre Aufmerksamkeit unbedingt erforderlich ist.

Man kann gute Phasen auch antizipieren, was aber nicht mit "sicher wissen" gleichzusetzen ist. Aber es gibt sinnvolle Kriterien die helfen, solche attraktiven Phasen besser zu erkennen.

Gute, profitable Momente aus Sicht des Gesamtmarktes finden sich zum Beispiel oft, wenn diese vier Dinge zusammen kommen:

  • Der Markt hat schon korrigiert und dreht nach oben oder er bricht aus einer Seitwärtsbewegung aus. Heisst, der Markt *beginnt* eine potentiell grössere Aufwärtsbewegung.
  • Das Sentiment ist skeptisch und zögerlich, die Anleger sind unterinvestiert, viele Absicherungen sind im Markt.
  • Die "Powers that be" - also zB die Notenbanken - haben gleichgerichtete Interessen und werden den Markt absehbar treiben bzw absichern.
  • Die Statistik (zB Saisonalität) bläst als Rückenwind in die Segel.

Genau das war mehr oder weniger Ende März der Fall. Wer da kein flatterndes Huhn war, hatte die Chance sichtbar vor sich. Und es war auch im Oktober 2019 der Fall und hat die Rally des 4. Quartals eingeläutet.

Sicher kann man auch andere Kriterien anlegen, ein spezialisierter Trader - zum Beispiel auf Volatilität - wird ganz andere Kriterien dafür haben, wann der Markt für ihn interessant ist. Das oben sind nur Beispiele. Und am Ende muss immer der Beweis vom Markt selber kommen, das Wild muss auch wirklich aus dem Gebüsch kommen, sonst war das "Rascheln" der Indikatoren ein Fehlsignal.

Das Fazit für Trader ist:

Sie sollten *nicht* permanent im Markt sein. Sie sollten *nicht* traden, nur weil sie sich vor den Schirm gesetzt haben, um etwas zu finden. Weder Langeweile, noch die Suche nach "Rache", sind sinnvolle Motivatoren für neue Positionen.

Man nennt das wie gesagt auch "Overtrading", wenn zu viele Setups gemacht werden, nur damit man überhaupt etwas macht.

Sie tun als Trader gut daran, sich Kriterien dafür zurecht zu legen, wann sie überhaupt im Markt sind.

Und es spricht nichts dagegen, dass Sie 6 Monate im Jahr dann *gar nichts* machen. Im Gegenteil, solche Auszeiten deuten darauf hin, dass Sie Ihre Kräfte bündeln können.

Legen Sie sich nicht nur Watchlisten und Einstiege zurecht, sondern auch eine Logik, *wann überhaupt* Sie im Markt unterwegs sind und wann Sie alle Positionen schliessen und abseits stehen.

Gehen sie auch öfter mal "Fischen", gute Trader erkennt man auch daran, dass sie wissen wann es Zeit dafür ist

Ihr Michael Schulte (Hari)

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Der Markt und die Erwartungen

Ich habe diesen Artikel schon einmal vor Jahren im öffentlichen Raum geschrieben, aber es gibt wichtige Dinge, die wollen immer wiederholt werden, weil sie generell gültig sind.

Und beim Thema Erwartungen ist es auch dringend nötig, denn die Sicht von Otto Normalbürger auf die Börse ist von katastrophalen Missverständnissen geprägt, die wenn nicht ausgeräumt, zu zuverlässigem Scheitern bei den ersten Versuchen führen werden. Aber auch im sonstigen Leben wirkt sich dieses Unwissen aus und lässt Situationen falsch einschätzen, ja kann sogar zu Unglück und Missmut führen kann, wenn man sich dessen nicht bewusst wird.

Wer kennt es nicht, wenn in einer Nachrichtensendung verkündet wird, dass ein Konzern den größten Gewinn (oder wahlweise Verlust) seit x Jahren gemacht hat. Man schaut dann am nächsten Morgen auf die Börse und der Gewinn wurde erstaunlicherweise mit 5% Kursverlust beantwortet oder wahlweise der Verlust mit 5% Kursgewinn – auf jeden Fall anders herum, als man gedacht hat.

„Die spinnt die Börse, das sind doch alles nur Zocker“, ist dann die natürliche Reaktion derer, die den Zusammenhang nicht verstehen - dabei hat die Börse objektiv rational agiert, man muss nur verstehen, wie Kurse an einem freien Markt zustande kommen. „Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich" heißt es dazu im Plattdeutsch, die Ablehnung von allem was man nicht versteht, ist das Zeichen derer mit begrenztem Horizont.

Vielleicht sollten wir uns zunächst klar machen, warum wir selber in etwas investieren. Stellen wir uns vor, da ist dieses superstabile, tolle Unternehmen, das wir sehr mögen und das seit Jahren steigende Gewinne ausweist. Warum investieren wir in dieses Unternehmen?

Ganz einfach, wir tun das nicht wegen der Gewinne der Vergangenheit, die sind ja vergangen und haben andere einkassiert. Wir tun das, weil wir aufgrund der Gewinne der Vergangenheit und der positiven Entwicklung *erwarten*, dass die Gewinne auch in Zukunft sprudeln und zu steigenden Dividenden führen.

Wir investieren also aufgrund einer positiven *Erwartung*, die sich aus Daten der Vergangenheit und einem positiven Bild der Zukunft ableitet.

Und dann haben wir da noch das Unternehmen, das tief gefallen ist und neue Tiefststände im Kurs generiert. Gerade solche Unternehmen erzeugen bei unerfahrenen Anlegern einen starken Sog, darin nun zu „investieren“ – „Bottom Fishing“ nennt man das im Amerikanischen.

Der Grund für den Drang, dort sein Geld einzusetzen ist wieder die *Erwartung“. Die Erwartung also, dass das Unternehmen die Kurve bekommt, man „billig“ eingestiegen ist und dann in der Zukunft einen großen Gewinn machen kann. Und wer sich nicht vorstellen kann, dass so ein Unternehmen auch weiter fallen kann, erlebt dann oft eine böse Überraschung – seine Erwartung hat den Anleger auf die falsche Fährte gesetzt.

Es sind also immer die Erwartungen, die uns zu Handlungen veranlassen, nicht die Nachrichten selber.

Und der Markt lebt deswegen immer in der Zukunft, mindestens ein paar Monate voraus.

Es ist also nicht das gute Zahlenwerk, das uns zum Kauf animiert, es ist die Erwartung, dass es in Zukunft noch besser wird.

Es ist nicht die Ausschüttung der Vergangenheit, die uns zum Kauf animiert, es ist die Erwartung, dass diese auch in Zukunft fließen und sich noch steigern wird.

Und dieser Mechanismus ist doch nicht auf die Börse beschränkt, er wirkt überall im Wirtschaftsleben. Warum kauft ein Händler eine Ware an? Weil er *erwartet* diese später teurer zu verkaufen. Warum legt sich jemand Goldbarren in den Tresor? Weil er *erwartet*, darin sein Vermögen wertstabil konservieren zu können.

Und wir Menschen lassen uns damit natürlich auch manipulieren. Warum reagieren wir auf Rabatt-Schilder? Weil wir *erwarten*, dass es in Zukunft wieder teurer wird und wir deshalb nun bei „Rabatt“ schnell zugreifen sollten.

Die Erwartung an die Zukunft ist also ein zentraler Faktor, der unser Handeln bestimmt. Nicht nur an der Börse, aber auch.

Und weil das so ist, kann ein Unternehmen einen großen Gewinn vermelden, der Kurs aber trotzdem fallen, weil die Marktteilnehmer einen noch größeren Gewinn *erwartet* haben und nun enttäuscht sind. Und ein Unternehmen kann einen großen Verlust vermelden, der Kurs aber trotzdem steigen, weil die Marktteilnehmer einen noch größeren Verlust *erwartet* haben und nun erleichtert sind.

Beides sind zutiefst rationale und zutreffende Reaktionen, denn eine Kursbewegung bildet nicht eine Nachricht ab, eine Kursbewegung bildet das Delta zwischen bisheriger und neuer Erwartung ab. Und dieses Delta kann durch Nachrichten beeinflusst werden, die die Realität anders zeichnen, es kann aber auch durch Gerüchte und Vermutungen beeinflusst werden, die die Erwartung beeinflussen.

Genau deshalb ist Wirtschaft zu mindestens 50% Psychologie und Börse sowieso, weil Erwartungen der zentrale Faktor sind und diese ja auch durch weiche, subjektive Faktoren wie Gerüchte, Vorlieben, Stimmungen etc. beeinflusst werden.

Um es also ganz klar und eindeutig zu sagen:

Wer den Markt antizipieren will, muss die Erwartungen der Marktteilnehmer verstehen.

Es gibt keinen anderen Weg, denn nicht die Nachrichten bewegen die Kurse, sondern die Veränderungen der Erwartungen, die unter anderem – aber nicht nur – durch Nachrichten ausgelöst werden und höchst subjektiven Einflüssen unterliegen.

So sind wir Menschen nun einmal. Auch in den Goldrausch in Kalifornien sind die Menschen nur gezogen, weil sie vor ihrem geistigen Auge den großen Reichtum gesehen haben. Und viele Werbemethoden, gerade auch am Finanzmarkt, beruhen gerade darauf den Kunden eine Wurst vor die Nase zu halten und so ihre Erwartungen zu manipulieren, um diese zu einer Handlung zu bewegen. Und warum spekuliert jemand mit Bitcoin? Weil er *erwartet*, dass es morgen noch höher ist.

Und witzigerweise bewegen damit auch Kurse die Kurse, weil bestimmte Kursbewegungen die Erwartungen verändern, weswegen Kurse am Ende auch Nachrichten machen können und völlig unklar ist, wer hier Henne und Ei ist.

Das ganze nennt man dann ein -> selbstreferentielles System oder auch Reflexivität <-, da schliesst sich der Kreis.

Um Börsenbewegungen zu verstehen, sind also die Daten der Markttechnik, zu denen Charts wie auch Sentiment-Daten gehören, ebenso wichtig, wie die objektiven Unternehmensdaten selber. Denn in der Markttechnik spricht der Markt zu uns, er offenbart seine Vorlieben und seine Erwartungen.

Wie zentral das Thema aber ist, das weit über Börse hinaus geht, sieht man dann, wenn man sich klar macht, dass unser ganzes gefühltes Glück im Leben auch zentral mit Erwartungen zu tun hat.

Wir alle kennen die Geschichten von Urvölkern, die glücklich ohne die Segnungen der Zivilisation leben. Denn was man nicht weiß, macht einen nicht heiß, wie der Volksmund sagt. Und wenn man nichts vermisst – also keine weitergehenden Erwartungen hat – kann man durch das Fehlen der Dinge auch nicht enttäuscht oder frustriert werden. Sobald diese Urvölker aber mit uns in Kontakt kommen, sehen sie den Unterschied und verändern die Erwartungen und werden unglücklich.

Nehmen Sie einen Hochspringer, der objektiv 2,20m hochspringt. Der erste Springer ist Weltmeister, springt 2,20 und ist zutiefst frustriert über seinen katastrophal schlechten Tag. Der zweite Springer ist Amateur, bisher nicht ernsthaft über 2 Meter gekommen, springt auch 2,20m und ist beseelt und begeistert, von der tollen Leistung. Die Erwartung macht den Unterschied, nicht der objektive Vorgang.

Oder nehmen Sie den (wahren) Spruch, dass Reichtum nicht dauerhaft glücklich macht. In dem Moment, in dem man von einem Lottogewinn ereilt wird, ist man euphorisch und glücklich – das hatte man nicht *erwartet*. Schon bald aber wird aus dem Reichtum der Normalfall, es gibt kein positives Erwartungsdelta mehr und schon beginnen die Verlustsorgen zu drücken und zu belasten.

Und auch aus dem Urlaub kennen wir das doch alle. Wenn man lange hart gearbeitet hat und alles Glück auf den kommenden Urlaub projiziert, dann wird dieser eher eine Enttäuschung werden. Nicht weil er objektiv schlecht ist, sondern weil die Erwartungen zu hoch sind.

Wer also sein Leben glücklich erleben will, muss unbedingt an seinen Erwartungen arbeiten.

Auch für die Partnerschaft gilt das, wer erst dann zufrieden ist, wenn er einen Partner gefunden hat, der in allem der eigenen, idealen Traumvorstellung entspricht, wird kaum eine glückliche Partnerschaft erleben.

Umgedreht wäre es aber falsch, das Fehlen jeglicher Erwartungen als Königsweg zu beschreiben. Denn dann könnten wir auch gleich wieder in die Höhlen der Steinzeit zurückkehren, nichts erwarten und uns einfach der Willkür einer Natur hingeben, die keineswegs so freundlich und schützenswert ist, wie sie neuerdings in grün-romantischer Aufwallung gerne gemacht wird.

Mit Erwartungen kommt nämlich auch der Wille zur Veränderung, der Wille seinen Zustand zu verändern und nach einer besseren Zukunft zu streben. Erwartungen holen also das Beste aus uns heraus und treiben uns an. Nur sollten wir uns ihnen nicht ausliefern und darauf achten, dass wir auch das schätzen, was wir haben und nicht nur das, was wir hinter dem nächsten Baum erwarten können.

Aber zurück zur Börse. Ich hoffe ich konnte klar machen, dass Börsenkurse durch Erwartungen bewegt werden und nicht durch die Nachrichten selber. Natürlich haben Nachrichten Auswirkungen auf Kurse, aber nicht direkt, sondern nur „um die Ecke herum“, indem Nachrichten eben wieder die Erwartungen verändern. Wenn ein Unternehmen als stabil bekannt ist und plötzlich einen Verlust ausweist, verändert das die Erwartungen. Wenn es aber einen guten Grund gibt, diesen Verlust als einmalige Anomalie zu betrachten, wird es kaum eine Kursreaktion geben und das ist genau richtig so. Es sind die Erwartungen an die Zukunft, die die Kurse bewegen.

Wir können alle massiv vom Verständnis profitieren, dass menschliche Entscheidungen – und damit auch Kurse - durch Erwartungen gemacht werden. Man setze heute ein glaubwürdiges Gerücht in die Welt und schon sind die Kurse andere. Mario Draghi hat mit seinem "Whatever it Takes" genau das gemacht. Wirtschaft und Börse ist eben zu mindestens 50% Psychologie, bei der Börse eher mehr. Vergessen wir das nie!

Am Ende will ich ihnen noch einen Artikel von der MaxPlanckForschung empfehlen, der nach meinem ersten Artikel zum Thema erschienen ist, aber mit anderen Worten zum identischen Ergebnis kommt: -> Zur Sache: Die Macht der Erwartungen <-

Die deterministisch-kausale Welt der klassischen Ökonomie, die sich ua in Konzepten wie "Homo Öconomicus" und "Random Walk" zeigt, ist eben grundlegend verfehlt, die Wirtschaft ist keine Maschine, die wie ein Automotor funktioniert, sie ist ein reflexives soziales System, das sich an sich selber labt.

Und Theorien die auf verfehlten Grundannahmen beruhen, produzieren auch bei anspruchsvollster Mathematik am Ende nur unbrauchbare Ergebnisse, die von der Realität immer wieder falsifiziert werden - was wir ja jede Woche wieder neu erleben können und zum berechtigt unterirdischen Ruf klassischer ökonomischer Prognosen beiträgt.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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11 Wahrheiten der Krise

Eine Krise bringt die Wahrheit an den Tag, das ist eine alte Weisheit, die wir auch in diesen Monaten wieder erleben dürfen.

Vielen von uns wird es in den letzten Wochen so gegangen sein, dass wir manch öffentliche Person plötzlich aus einem ganz anderen Blickwinkel erlebt haben, als wir ihn bisher kannten.

Auch politische Frontlinien wurden viele Wochen lang durcheinander gewirbelt und individuelle ethische Grundüberzeugungen wurden viel wichtiger als Maßgabe für das eigene Handeln, erst in den letzten Wochen haben sich die politischen Lager dann wieder die Diskussionshoheit erkämpft.

Auch im privaten Umfeld hat bei vielen die Krise die Wahrheit ans Licht gebracht. Wir wissen nun viel eher, wer zuverlässig ist und wer nur an sich denkt. Wir wissen nun wer hilfsbereit und wer rücksichtslos ist. Wir wissen wer emphatisch und wer nur eine selbstverliebte Egobombe ist. Und wir wissen wer rational und wissenschaftlich denkt, die Komplexität und das teilweise Nichtwissen akzeptierend und wer lieber den Aluhut aufsetzt, weil er dringend einfache Antworten in einer zu komplexen Welt braucht.

Aber gerade auch bei der Geldanlage hat die Krise ein paar Wahrheiten wieder ans Tageslicht gebracht und Fehlentwicklungen sowie Lebenslügen enttarnt, was auch kein Wunder ist, viele Anleger sind nun im Markt, die erst nach 2009 dazu gekommen sind und ergo nie eine echte Krise erlebt haben.

Lassen Sie mich daher mal zusammenfassen, welche 11 Wahrheiten diese Krise bisher wieder besonders herausgearbeitet hat:

Erstens, es gibt kein absolute Sicherheit am Markt, jede Aktie, egal wie stabil in der Vergangenheit, kann bei der für sie "richtigen" Krise in existenzielle Nöte geraten.

Zweitens, zu erstens passend, stures Buy&Hold ist eine Lüge. Ruhiges Investieren ist richtig, es braucht aber immer den "Check", das Risikomanagement bei extremen Veränderungen. Auch Buffett hat das nun vollzogen und alle Fluglinien mit Verlust rausgehauen und den Kauf als Fehler bezeichnet. Ruhiges Buy&Hold&Check ist in Ordnung, blindes Buy&Hold ohne Check eine Lüge. Das gilt auch für Sektoren und damit Sektoren-ETFs, siehe Buffetts Entscheidung zu Airlines generell.

Drittens, eine Aktie die massiv gefallen ist und keine Lebenszeichen sendet, ist nicht "billig", sondern ein Pleitekandidat, mit dem man *alles* verlieren kann. Das kann man mit Sektoren-ETFs abmildern, aber auch nicht ganz ausschliessen, wenn ein ganzer Sektor ins Trudeln kommt.

Viertens, es ist gar nicht so schwierig einem schweren Einschlag wie Ende Februar aus dem Weg zu gehen, man muss es nur tun und die Technik dafür beherrschen. Wenn eine Vase von der Tischkante kippt, erkennen wir das Risiko auch sofort und sind in der Lage schnell zu handeln, dieser Absturz war nicht viel anders.

Fünftens, Risikomanagement ist in schweren Krisen Pflicht, wer nichts getan hat und jetzt wo die Kurse schon wieder ein gutes Stück hochgekommen sind denkt, dass doch alles nicht so schlimm gewesen sei, hat überhaupt nicht begriffen, dass ihn nicht die eigenen Fahigkeiten, sondern nur das pure Glück des historisch einmaligen Stimulus von Notenbanken und Staaten gerettet haben. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen, ohne die einmalige Geldschwemme von Staaten und Notenbanken, wären wir nun in einer schweren Depression, es gäbe reihenweise Pleiten, Firmen würden wie Dominosteine kippen und die Kurse wären 60-70% von den Hochs gefallen!

Sechtens, nach dem Absturz wieder in den Markt zu kommen ist schwieriger als rauszukommen, weil man ohne Glaskugel nie den perfekten Boden erwischt. Man sollte es auch gar nicht versuchen, sondern den Vorteil des vermiedenen Absturzes mitnehmen und in Scheibchen schön stufenweise wieder aufbauen. Denn unser Job als Investoren ist vor allem investiert zu sein, den schweren Krisen aber zumindest teilweise aus dem Weg zu gehen.

Siebtens, es ist Liquidität und der daraus entstehende Anlagedruck der Märkte bewegt, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt müssen Märkte steigen, egal wie die fundamentalen Daten aussehen. Denn der Markt ist *nicht* die Ökonomie, er war es nie und wird es nie sein.

Achtens, Dividenden waren nie, sind nicht und werden nie der neue Zins sein. Dividenden sind nichts weiter als der Sekundäreffekt von hohem Cashflow und guten Gewinnen. Nur gute, dauerhaft wachsende Firmen, können auch dauerhaft wachsende Dividenden ausschütten. Konzentrieren Sie sich also nicht auf die Dividendenhöhe, sondern darauf beständig wachsende Unternehmen zu finden! Ob diese dann eine Dividende zahlen ist nett und lobenswert, aber am Ende sekundär, siehe Amazon und viele Topaktien ohne relevante Dividende.

Neuntens, Kurse entstehen aus Erwartung, beim Markt im Zeithorizont von Monaten bis zu ca. einem Jahr. Es ist also Zukunft die an den Börsen gehandelt wird und nur Aktien mit guter Zukunft werden in Krisen auch relative Stärke und Stabilität zeigen. Alte Kennzahlen, Dividenden, Meriten der letzten Jahrzehnte, das hat in einer neuen Krise alles keine Relevanz, wenn es an Zukunft fehlt. Eine aussichtsreiche Zukunft und absehbares Wachstum stabilisiert Kurse, keine Lorbeeren der Vergangenheit!

Zehntens, Krisen sind wunderbare Zeiträume um zu lernen, Fehler zu erkennen und sich als Anleger weiterzuentwickeln. In Krisen können wir wachsen, aber nicht jeder schafft es das Wachstum zuzulassen. Denn Beharren, Sturheit, das Ego und irrationale Ängste sind unsere Feinde dabei, der Wahrheit ins Auge zu schauen, das Problem im Spiegel zu identifizieren und für uns Schlüsse zu ziehen. So ist jeder Anleger in dieser Krise seines eigenen Glückes Schmied und nicht die Umstände, denn auch diesen Crash von März hätte man so oder so durchleben können, der Unterschied liegt in uns und nicht in bösen Mächten.

Elftens, das Auf und Ab gehört zu den Märkten wie der Morgen zum Abend und das Yin zum Yang. Ohne den Abend würde es keinen Morgen geben und ohne den Crash keine Jahre der steigenden Kurse. Rein aus Anlegersicht, die mit unserer Sicht als Bürger nicht deckungsgleich sein muss, sollten wir diesen Crash des März also begrüssen und ihn für unsere Depots umarmen. Er ist wie ein frischer Gewitterguss nach einem drückend-schwülen Sommertag und der historisch einmalige Stimulus lässt "befürchten", dass uns wieder lange Hitzeperioden an den Börsen bevorstehen werden.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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